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Würzburg/Schweinfurt
Corona: Kurzarbeit hält Mainfrankens Wirtschaft stabil
Tausende Firmen in Mainfranken versuchen, mithilfe von Kurzarbeit ohne Stellenabbau durch die Corona-Krise zu kommen. Eine Bestandsaufnahme, wohin das geführt hat.
Früher Feierabend: Tausende Unternehmen haben in Mainfranken auf Kurzarbeit zurückgegriffen, um ohne Stellenabbau durch die Corona-Krise zu kommen.
Foto: Jens Schierenbeck, dpa (Symbolbild) | Früher Feierabend: Tausende Unternehmen haben in Mainfranken auf Kurzarbeit zurückgegriffen, um ohne Stellenabbau durch die Corona-Krise zu kommen.
Jürgen Haug-Peichl
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:26 Uhr

Die Kurzarbeit ist in Mainfranken wie ein Rettungssanitäter: Sie hält während der Corona-Krise den Kreislauf der Wirtschaft stabil. Das lässt sich aus diversen Zahlen und Reaktionen ableiten, die diese Redaktion zusammengetragen hat.

Auf den Punkt bringt es Geschäftsführer Heinz Schielein von der Industrieofen- und Anlagenbau GmbH in Bad Königshofen (Lkr. Rhön-Grabfeld): "Kurzarbeit bringt uns sehr viel." In seinem Unternehmen mit 82 Beschäftigten habe es aufgrund dieser staatlichen Unterstützung im Zuge von Corona keinen Stellenabbau gegeben. "Wir haben auch nicht vor, es zu tun."

Und das, obwohl die Lage für den Fachbetrieb heikel ist: "Die Aufträge gehen langsam aus", sagt Schielein. Über Wasser halte sich das 1993 gegründete Unternehmen in erster Linie mit Kleinaufträgen. Einen Verlust in der Bilanz "wird es heuer nicht geben", aber auch keinen Gewinn.

Schon während der heißen Corona-Phase im April hatte der Geschäftsführer verkündet, dass er mit Hilfe von Kurzarbeit alle Mitarbeiter halten wolle. "Denn ich brauche jeden Mann", fügt er heute hinzu. Die von der Bundesregierung angedachte Verlängerung der Kurzarbeit von maximal ein auf zwei Jahre "würde uns helfen". Denn die wirtschaftliche Lage seines Betriebes werde Anfang 2021 wohl kaum rosiger sein als jetzt.

Befürchtete Insolvenzwelle ab Oktober: Womit eine Expertin rechnet

"Die Kurzarbeit hat ihren Zweck erfüllt": Diese Ansicht vertritt auch Geschäftsführerin Kerstin Vierhock von der Agentur für Arbeit in Würzburg. Stellenabbau oder Betriebsschließungen seien im großen Stil damit verhindert worden. Die Rückmeldungen von Unternehmen seien "fast ausschließlich positiv" gewesen.

Vierhock sieht einen weiteren Silberstreif am Horizont: Derzeit zeichne sich "noch keine Insolvenzwelle ab". Hintergrund ist, dass per Gesetz die Drei-Wochen-Frist zum Melden einer Insolvenz bis Ende September ausgesetzt wurde, um wegen Corona in Not geratenen Firmen vorübergehend Luft zu verschaffen.

Skeptiker befürchten allerdings, dass ab Ende September das wahre Elend der Wirtschaft schlagartig klar wird und dann Unternehmen massenweise doch in die Pleite rutschen. Vierhock sieht das anders: "Im Moment rechnen wir nicht mit einer Katastrophe."

Wie sehr die mainfränkische Wirtschaft ihr Heil in der Kurzarbeit gesucht hat, zeigen die neuesten Zahlen: Demnach haben seit März im stark von der Industrie geprägten Raum Schweinfurt inklusive Haßberge und Rhön-Grabfeld 39 Prozent der bei der Agentur für Arbeit registrierten Unternehmen Kurzarbeit angezeigt. Das betreffe 57 205 Menschen, so Agentur-Leiter Thomas Stelzer. Derart große Zahlen habe es nicht einmal nach der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09 gegeben.

Stelzer geht davon aus, dass 90 Prozent der Beschäftigten auch tatsächlich in Kurzarbeit gegangen sind. Hier kann es Differenzen geben, weil eine Anzeige von Kurzarbeit bei der Arbeitsagentur nicht automatisch heißt, dass das Unternehmen dann in der Tat das Kontingent für seine Belegschaft herunterfährt.

Auch im Raum Würzburg sowie in den Kreisen Main-Spessart und Kitzingen hat die Kurzarbeit seit Wochen Hochkonjunktur. Dort haben bislang 37 Prozent der gut 14 000 bei der Arbeitsagentur registrierten Unternehmen die Reduzierung der Arbeitszeit angemeldet.

Eine noch höhere Quote hatte die Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt im Juni in einer Blitzumfrage unter 146 Betrieben ermittelt. Demnach "haben rund 46 Prozent auf Kurzarbeit gesetzt", teilte Referentin Elena Fürst auf Anfrage mit. "Das Kurzarbeitergeld stellt für die mainfränkischen Betriebe eine wichtige Stütze in der Corona-Pandemie dar", ergänzte der stellvertretende IHK-Hauptgeschäftsführer Sascha Genders. Firmen seien so in der Lage, Fachkräfte zu halten.

"Die Kurzarbeit war ein wichtiges Instrument für Unternehmen."
Frank Weth, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer für Unterfranken

Ähnlich sieht es im unterfränkischen Handwerk aus. "Die Kurzarbeit war ein wichtiges Instrument für Unternehmen, um flexibel und beschäftigungssichernd auf die aktuelle Pandemiesituation reagieren zu können", fasst Frank Weth zusammen, der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer für Unterfranken.

Wie viele Betriebe in Kurzarbeit gegangen sind, erfasst die Kammer zwar nicht. Doch Weth ist sich mit Blick auf eine turnusmäßige Umfrage seines Hauses sicher, "dass viele Gewerke den Auswirkungen der Corona-Pandemie standhalten". Demnach gehen 80 Prozent der befragten Betriebe davon aus, dass ihre Geschäftslage im laufenden Quartal gleichbleiben oder sich verbessern wird.

Überforderung in Firmen war groß: Wie sich das gezeigt hat

Indes hat Agenturleiterin Vierhock in Würzburg wie ihr Kollege Stelzer in Schweinfurt gerade zu Beginn der Corona-Krise beobachtet, dass gerade kleine Firmen wegen der Kurzarbeitformalitäten an den Rand ihrer Möglichkeiten kamen. Selbst Steuerberater seien "stark überfordert" gewesen, so Vierhock.

Stelzer hat zum Beispiel mitbekommen, dass in der Eile Kurzarbeitformulare unausgefüllt bei der Arbeitsagentur eingereicht worden seien - allein der Stempel des Steuerberaters sei zu sehen gewesen. Gerade am Anfang habe es "extrem viele Fragen und völlige Unwissenheit" gegeben.

Glaubt man Vierhock und Stelzer, dann brachte die explosionsartig gewachsene Kurzarbeit auch die Arbeitsagenturen an ihre Grenzen. So mussten 70 der 260 Mitarbeiter in Schweinfurt schlagartig für die Hotline arbeiten, die die Agentur wegen Corona und Kurzarbeit eingerichtet hat. Es sei in der Behörde "alles umorganisiert worden".

Ähnlich ging es laut Vierhock auch in Würzburg zu. Der Wirbel habe sich aber mittlerweile gelegt: Waren es zu Beginn bei der Kurzarbeit-Hotline noch 100 Anrufe am Tag, so seien es nun 100 Anrufe pro Woche.

Wirtschaftliche Lage in Mainfranken: Warum Experten zuversichtlich sind

Wie Vierhock ist auch Stelzer optimistisch, was die wirtschaftliche Lage in der Region angeht. So verzeichne seine Arbeitsagentur bereits wieder 3600 offene Stellen – unmittelbar vor Corona seien es nur 700 mehr gewesen. Die Unternehmen suchten vor allem gut ausgebildete Mitarbeiter. Der seit Monaten anhaltende Fachkräftemangel "begleitet uns immer weiter" – Corona hin oder her.

Dass die Betriebe ihre Belegschaft trotz der schwierigen Zeiten nicht auf die Straße setzen, zeigt sich auch beim Blick in die Arbeitslosenstatistiken. So liegt die Quote im Bereich der Arbeitsagentur Schweinfurt bei 3,8 Prozent. Vor Corona betrug sie laut Stelzer 3,2 Prozent. Das bedeute, dass die Lage auf dem Arbeitsmarkt "noch stabil" sei. Die Würzburger Agentur meldet eine Quote für Juli von 3,1 Prozent bei ebenfalls moderater Veränderung gegenüber den Vormonaten.

Heinz Schielein zählt sich zu jenen Unternehmern, die nicht auf Entlassungen wegen Corona setzen. Er hat in seinem Industrieofen-Betrieb in Bad Königshofen freilich festgestellt, "dass Leute kalte Füße bekommen haben" und von sich aus gingen. Ein Mitarbeiter zum Beispiel sei zur Deutschen Bahn gewechselt, weil er dort mit Blick auf die Corona-Krise einen sicheren Arbeitsplatz vermutete.

Unterdessen geht das Thema bundespolitisch weiter: An diesem Dienstag berieten die Koalitionsspitzen von CDU/CSU und SPD über die Höchstbezugsdauer des Kurzarbeitergeldes.

Kurzarbeit

Kurzarbeitergeld gibt es hierzulande seit 110 Jahren.  Es soll Unternehmen in Krisenzeiten helfen, den Betrieb herunterfahren, aber Personal halten zu können. Die Agenturen für Arbeit übernehmen einen Teil der Gehaltseinbußen, die die Beschäftigten haben.
Wegen der Corona-Krise wurden die Regeln zur Kurzarbeit erweitert. Seit März und bis Ende des Jahres gilt: Arbeitnehmer bekommen in den ersten drei Monaten 60 Prozent (mit unterhaltspflichtigen Kindern: 67) der Einbußen beim Nettogehalt erstattet. Vom vierten bis sechsten Monat sind es 70 Prozent (77), ab dem siebten 80 Prozent (87). Voraussetzung dieser stufenweisen Erhöhung: Die Beschäftigten haben im Abrechnungsmonat mindestens 50 Prozent Arbeitsausfall. Das Kurzarbeitergeld streckt das Unternehmen vor und bekommt es später von der Arbeitsagentur erstattet. Deshalb steht das Kurzarbeitergeld als eigener Posten auf dem Gehaltszettel. Die Sozialversicherungsbeiträge für ausgefallene Arbeitsstunden bekommt das Unternehmen komplett zurück.
Dauer der Kurzarbeit: Maximal zwölf Monate, in Ausnahmefällen bis zu 21 Monate, wird Kurzarbeitergeld gezahlt. Anspruch besteht, wenn mindestens zehn Prozent der Mitarbeiter eine Kurzarbeit von mehr als zehn Prozent haben.
Quelle: Bundesagentur für Arbeit
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