Dass Franken Guss heuer sein 100-jähriges Bestehen feiern kann, ist nicht selbstverständlich. Die Kitzinger Gießerei hatte mehrere Eigentümer und Namen, war während der Finanzkrise in die Insolvenz abgerutscht und hat "tief in den Abgrund geblickt", wie es der Geschäftsführende Gesellschafter Josef Ramthun (60) ausdrückt. Doch ihm gelang der Wandel von der abhängigen Konzerntochter zum erfolgreichen Familienunternehmen.
Die 1922 gegründete Gießerei hing schon immer am Tropf der Schweinfurter Automobilindustrie. Als verlängerte Werkbank des Industriestandorts fertigte das Unternehmen die Gussteile für die Automobilzulieferer.
Nach der Firmengründung verleibten sich die Kunden in abwechselnder Folge den Kitzinger Betrieb ein: Erst kaufte Fichtel & Sachs, dann Mannesmann, dann ZF und schließlich ein Amerikaner. Die Zeiträume von einem Verkauf zum nächsten wurden immer kürzer; am Ende rutschte das Tochterunternehmen im Sog der Finanzkrise in die Insolvenz.
Franken Guss: Manager kauft sich sein eigenes Unternehmen
Doch Ramthun glaubte 2009, damals selbst erst 18 Monate im Unternehmen, an die Zukunft der Kitzinger Gießerei. Warum? "Ich kenne die Belegschaft. Alles Menschen, die ihr Handwerk verstehen und viel Know-how haben", sagt der Chef rückblickend und betont: "Ohne die Menschen geht nichts." Dazu kam die Lebenseinstellung Ramthuns, der daran glaubt, durch Leistung etwas erreichen und andere überzeugen zu können.
So gelang ihm damals eine spektakuläre Rettungsaktion: Ramthun ergriff 2009 als Vorsitzender Geschäftsführer die Initiative und kaufte das Unternehmen mitten in der Insolvenz. Es gelang ihm, die regionalen Banken von seinen Rettungs- und Wirtschaftsplänen zu überzeugen.
Die Zusammenarbeit mit Sparkasse und Volksbank lobt er noch heute. Er konnte Lieferanten und Kundschaft bei der Stange halten. In den 13 Jahren seither hat er nicht nur Franken Guss auf die Erfolgsspur zurückgeführt, sondern eine ebenso große Gießerei in Chemnitz zugekauft und ebenfalls auf den Wachstumspfad gelenkt.
Für die Automobilindustrie arbeitet Franken Guss noch immer, für die Autohersteller selbst und für deren Zulieferer. Sie machen mehr als 90 Prozent des Umsatzes aus. Den Rest wickelt der Betrieb mit Sortimenten wie Küchengeräten oder Flugzeugsitz-Füßen ab.
Hauptabnehmer ist nach wie vor das Automobil-Schwergewicht ZF. Die Kitzinger Gießerei liefert Gussteile aus Eisen und Aluminium. Ihr Schwesterunternehmen Sachsen Guss in Chemnitz stellt nur Eisenguss her, dafür aber eine breite Palette: für Land- und Baumaschinen, Windkraftanlagen und andere Sparten aus dem Maschinenbau.
Gussteile, sagt Ramthun, werden letztlich über den Preis verkauft: Der billigste Anbieter gewinnt. Seine Gießereien stehen also nicht nur mit anderen in Deutschland im Wettbewerb, sondern weltweit.
Daher ruht sich das Kitzinger Unternehmen auch nicht auf der Herstellung traditioneller Gussteile aus, sondern versucht, stärker zu diversifizieren. Neue Produkte, wie sie in der E-Mobilität Verwendung finden, gehören inzwischen zum Repertoire der Gießerei. So ist man stolz darauf, auch Fahrwerksteile für den vollelektrischen Porsche Taycan oder den Audi E-Tron zu produzieren.
Gießerei erschließt neue Märkte durch 3D-Druck und Digitalisierung
Dennoch ist sich Ramthun bewusst, dass die Nachfrage nach Gussteilen für die Autoindustrie nachlassen wird. Für ein E-Mobil braucht man weniger solcher Produkte als für für einen Verbrenner, der noch Getriebe und Motorgehäuse aus Guss besitzt. Franken Guss setzt daher neben dem Pkw-Bereich verstärkt auf den Nutzfahrzeuge-Markt. Um sich aber von der Automobilindustrie insgesamt zu emanzipieren, erschließt man sich weitere Sparten.
Ein relativ neues Segment ist der 3D-Druck: Franken Guss verwendet die sogenannte additive Fertigung, bei der Metallpulver durch Laser geschmolzen und in Form gebracht wird, derzeit für den Prototypen-Bau. So wird aus Computerzeichnungen schneller als bisher ein echtes Bauteil, das auf Funktion und Belastung getestet werden kann.
Danach entsteht eine Gussform, die die Serienteile auf herkömmlichem Wege produziert. Denn noch ist der 3D-Druck zu langsam und zu teuer im Vergleich mit der jahrhundertealten Technik.
Auch in die Zukunft hat Ramthun mit einem anderen Produkt gedacht: Der 60-jährige Unternehmer hat eine eigene Tochterfirma für Digitalisierung namens Innolution gegründet. Sie hat eine cloudbasierte Plattform entwickelt, die es nicht nur erlaubt, innerhalb der Firma an Projekten zu arbeiten, sondern auch Lieferanten und Kunden in den Entwicklungs- und Herstellungsprozess einzubeziehen.
So haben alle am Produkt Beteiligten Zugriff und können sich austauschen. Diese Plattform will Ramthun auch anderen Firmen auf Messen vorstellen. Ein weiterer Schritt zur Industrie 4.0 und für Franken Guss ins nächste Jahrhundert Firmengeschichte.