Zum Beginn des Ausbildungsjahres am 1. September haben die Industrie- und Handwerkskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt und die Handwerkskammer (HWK) für Unterfranken eine ernüchternde Bilanz gezogen: Viele Ausbildungsstellen blieben unbesetzt.
2813 neue Ausbildungsverträge und somit rund 15 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum seien in Unterfranken abgeschlossen worden, teilte die IHK mit. "Der Start ins neue Ausbildungsjahr verläuft holpriger als sonst", sagt Lukas Kagerbauer, Leiter des Bereichs Berufsausbildung bei der für Mainfranken zuständigen IHK in Würzburg.
Warum bislang weniger Auszubildende eingestellt wurden
Auch im Handwerk gibt es einen Rückgang bei den abgeschlossenen Ausbildungsverträgen. Bei der HWK gingen 2271 neue Lehrverträge ein. Das sind rund sechs Prozent weniger als vor einem Jahr. "Die Zahlen sind in diesem Jahr mehr denn je eine Momentaufnahme, denn es herrscht noch viel Bewegung am Ausbildungsmarkt", sagt Andrea Sitzmann, Leiterin der Berufsbildung bei der Handwerkskammer.
Beide Kammern weisen auf die selben Gründe hin, wonach Bewerbungsprozesse ins Stocken geraten seien und sich der Abschluss von Ausbildungsverträgen verzögere. Schulen und teilweise auch Betriebe seien vorübergehend geschlossen gewesen. Veranstaltungen zur Berufsorientierung fanden ebenso wie Praktika und Ausbildungsmessen nicht statt. Ebenso gebe es eine durch Corona verursachte Verunsicherung: Bewerber entschieden sich möglicherweise eher für eine weiterführende Schule oder ein Studium statt für eine Ausbildung.
Welche Berufe die meisten Azubis haben und wo sie fehlen
Rund 20 Prozent weniger Auszubildende verzeichnete die IHK im Hotel- und Gaststättengewerbe. Die Branche gehört zu jenen, die besonders unter den Einschränkungen zur Bekämpfung der Pandemie leiden. Betriebe stellten auch weniger angehende Industriemechaniker und Fachlageristen ein. Rund ein Drittel der Lehrstellen seien in beiden Berufen weggefallen.
Im Bereich der IHK liegt der Einzelhandelskaufmann mit 213 neuen Ausbildungsverträgen vor dem Verkäufer und dem Kaufmann für Büromanagement mit jeweils 202 neuen Azubis. Bei der HWK führt der Kfz-Mechatroniker mit 391 neu abgeschlossenen Lehrverträgen vor dem Elektroniker mit 210 und dem Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik mit 185 Azubis die Liste der Berufe mit den meisten neuen Azubis in Unterfranken an.
Warum sich die Ausbildungssuche auch jetzt noch lohnt
Möglich ist aber, auch nach dem 1. September eine Ausbildung zu beginnen. "Wir rechnen mit einem Nachholeffekt in den nächsten zwei bis drei Monaten", sagt Kagerbauer. Es seien noch einige Ausbildungsstellen in kaufmännischen Berufen wie im Transport- und Logistikbereich, im Handel sowie im Büro-, Hotel- und Gaststättenbereich frei. In der Lehrstellenbörse der IHK gebe es noch rund 200 offene Ausbildungsplätze in der Region Mainfranken.
Rund 1000 freie Lehrstellen seien derzeit bei der Handwerkskammer gemeldet. Laut Pressesprecherin Nadine Heß gibt es in allen Ausbildungsberufen noch offene Stellen.
Auch die Bundesregierung unterstützt Ausbildungsbetriebe seit Anfang August mit dem Programm "Ausbildungsplätze sichern". Von Corona betroffene kleine und mittlere Unternehmen können eine finanzielle Förderung erhalten. Wolfgang Albert von der Agentur für Arbeit in Würzburg geht davon aus, dass viele Betriebe einen Anspruch, aber noch keinen Antrag gestellt hätten. Bislang seien in seinem Agenturbezirk erst rund 50 Anträge eingegangen.