
Er verstehe nicht, woher das Anspruchsdenken dieser Redaktion (und mancher Bürger) komme, unbedingt immer alles wissen zu müssen, fragt Online-Leser "capricorn22" unter dem Beitrag "Bremer Polizisten in Main-Spessart im Einsatz - Hintergründe rätselhaft".
Keine Auskunft aus ermittlungstaktischen Gründen
Diese Überschrift sagt fast schon alles über den Artikel. Konkretes war bei der hiesigen Polizei über den Einsatz mit Hunden in zwei Gemeinden nicht zu erfahren. Angemeldet war der Einsatz wohl nur in Südosthessen. Und die Bremer Polizei, die ihren Einsatz auf Anfrage zumindest bestätigte, gab der Redaktion aus ermittlungstaktischen Gründen keine Auskünfte zu Umfang und Anlass ihrer Aktion. Alle Nachfragen der Redaktion ergaben nicht mehr.
Sachstände für die Leser eruieren
"Es wird schon kein Betriebsausflug gewesen sein", fügt Nutzer "capricorn22" seiner Frage ironisch an. Eine anderer Kommentar im Online-Forum kommt da der Sache näher: Leser "berndeuerdorf" findet es gut, dass die Redaktion bemüht sei, Sachstände zu eruieren, um damit ihrer Informationspflicht nachzukommen. Wörtlich: "Natürlich ist das nicht immer von Erfolg gekrönt – täten sie es nicht, gäbe es andere 'Meckerer‘."
Legitimes Sicherheitsbedürfnis der Menschen
Das führt zum Informationsanspruch der Presse, den sie für die Öffentlichkeit wahrnimmt. Es gilt, wesentliche Vorgänge der Gegenwart aufzuzeigen. Dass Menschen aus eigenem Sicherheitsbedürfnis heraus ein legitimes Interesse daran haben, durch die Presse über Art und Umfang polizeilicher Ermittlungen informiert zu werden, ist dabei einzuräumen. Pressefreiheit ist schließlich auch Abwehrrecht gegen den Träger hoheitlicher Gewalt, den Staat. Für Journalisten kommt das einem Aufruf gleich, über hoheitliche Gewalt zu informieren und sie zu kontrollieren.
Der gesetzliche Auskunftsanspruch
Ein gesetzlicher Auskunftsanspruch hilft Journalisten auch gegenüber Polizei und Staatsanwaltschaft. Die haben jedoch ihrerseits Möglichkeiten der Auskunftsverweigerung bei gerade laufenden strafrechtlichen Verfahren, beispielsweise wegen Erhöhung der Fluchtgefahr Tatverdächtiger.
Nach den Landespressegesetzen – abgesehen vom bayerischen – besteht keine Auskunftspflicht, wenn durch die Informationen "die sachgemäße Durchführung eines schwebenden Verfahrens vereitelt, erschwert, verzögert oder gefährdet werden könnte". Das heißt auch, das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen - das gilt auch für den aktuellen Fall der Bremer Polizei. Dieser Grund könnte also beim Bremer Einsatz zur Geltung gekommen sein.
Rechtspflege soll nicht behindert werden
Das ist auch dem Redakteur klar gewesen. Die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege will ohnehin kein Journalist durch Veröffentlichungen behindern. In vielen anderen Fällen freilich ist es bei der Erteilung von Auskünften allein die journalistische Entscheidung, ob das Veröffentlichungsinteresse schutzwürdige private oder öffentliche Anliegen überwiegt. Keine Behörde darf das vorwegnehmen. Es bleibt wichtig an dem Bremer Einsatz im Landkreis Main-Spessart, journalistisch "dran zu bleiben". Wenn die Verweigerungsgründe entfallen, müssen dazu die Fragen des Journalisten beantwortet werden.
Die Sicherung des Gleichgewichts
So lässt sich das Anspruchsdenken von Presse und Öffentlichkeit begründen: Es trägt auch in jedem Einzelfall zur Sicherung des Gleichgewichts in einem freiheitlich-demokratischen Staatswesen bei. Und ich ergänze, dass die Organisation der "Reporter ohne Grenzen" das Presserecht auch als ein Menschenrecht bezeichnet, das Journalisten stellvertretend wahrnehmen.
Dieser Beitrag stützt sich auch auf das "Handbuch für Presserecht" (Ricker/Weberling, 7. Auflage).
Anton Sahlender, Leseranwalt
Siehe auch Vereinigung der Medien-Ombudsleute e.V.
Ergänzend dazu frühere Leseranwalt-Kolumnen:
2010: "Wenn Behörden die Pflicht zur Auskunft an Medien als störend empfinden"
2018: "Mehr als ein nach Dresden modern gewordenes Verständnis"
2020: "Über einen Anspruch der Presse an die Polizei"
Als „Leseranwalt“ sollten Sie sich einmal ernsthaft mit der Berichterstattung des Journalisten Hans Holzhaider befassen. Dessen Berichterstattung für die SZ in Sachen Manfred Genditzki, der 13 Jahre unschuldig wegen „Mordes“ in bayerischen Haft einsaß ist ein leuchtendes Beispiel für mutigen und redlichen Journalismus und auch Zivilcourage!
Man muss leider demgegenüber sagen: Gustl Mollath säße vermutlich immer noch in der bayerischen Forensik, wenn alle ihre „Kontrollfunktion“ so auffassen würden wie die Mainpost.
„Kritisch mit Entscheidungen von Gerichten“ auseinandersetzen - wo kämen wir da hin! Das erklärt auch, was in Würzburgs Justiz alles möglich ist.
Martin Deeg
Diese "Kontrolle" findet allerdings dort nicht statt, wo Verflechtungen und persönliche Nähe zwischen Regional-Berichterstattern und Behörden, bspw. Pressesprecher der Staatsanwaltschaft etc. diese bereits im Ansatz konterkarieren. "Informationen" sind in der Regel bereits durch die einseitige Informationsquelle gefiltert.
Betroffene von hoheitlichen Maßnahmen werden von den Medien regelhaft überhaupt nicht gehört, deren Sichtweisen sind eher lästig.....
Anton Sahlender, Leseranwalt
Ach so.
...."Und zu Unrecht von hoheitlichen Maßnahmen Betroffene werden allemal gehört. Und alle anderen spätestens vor Gericht."
Was soll der Hohn und der billige Spott? Genau darum geht es, generell - und konkret !
Ich selbst war z.B. in den vergangenen 20 Jahren wiederholt "zu Unrecht" Opfer von sog. hoheitlichen Maßnahmen - erzwungen von der Staatsanwaltschaft und diversen CSU-Juristen und z.T. unter Protest der Polizei, die Unrecht erkannte!
Ich als "Betroffener" wurde noch nie von ihrer Zeitung, die umfassend über diese Vorgänge "berichtete" - u.a. zehnmonatige "U-Haft", Freispruch, ohne Vorliegen von Straftat und Haftgrund und ein Versuch der Anwendung § 63 StGB ohne medizinische Voraussetzungen hierfür - "gehört".
Der Bayerische Landtag hat nun die Akten angefordert, es geht um Vertuschung und Freiheitsberaubung im Amt gegen einen Unschuldigen. Und die rechtswidrige Verweigerung der Haftentschädigung.
Manipulation hat viele Gesichter und beginnt schon bei der Gewichtung und dem Weglassen von Information. Das muss nicht einmal der "politischen Orientierung" geschuldet sein, es genügt ein gewisses Maß buckelnde Obrigkeitshörigkeit und Distanzlosigkeit in die eine Richtung und machtbewusste Hybris und Hochmut in die andere Richtung.
Anton Sahlender, Leseranwalt.
ernsthaft? Das ist peinlich!
….“dass es keinen Grund gibt, ihn journalistisch neuerlich aufzurollen.“
Erst wohlgefällig von „Kontrollfunktion“ paraphrasieren - sobald es konkret wird, kneifen und selbstreferentiell die eigene Hofberichterstattung verteidigen.
…“Mit Unterstellungen, wie hier von Ihnen vorgebracht, ist keiner Sache gedient.“
Von Ihnen lasse ich mir keine „Unterstellungen“ andichten!
Ich wurde nach massiven „hoheitlichen Maßnahmen“ von der 1. Strafkammer des LG freigesprochen, das feststellte, dass von Anfang an keine Straftat zugrundelag (Az. 814 Js 10465/09). Parallel dazu entlarvte Prof. Norbert Nedopil das Fehlgutachten des Würzburger Hausgutachters Dr. Groß - Verletzung der Mindeststandards u.a..
Die vom Gericht zugesprochene Entschädigung für zehn Monate „U-Haft“ werden bis heute rechtswidrig verweigert!
Der Fall wird mit hohem Eifer vertuscht - der Skandal dahinter ist vielen bewusst, auch der Justiz in Würzburg!