
Wasserstoff ist das Gold von morgen: Mit derlei Umschreibungen wird das Gas derzeit hochgelobt. Die Energiewende in Deutschland, die extremen Spritpreise und der drohende Rohstoffengpass in Folge der aktuellen Russland-Sanktionen befeuern das.
Der Lockruf jenes Goldes von morgen wird auch in Franken gehört. So gibt das Familienunternehmen Lauda im Main-Tauber-Kreis neuerdings Vollgas, um ökologisch erzeugten Wasserstoff zum Beispiel für Autos und damit für den sprichwörtlichen Otto Normalverbraucher alltagstauglich zu machen.
Warum Wasserstoff an der Tankstelle gekühlt werden muss
Der Ansatz von Lauda ist die Tatsache, dass Wasserstoff an einer Tankstelle auf minus 40 Grad gekühlt werden muss. Das hängt damit zusammen, dass sich das brennbare und unter hohem Druck stehende Gas beim Ablassen in einen Autotank stark erhitzt.
Fachleute sprechen dann vom umgekehrten Joule-Thomson-Effekt. Um das Erhitzen auszugleichen, müsse Wasserstoff kurz vorher heruntergekühlt werden, erklärt Alfred Semrau von Lauda.
Wasserstoff für Autos: In Mainfranken eigentlich nichts Neues
Der 61-Jährige ist Geschäftsführer für Heiz- und Kühlsysteme und weiß, dass Wasserstoff als Treibstoff für Autos nichts Neues ist. Schon in den 1990er Jahren wurde in Fachkreisen laut darüber nachgedacht.
Bad Brückenau in der Rhön wollte damals in Bayern sogar Modellstadt für Wasserstoff und Brennstoffzellentechnik werden. Doch wenige Jahre später wurde es still, Wasserstoff verschwand aus dem allgemeinen Bewusstsein.
Jetzt stehe ein Millionengeschäft an, ist Michele Maggio überzeugt. Den Westfalen mit italienischen Wurzeln hat Lauda-Chef Gunther Wobser erst vor wenigen Monaten in sein Unternehmen an die Tauber geholt. Der 52-jährige Maggio soll alle Wasserstoff-Aktivitäten von Lauda in einer neuen Geschäftseinheit bündeln. Das soll verdeutlichen, was Firmenchef Wobser mit den Worten sagen will: "Ich glaube, dass Wasserstoff ein Riesenthema wird."
Davon geht man an der Hochschule für angewandte Wissenschaften (FHWS) in Schweinfurt ebenfalls aus. Dort wird seit geraumer Zeit daran geforscht, wie Wasserstoff für Unternehmen effektiv nutzbar gemacht werden kann. Seit Oktober gibt es dort zudem einen Bachelor-Studiengang für Wasserstofftechnik.
Lauda sieht sich mit seinen 520 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von zuletzt 92 Millionen Euro als Weltmarktführer bei Temperiergeräten. Die Tauberfranken sind in der Region nicht die Einzigen, die sich mit dem Potenzial von Wasserstoff auseinandersetzt. So arbeiten zum Beispiel der Automobilzulieferer ZF in Schweinfurt, die Fränkischen Rohrwerke in Königsberg (Lkr. Haßberge) und der Industriezulieferer Schaeffler (Herzogenaurach/Schweinfurt) mit den Wasserstoffexperten der FHWS zusammen. Stefan Spindler, Chef der Schaeffler-Sparte Industrie, sitzt zudem im Nationalen Wasserstoffrat der Bundesregierung.
Schon wegen all dieser Verflechtungen pflegt Lauda-Chef Wobser nach eigenen Worten einen intensiven Draht zur FHWS. Denn Wissen und Fachkräfte aus der Region seien für das Unternehmen hochinteressant, ergänzt Wasserstoff-Experte Maggio.
In den Fabrikhallen in Lauda-Königshofen wird es bereits eng, was die Herstellung der Prozesskühler angeht. Das sind jene Geräte, die an Tankstellen den Wasserstoff auf minus 40 Grad herunterkühlen.
Wasserstoff-Kühlung: Lauda auch auf internationalen Messen
Die mit Strom betriebenen Geräte sind etwa 2,5 Meter lang und hoch sowie einen Meter breit. Einem Schaltschrank gleich, werden sie im Außenbereich von Tankstellen installiert. Die Nachfrage nach diesen Kühlern werde steigen, ist sich Maggio sicher. Deshalb werde Lauda seine Produktion in absehbarer Zeit wohl erweitern.
Rund 60 dieser Lauda-Kühlgeräte seien derzeit an Wasserstofftankstellen im Einsatz, so Spartenleiter Semrau. Was überschaubar klingt, geht nach Ansicht von Semraus Kollege Maggio "jetzt erst so richtig los": Lauda werde in diesem Jahr mit seinen Wasserstoff-Geräten und -Projekten auf fünf Messen vertreten sein, darunter in Houston/USA und Paris.
Wasserstoff-Strategie der Bundesregierung
Dieser Schwung wird begleitet von der im Juni 2020 ausgerufenen Kampagne "Nationale Wasserstoffstrategie" der Bundesregierung. Berlin sieht das Gas gerade für Lastwagen, Züge, Schiffe und Flugzeuge als Treibstoff von morgen an. Lauda wolle mit dann größeren Kühlgeräten auch in diesen Bereich einsteigen, kündigt Maggio an.
Für ihn wie für seinen Kollegen Semrau geht es bis dahin auch darum, die Vorurteile von Laien abzubauen, wonach Wasserstoff explosiv und deshalb gefährlich sei: Ja, so etwas sei noch immer zu hören, sagt Maggio. Aber was das Tanken angehe, sei der ungiftige und sehr flüchtige Wasserstoff sicherer als Benzin oder Diesel.
Und günstiger ist er offenbar auch: Eine Tankfüllung für eine Reichweite von 800 Kilometern kostet nach Lauda-Angaben 50 Euro. Beim herkömmlichen Sprit müssen Autofahrerinnen und Autofahrer zurzeit mindestens das Doppelte hinblättern.