Wenn diese Wiese am Rand von Seyne-les-Alpes einen Auflauf von Menschen kannte, dann waren es bis jetzt die Fans von Flugseglern, die hier ihrem Hobby nachgegangen waren. Doch seit Dienstag ist der 1200-Einwohner-Ort in den französischen Alpen nicht mehr wiederzuerkennen. Von dem unzugänglichen Gebiet am Bergmassiv Les-Trois-Evequés, auf dem am Dienstag eine Germanwings-Maschine vom Typ Airbus A320 auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf mit 150 Menschen an Bord abstürzte, befindet sich die Gemeinde etwa acht Kilometer entfernt und liegt ihm damit noch am Nächsten.
So entwickelt sich das Dorf, das sonst höchstens Skiurlauber und Wanderer anzieht, zu einer Art Zentrale für die Abwicklung der Bergungsarbeiten, deren Ausmaß alles übersteigt, was die Region je erlebt hat. 15 Helikopter starten und landen auf der Wiese vor Seyne-les-Alpes. Hunderte Gendarmen, Feuerwehrleute, Mediziner und andere Einsatzkräfte sind unterwegs. Journalisten aus der ganzen Welt recherchieren.
Weiterhin gestaltet sich die Suche nach den Opfern vor Ort mühsam. Ihre Lage wird mit einem Fähnchen markiert, dann werden GPS-Koordinaten aufgenommen und ein Foto gemacht. Die Einsatzkräfte gehen davon aus, dass es mindestens eine Woche dauert, bis sie die Absturzstelle auf 2000 Meter Höhe durchkämmt haben, die schwierig und bis jetzt nicht mit Fahrzeugen zugänglich ist.
Noch in der Nacht auf Mittwoch hat eine Gruppe von Gendarmen vergeblich versucht, einen Fußweg ausfindig zu machen, um die Stelle anders zu erreichen als nur aus der Luft. Doch weiterhin müssen die Bergungskräfte per Helikopter hingebracht werden, sich meist abseilen und auf bröckeligem Gestein weiter vorankämpfen. „Zunächst geht es darum, die Orte zu sichern, damit die Ermittler anschließend in geschützten Bedingungen arbeiten können“, erklärte der Sprecher des französischen Innenministeriums Pierre-Henry Brandet.
Die Herausforderung ist riesig: Auf zwei bis vier Hektar wird die Fläche in rund 2000 Metern Höhe geschätzt, über die sich die Trümmer der Maschine und die Leichenteile verteilen. „Das ist wahrlich kein schöner Anblick“, sagte einer der Gendarmen im französischen Fernsehen mit gesenktem Blick.
Es muss ein heftiger Aufprall gewesen sein – die Hoffnung, durch ein Wunder noch Überlebende zu finden, zerschlug sich schnell. Unzählige Maschinenteile habe er gesehen, berichtet der Feuerwehr-Arzt Frédéric Petitjean, der als einer der ersten Einsatzkräfte vor Ort war: „Das Flugzeugwrack ist völlig pulverisiert, in Tausende kleine Teile verstreut. Das größte, das ich gesehen habe, hat etwa die Breite von drei Autotüren.“
Die Menschen von Seynes-les-Alpes fühlen sich tief betroffen darüber, dass sich ausgerechnet bei ihnen eines der größten Flugzeugunglücke der vergangenen Jahrzehnte ereignet hat, sagt Gemeinderat Michel Janne. „Es herrscht unendliche Traurigkeit, jeder hier steht unter Schock.“ Das Rathaus habe seine Türen die ganze Nacht geöffnet. „Viele Einwohner sind spontan gekommen, um Zimmer zur Verfügung zu stellen.“ Ihnen sei diese Idee ganz spontan gekommen, sagt das Rentnerehepaar Jacqueline und Emile Laraire. „Schrecklich, dass diese paradiesische Ecke ein Ort von so viel Leid geworden ist.“
Rund 900 Unterkünfte in der ganzen Umgebung wurden für die Hinterbliebenen der Opfer, die nach und nach eintreffen, organisiert. In einem Jugend-Freizeitzentrum hat man eine kleine Trauerkapelle mit Blumen, Kerzen und Kondolenzbüchern eingerichtet. Hilfsvereinigungen leisten vor Ort Seelsorge und Unterstützung für die Familien der Opfer. In vier psychologisch-medizinischen Zentren – zwei französischen, einem spanischen und einem deutschen – arbeiten neben Psychologen und medizinischem Personal 40 Dolmetscher. Deutsch- und Spanisch-Lehrer aus der Umgebung meldeten sich zum Übersetzen.
Es heißt, für die Identifizierung der Toten seien wohl DNA-Analysen der Familienangehörigen nötig. Die Leichen oder das, was von ihnen übrig ist, werden in Kühlbehältern gelagert und zur Identifizierung nach Marseille und Paris gebracht. „Keiner der Körper wird heute in seine Heimat zurückgeführt werden können“, erklärte gestern der Rettungspilot Xavier Roy. „Für heute besteht die Priorität darin, die Körper zu lokalisieren und die zweite Blackbox zu finden.“ Vom Datenschreiber kam gestern nur die Hülle zum Vorschein, während der Stimmenrekorder bereits am Dienstag gefunden worden war und eine verwendbare Audio-Datei daraus gewonnen werden konnte, erklärte der Leiter der französischen Luftfahrtermittlungsbehörde BEA, Rémi Jouty. Nun stehe eine präzise Auswertung an.