An Unterricht ist an diesem Tag der Trauer nicht zu denken. Schüler, Eltern und Lehrer des Joseph-König-Gymnasiums in Haltern beklagen ihre 18 Toten. Auf den Stufen vor der Schule flackern schon seit gestern dutzende Kerzen, es werden mehr und mehr. Die Schüler sind nicht zum Lernen gekommen, sondern um Blumen niederzulegen, das Unfassbare irgendwie zu verarbeiten.
Die beschauliche Stadt am Übergang von Ruhrgebiet zu Münsterland ist zu einem Ort geworden, bei dem der Flugzeugabsturz über den französischen Alpen besonders tiefe Wunden in die Gemeinde gerissen hat. 16 Schüler und zwei Lehrerinnen kehrten von einer achttägigen Austauschreise nach Spanien nicht mehr zurück.
Eine Stadt unter Schock
Haltern stehe unter Schock, schildert Polizeisprecherin Ramona Hörst. „Es ist eine große Traurigkeit in der Stadt, die Schüler sind sehr betroffen und schweigsam“, sagt sie. Am Dienstagnachmittag – unmittelbar nach der Katastrophe – war der Unterricht abgebrochen worden. Am Morgen danach ist die Schule der Ort, an dem Schüler und Lehrer zusammenkommen. Mit bleichen Gesichtern betreten sie das Schulgelände.
Schon kurz nach Bekanntwerden des schrecklichen Unglücks hatte sich die Nachricht wie eine lähmende Decke über das Städtchen gelegt. An der Kirche in der Innenstadt lagen sich Trauernde in den Armen, nur das Schluchzen eines Mädchens durchbrach die Stille.
Für den Schulleiter Ulrich Wessel war es wohl der schwerste Tag seines Lebens. Er musste öffentlich zum Tod seiner Kollegen und Schüler Stellung nehmen. „An unserer Schule wird nichts mehr so sein, wie es vorher war“, sagt er.
Besonders dramatisch ist es, dass die bei dem Flugzeugabsturz ums Leben gekommenen Schüler für die Spanien-Reise ausgelost worden waren. Weil es für den achttägigen Trip zu viele Bewerber gegeben habe und die Plätze nicht ausreichten, sei das Los auf die nun ums Leben gekommenen Mädchen und Jungen gefallen, sagte eine Sprecherin der Bezirksregierung am Mittwoch.
Eine Schülerin hätte nach Informationen der spanischen Zeitung „El País“ die Unglücksmaschine beinahe verpasst. Das Mädchen hatte seinen Ausweis bei der Familie vergessen, bei der es während des Austausches zu Gast gewesen war. Die spanische Familie sei daraufhin mit dem Auto losgefahren und hätte das Dokument noch gerade rechtzeitig zum Flughafen gebracht.
Wenn die Schülerin den Ausweis nicht bekommen hätte, hätte möglicherweise die ganze Gruppe ein anderes Flugzeug genommen, spekulierte die Zeitung. Aber so waren 16 Schüler und zwei Lehrerinnen an Bord der Unglücksmaschine. Die Fassungslosigkeit in Haltern weicht auch am Morgen nach dem Unglück nicht. „Jeder zweite, an dem man vorbeikommt, weint. Die Stadt ist klein, alle wissen Bescheid und können es nicht begreifen“, sagt Laura Jungblut. Die 22-Jährige arbeitet ganz in der Nähe der Schule, kommt jeden Morgen am betroffenen Gymnasium vorbei. Heute ist alles anders.
Auch für Karin Keysselitz: „Das ist ganz unfassbar. Von jetzt auf gleich sind die Kinder nicht mehr da. Und die Lehrerinnen auch nicht“, sagt sie. Die 45-Jährige ist selbst Mutter eines Schülers des Joseph-König-Gymnasiums, eine der verunglückten Lehrerinnen unterrichtete ihn. „Wenn man sonst von solchen Unglücken hört, ist das soweit weg. Jetzt ist es hier in unserem Haltern“.
Seelsorgeteams vor Ort
Wie vielen seiner Mitschüler sei es auch ihrem Sohn wichtig gewesen, an diesem Tag in der Schule zu sein. Reden, das sei jetzt wichtig. Sie selbst will mit einer Freundin weiße Tulpen niederlegen. Als die beiden Frauen vor dem Bahnhof zusammentreffen, gibt es nur Tränen. Arm in Arm gehen sie zur Schule. Die Schule soll an diesem Tag zu einem Ort des Gespräches werden.
Seelsorgerteams sind in Haltern vor Ort und suchen das Gespräch. Am Vormittag treten immer wieder schweigend Schülergruppen vor die Schule, lassen das Lichtermeer für ihre Mitschüler und Lehrerinnen auf den Stufen wachsen, fassungslos über die Lücke in ihrer Mitte.
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