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LESERANWALT
Redaktionelle Entscheidungen überprüfen
Knifflige Abwägung
Halt heißt es zuweilen vor redaktionellen Entscheidungen. Nicht alles was aus Pressemitteilungen der Polizei hervorgeht, muss auch zum Inhalt von Veröffentlichungen werden. Es handelt sich hier um ein Symbolfoto. 
Foto: Patrick Pleul, dpa | Halt heißt es zuweilen vor redaktionellen Entscheidungen. Nicht alles was aus Pressemitteilungen der Polizei hervorgeht, muss auch zum Inhalt von Veröffentlichungen werden. Es handelt sich hier um ein Symbolfoto. 
Anton Sahlender
Anton Sahlender
 |  aktualisiert: 27.04.2023 09:03 Uhr

Redakteure - wem sage ich es - haben nicht immer recht. Nach schwierigen Entscheidungen sind sie sich ihrer Sache auch mal nicht so sicher. Ist doch Journalismus kein Ding, über das man eine Schablone legen kann, um zu erkennen, ob richtig oder falsch, gut oder schlecht.

Knifflige Abwägungen können anstehen, wenn es um die Frage geht, ob Nationalität oder ethnische Zugehörigkeit einer Person genannt werden soll, die einer Straftat verdächtigt wird. Klar ist nur: Diskriminiert werden darf dadurch keine Minderheit.

Dafür steht die Richtlinie 12.1 im Kodex des Deutschen Presserates. Ausführliche Praxis-Leitsätze sollen Journalisten helfen, zu bewerten: Wann ist das öffentliche Interesse höher einzuschätzen, als der Schutz einer Minderheit, der eine verdächtige oder auch überführte Person angehört. Trotz aller Hilfestellungen kommt man gelegentlich zu unterschiedlichen Bewertungen. Auch grundsätzliche redaktionelle Erklärungen helfen im Einzelfall zuweilen nicht weiter. Meist sind andere Umstände zu beachten.

Leser fragt nach Bedeutung

Jüngst ist das so gewesen. Da war zu lesen, dass es ein Deutscher aus Schweinfurt in psychischer Ausnahmesituation war, als er mehrere Personen tätlich angegriffen haben soll. Zwei davon verletzte er mit einer Gasflasche. Der festgenommene Verdächtige wurde ob vermuteter Gefährlichkeit in ein Bezirkskrankenhaus eingeliefert. Siehe "Psychisch belasteter Mann greift in Schweinfurt Passanten an".

Da kommentiert ein Leser unter dem digitalen Text: „<…> in wie fern ist es hier von Bedeutung, dass es sich um einen Deutschen handelt? Ist schon auffällig wie Sie sich Ihre selbstauferlegten Regeln zusammen basteln.“ Ein anderer Leser legt nach: „Ein Nicht-Deutscher wäre hier sicherlich nicht erwähnt worden. Ist wirklich auffällig, aber Gang und Gebe.“

Deutsche sind keine Minderheit

Gegen die Vorwürfe dieser Kritiker, denen ich keine diskriminierenden Absichten unterstellen möchte, blieb der redaktionelle Verweis auf den Pressekodex und auf ihre feste Absicht, niemanden zu diskriminieren, wirkungslos. Letzteres war im vorliegenden Fall ohnehin nicht möglich. Deutsche sind hierzulande keine Minderheit, die Diskriminierung zu befürchten hätte.

Die Nationalität des psychisch belasteten Verdächtigen war aber für die ihm vorgeworfenen Taten ohne Bedeutung, andernfalls hätte das berichtet werden müssen. Ihre Nennung war inkonsequent. Sie hat Argumente in Frage gestellt, die dafür gestanden hätten, wäre die Herkunft bei einem Asyl suchenden Menschen weggelassen worden. Tat und Umstände reichen nicht aus, um daraus Interesse der Öffentlichkeit an der Herkunft eines Verdächtigen abzuleiten. Nicht alles was in den Pressemitteilung der Polizei steht, muss deshalb zum Inhalt von Veröffentlichungen der Medien werden. Deren ethische Verantwortung reicht weiter.

Eigene Entscheidungen überprüfen

Nun geht es mir weniger darum, einen Fehler zu kennzeichnen. Vielmehr möchte ich Redakteure ermuntern, in Diskussionen mit Lesern deren Bewertungen zu verstehen und dabei eigene Entscheidungen zu überprüfen. Hier werde es angebracht gewesen.

Siehe auch frühere Leseranwalt-Kolumnen:

Redaktionen müssen auch Grenzen des öffentlichen Interesses achten (2019)

Vorsicht bei Meldungen aus fremden Quellen (2019)

Anton Sahlender, Leseranwalt. Siehe auch www.vdmo.de

 
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Kommentare
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  • antonsah
    @Helmut_Faul_HF2017 ... ich habe in meinem Beitrag zu einem konkreten Vorfall Stellung genommen. Es wird immer eine Einzelfallentscheidung sein, ob und wie eine Ethnie genannt werden kann, ohne dabei zu diskriminieren. Es gibt - wie bereits geschrieben - keine Schablone die sich einfach auflegen lässt. Sicher ist, dass Deutsche in Deutschland keine Minderheit sind, die durch Diskriminierung gefährdet ist. Anton Sahlender, Leseranwalt
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  • Helmut_Faul_HF2017
    Sehr geehrter Herr Sahlender,

    Sie schreiben...
    "Deutsche sind hierzulande keine Minderheit, die Diskriminierung zu befürchten hätte."

    Und wie sieht es dann in Frankfurt aus, wo mittlerweile die Deutschen schon in der Minderheit sind ? (Und zwar in gesamt Frankfurt, nicht nur in bestimmten Stadtteilen)

    Oder in vielen Stadtteilen deutscher Großstädte, wie z.B. Berlin-Neukölln oder Duisburg-Mahrzahn, wo Deutsche nur noch eine kleine Minderheit darstellen ?

    Meinen Sie nicht, dass dort Deutsche für ihr Deutsch-Sein diskriminiert werden könnten ?
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  • lukaswill
    Sehr geehrter Helmut_Faul_HF2017,

    eine Korrektur der von Ihnen aufgeworfenen Zahlen sei hier erlaubt: Der Ausländeranteil in Frankfurt liegt nach Angaben der Stadt bei knapp 30 Prozent. Der Ausländeranteil in Berlin-Neukölln liegt bei knapp 25 Prozent. In Duisburg gibt es keinen Stadtteil, der Mahrzahn heißt.

    Freundliche Grüße
    Lukas Will
    Digitales Management
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  • Helmut_Faul_HF2017
    Hiermit korrigiere ich Sie:

    Ihre Zahlen stimmen nur, wenn Sie danach gehen, wer einen deutschen Pass hat.

    https://m.faz.net/aktuell/rhein-main/warum-der-auslaenderanteil-in-frankfurt-am-main-so-hoch-ist-15078140.html
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  • Helmut_Faul_HF2017
    Ich meinte natürlich Duisburg-Marxloh. Sorry.
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