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LESERANWALT
Leseranwalt: Warum und wie die Presse nach einem Polizeieinsatz Anspruch auf Auskunft hat
Ein Leser fragt nach einem Einsatz der Bremer Polizei in Main-Spessart: Warum müssen Redaktion und manche Bürger unbedingt alles wissen? Der Leseranwalt antwortet.
Es gibt einen Anspruch von Presse und Öffentlichkeit, den Grund für Polizeieinsätze zu erfahren. Das Foto entstand bei einem Einsatz in Würzburg-Heidingsfeld im Oktober 2022 nach einer Bombendrohung in der Sparkasse. 
Foto: Thomas Obermeier | Es gibt einen Anspruch von Presse und Öffentlichkeit, den Grund für Polizeieinsätze zu erfahren. Das Foto entstand bei einem Einsatz in Würzburg-Heidingsfeld im Oktober 2022 nach einer Bombendrohung in der ...
Anton Sahlender
Anton Sahlender
 |  aktualisiert: 09.02.2024 12:58 Uhr

Er verstehe nicht, woher das Anspruchsdenken dieser Redaktion (und mancher Bürger) komme, unbedingt immer alles wissen zu müssen, fragt Online-Leser "capricorn22" unter dem Beitrag "Bremer Polizisten in Main-Spessart im Einsatz - Hintergründe rätselhaft".

Keine Auskunft aus ermittlungstaktischen Gründen

Diese Überschrift sagt fast schon alles über den Artikel. Konkretes war bei der hiesigen Polizei über den Einsatz mit Hunden in zwei Gemeinden nicht zu erfahren. Angemeldet war der Einsatz wohl nur in Südosthessen. Und die Bremer Polizei, die ihren Einsatz auf Anfrage zumindest bestätigte, gab der Redaktion aus ermittlungstaktischen Gründen keine Auskünfte zu Umfang und Anlass ihrer Aktion. Alle Nachfragen der Redaktion ergaben nicht mehr. 

Sachstände für die Leser eruieren

"Es wird schon kein Betriebsausflug gewesen sein", fügt Nutzer "capricorn22" seiner Frage ironisch an. Eine anderer Kommentar im Online-Forum kommt da der Sache näher: Leser "berndeuerdorf" findet es gut, dass die Redaktion bemüht sei, Sachstände zu eruieren, um damit ihrer Informationspflicht nachzukommen. Wörtlich: "Natürlich ist das nicht immer von Erfolg gekrönt – täten sie es nicht, gäbe es andere 'Meckerer‘."

Legitimes Sicherheitsbedürfnis der Menschen

Das führt zum Informationsanspruch der Presse, den sie für die Öffentlichkeit wahrnimmt. Es gilt, wesentliche Vorgänge der Gegenwart aufzuzeigen. Dass Menschen aus eigenem Sicherheitsbedürfnis heraus ein legitimes Interesse daran haben, durch die Presse über Art und Umfang polizeilicher Ermittlungen informiert zu werden, ist dabei einzuräumen. Pressefreiheit ist schließlich auch Abwehrrecht gegen den Träger hoheitlicher Gewalt, den Staat. Für Journalisten kommt das einem Aufruf gleich, über hoheitliche Gewalt zu informieren und sie zu kontrollieren.

Der gesetzliche Auskunftsanspruch

Ein gesetzlicher Auskunftsanspruch hilft Journalisten auch gegenüber Polizei und Staatsanwaltschaft. Die haben jedoch ihrerseits Möglichkeiten der Auskunftsverweigerung bei gerade laufenden strafrechtlichen Verfahren, beispielsweise wegen Erhöhung der Fluchtgefahr Tatverdächtiger.

Nach den Landespressegesetzen – abgesehen vom bayerischen – besteht keine Auskunftspflicht, wenn durch die Informationen "die sachgemäße Durchführung eines schwebenden Verfahrens vereitelt, erschwert, verzögert oder gefährdet werden könnte". Das heißt auch, das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen - das gilt auch für den aktuellen Fall der Bremer Polizei. Dieser Grund könnte also beim Bremer Einsatz zur Geltung gekommen sein.

Rechtspflege soll nicht behindert werden

Das ist auch dem Redakteur klar gewesen. Die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege will ohnehin kein Journalist durch Veröffentlichungen behindern. In vielen anderen Fällen freilich ist es bei der Erteilung von Auskünften allein die journalistische Entscheidung, ob das Veröffentlichungsinteresse schutzwürdige private oder öffentliche Anliegen überwiegt. Keine Behörde darf das vorwegnehmen. Es bleibt wichtig an dem Bremer Einsatz im Landkreis Main-Spessart, journalistisch "dran zu bleiben". Wenn die Verweigerungsgründe entfallen, müssen dazu die Fragen des Journalisten beantwortet werden. 

Die Sicherung des Gleichgewichts

So lässt sich das Anspruchsdenken von Presse und Öffentlichkeit begründen: Es trägt auch in jedem Einzelfall zur Sicherung des Gleichgewichts in einem freiheitlich-demokratischen Staatswesen bei. Und ich ergänze, dass die Organisation der "Reporter ohne Grenzen" das Presserecht auch als ein Menschenrecht bezeichnet, das Journalisten stellvertretend wahrnehmen.

Dieser Beitrag stützt sich auch auf das "Handbuch für Presserecht" (Ricker/Weberling, 7. Auflage). 

Anton Sahlender, Leseranwalt

Siehe auch Vereinigung der Medien-Ombudsleute e.V.

Ergänzend dazu frühere Leseranwalt-Kolumnen:

2010: "Wenn Behörden die Pflicht zur Auskunft an Medien als störend empfinden"

2015: "Beantwortet die Polizei der Fragen eines Journalisten nicht, muss sie einen rechtlich haltbaren Grund dafür nennen"

2018: "Mehr als ein nach Dresden modern gewordenes Verständnis"

2020: "Über einen Anspruch der Presse an die Polizei"

 
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  • M. D.
    @Anton Sahlender

    Als „Leseranwalt“ sollten Sie sich einmal ernsthaft mit der Berichterstattung des Journalisten Hans Holzhaider befassen. Dessen Berichterstattung für die SZ in Sachen Manfred Genditzki, der 13 Jahre unschuldig wegen „Mordes“ in bayerischen Haft einsaß ist ein leuchtendes Beispiel für mutigen und redlichen Journalismus und auch Zivilcourage!

    Man muss leider demgegenüber sagen: Gustl Mollath säße vermutlich immer noch in der bayerischen Forensik, wenn alle ihre „Kontrollfunktion“ so auffassen würden wie die Mainpost.

    „Kritisch mit Entscheidungen von Gerichten“ auseinandersetzen - wo kämen wir da hin! Das erklärt auch, was in Würzburgs Justiz alles möglich ist.

    Martin Deeg
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  • M. D.
    ...."Pressefreiheit ist schließlich auch Abwehrrecht gegen den Träger hoheitlicher Gewalt, den Staat. Für Journalisten kommt das einem Aufruf gleich, über hoheitliche Gewalt zu informieren und sie zu kontrollieren."....

    Diese "Kontrolle" findet allerdings dort nicht statt, wo Verflechtungen und persönliche Nähe zwischen Regional-Berichterstattern und Behörden, bspw. Pressesprecher der Staatsanwaltschaft etc. diese bereits im Ansatz konterkarieren. "Informationen" sind in der Regel bereits durch die einseitige Informationsquelle gefiltert.

    Betroffene von hoheitlichen Maßnahmen werden von den Medien regelhaft überhaupt nicht gehört, deren Sichtweisen sind eher lästig.....
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  • R. B.
    "Betroffene von hoheitlichen Maßnahmen werden von den Medien regelhaft überhaupt nicht gehört, deren Sichtweisen sind eher lästig.....", was daran liegt, dass diese für die Medien in aller Regel nicht "gewinnbringend" sind. Dazu kommt, dass Medien in aller Regel sehr politisch orientiert berichten und wissenentlich manipulieren.
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  • A. S.
    @mdeeg und @Albatros... Ich bin ja bereit, Fehler oder Schwächen einzuräumen, wenn sie tatsächlich vorliegen sollten und mir mit Nachweis konkret benannt werden. Aber mit ihren Allgemeinplätzen kann niemand etwas anfangen. Ich versichere Ihnen jedenfalls, die Kontrolle findet nach bestem Wissen und Gewissen statt. Und zu Unrecht von hoheitlichen Maßnahmen Betroffene werden allemal gehört. Und alle anderen spätestens vor Gericht.
    Anton Sahlender, Leseranwalt
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  • M. D.
    ...."mit ihren Allgemeinplätzen kann niemand etwas anfangen. "

    Ach so.

    ...."Und zu Unrecht von hoheitlichen Maßnahmen Betroffene werden allemal gehört. Und alle anderen spätestens vor Gericht."

    Was soll der Hohn und der billige Spott? Genau darum geht es, generell - und konkret !

    Ich selbst war z.B. in den vergangenen 20 Jahren wiederholt "zu Unrecht" Opfer von sog. hoheitlichen Maßnahmen - erzwungen von der Staatsanwaltschaft und diversen CSU-Juristen und z.T. unter Protest der Polizei, die Unrecht erkannte!

    Ich als "Betroffener" wurde noch nie von ihrer Zeitung, die umfassend über diese Vorgänge "berichtete" - u.a. zehnmonatige "U-Haft", Freispruch, ohne Vorliegen von Straftat und Haftgrund und ein Versuch der Anwendung § 63 StGB ohne medizinische Voraussetzungen hierfür - "gehört".

    Der Bayerische Landtag hat nun die Akten angefordert, es geht um Vertuschung und Freiheitsberaubung im Amt gegen einen Unschuldigen. Und die rechtswidrige Verweigerung der Haftentschädigung.
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  • M. D.
    Nun ja, wenn sich das was Betroffene und Anwälte berichten können, fundamental von den Darstellungen der Behörden unterscheiden, dann wäre es die Pflicht im Rahmen der genannten "Kontrollfunktion", zu hinterfragen. Das erfordert aber Objektivität und auch Neugier - die viele Journalisten nach meiner Einschätzung einfach nicht haben.

    Manipulation hat viele Gesichter und beginnt schon bei der Gewichtung und dem Weglassen von Information. Das muss nicht einmal der "politischen Orientierung" geschuldet sein, es genügt ein gewisses Maß buckelnde Obrigkeitshörigkeit und Distanzlosigkeit in die eine Richtung und machtbewusste Hybris und Hochmut in die andere Richtung.
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  • A. S.
    @mdeeg .... eine Tageszeitung kann berichten und kommentieren, kann aber nicht der Rechtsprechung die Arbeit aus der Hand nehmen. Und dass sich Angeklagte oder auch Verurteilte selbst als unschuldig bezeichnen, das ist zu wenig, um kritisch mit Entscheidungen von Gerichten umzugehen. Oft erschließt sich nach Betrachtung eines solchen Falles, dass es keinen Grund gibt, ihn journalistisch neuerlich aufzurollen. Mit Unterstellungen, wie hier von Ihnen vorgebracht, ist keiner Sache gedient.
    Anton Sahlender, Leseranwalt.
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  • R. B.
    Sehr geehrter Herr Sahlender, die regionalen und überregionalen Zeitungen sind in aller Regel in das politische Spektrum Deutschlands eingeordnet: So gilt die Süddeutsche Zeitung als linksliberal, die FAZ als konservativ-liberal, die Welt als konservativ und die taz als links-alternativ. Und genau nach dieser politischen Ausrichtung werden die Mitarbeiter rekrutiert. Die politische Berichterstattung ist somit vorgegeben und manipuliert entsprechend. Nun, das ist natürlich nicht verboten, denn über ein Thema aus der eigenen Sichtweise zu berichten, solange keine Unwahrheiten verbreitet werden, ist legitim. Aber von Neutralität und "bestem Wissen und Gewissen" keine Spur.
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  • M. D.
    Herr Sahlender,

    ernsthaft? Das ist peinlich!

    ….“dass es keinen Grund gibt, ihn journalistisch neuerlich aufzurollen.“

    Erst wohlgefällig von „Kontrollfunktion“ paraphrasieren - sobald es konkret wird, kneifen und selbstreferentiell die eigene Hofberichterstattung verteidigen.

    …“Mit Unterstellungen, wie hier von Ihnen vorgebracht, ist keiner Sache gedient.“

    Von Ihnen lasse ich mir keine „Unterstellungen“ andichten!

    Ich wurde nach massiven „hoheitlichen Maßnahmen“ von der 1. Strafkammer des LG freigesprochen, das feststellte, dass von Anfang an keine Straftat zugrundelag (Az. 814 Js 10465/09). Parallel dazu entlarvte Prof. Norbert Nedopil das Fehlgutachten des Würzburger Hausgutachters Dr. Groß - Verletzung der Mindeststandards u.a..

    Die vom Gericht zugesprochene Entschädigung für zehn Monate „U-Haft“ werden bis heute rechtswidrig verweigert!

    Der Fall wird mit hohem Eifer vertuscht - der Skandal dahinter ist vielen bewusst, auch der Justiz in Würzburg!
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