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LESERANWALT
Leseranwalt: "Clickbaiting" verspielt Glaubwürdigkeit
Der Deutsche Presserat hat mitgeteilt, wie Leserinnen und Leser mit falschen Versprechungen in digitale Artikel gelockt wurden.
Beispiel für Überschrift und Teaser auf mainpost.de. Ein Artikel wird auch durch eine Frage spannend verkündet. Wer Antworten will, muss den Artikel durch Anklicken aufrufen. Und das kostet Geld. Das ist kein unseriöses 'Clickbaiting', sondern zulässiger Leseanreiz. 
Foto: Repro Sahlender | Beispiel für Überschrift und Teaser auf mainpost.de. Ein Artikel wird auch durch eine Frage spannend verkündet. Wer Antworten will, muss den Artikel durch Anklicken aufrufen. Und das kostet Geld.
Anton Sahlender
Anton Sahlender
 |  aktualisiert: 09.02.2024 18:23 Uhr

An eine unehrliche Spielart des Journalismus, die seit seiner Verbreitung im Internet digitalen Nutzern drohen kann, erinnert der Deutsche Presserat in jüngst ausgesprochenen Rügen. Es handelt sich um das sogenannte "Clickbaiting". Der Begriff ist negativ belegt. Er bedeutet, es wird in kurzer Form etwas verkündet, was den Nutzer erwartet, wenn er den zu dieser Ankündigung gehörenden Artikel anklickt. Man könnte auch sagen, Leser*innen werden mit einer möglichst interessanten oder Spannung versprechenden Ansage gelockt oder geködert, einen Beitrag aufzurufen.

Reichweite und Wirtschaftlichkeit

Journalisten kündigen digitale Inhalte aber auch fair an, etwa indem sie eine Frage von allgemeinen Interesse stellen, die sie zwar erst im Artikel, aber dann tatsächlich zufriedenstellend beantworten. Oder es wird die Form des "Cliffhanger" gewählt. Das heißt, eine Spannung versprechende Szene beginnt in einer Ankündigung (auch "Teaser" genannt), deren Fortsetzung oder Auflösung folgt aber ebenfalls erst im Artikel. Solche Anreize dienen der wirtschaftlichen Notwendigkeit, möglichst große Reichweite mit journalistischen Veröffentlichungen zu erzielen. Ein Beispiel ist mit dem Foto zu dieser Kolumne angezeigt.

Kontraproduktiv und unseriös ist es jedenfalls, wenn eine Überschrift lockt, die verspricht, was der Artikel nicht hält. Besonders ärgerlich für Nutzer ist "Clickbaiting" nämlich gerade dann, wenn sie dadurch auf einen Artikel hereingefallen sind, dessen digitaler Aufruf kostenpflichtig war.

Gerügtes Clickbaiting

Wie es nicht gehen darf, zeigen drei gerügte Beispiele aus "DerWesten.de" (Funke-Medien, zu denen auch einige Tageszeitungen gehören, u.a. Westdeutsche Allgemeine Ztg.). Der Presserat spricht dabei in einer Mitteilung von eklatantem "Clickbaiting". So habe die Redaktion in einer Überschrift Informationen über den Gesundheitszustand von Michael Schumacher versprochen, wovon im Artikel nicht mehr die Rede war. In einer weiteren Schlagzeile sei der falsche Eindruck erweckt worden, dass beim Sänger Michael Wendler eine Trennung von dessen Partnerin bevorstand. Im dritten Beitrag habe die Redaktion behauptet, dass die Bundesregierung "geheime Lager" zur Versorgung mit Lebensmitteln in der Corona-Krise angelegt habe. Das war ebenfalls nicht korrekt, da solche Lager bereits seit langem existieren (Mitteilung Presserat: "Massives Clickbaiting").

Die Sorgfaltspflicht

Der Presserat sieht mit diesen Überschriften journalistische Sorgfaltspflicht verletzt. Darin, dass solches "Clickbaiting" dem Ansehen der Presse schadet, können Journalisten ihm nur zustimmen. Es werde nämlich mit der Erwartungshaltung gespielt und Leser*innen werden bewusst in die Irre geführt. Das gilt im Klartext aber nicht nur für die digitale Verbreitung des Journalismus: Der Sinn von Nachrichten oder Informationen darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung niemals entstellt oder verfälscht werden. Glaubwürdigkeit, die auch daran geknüpft ist, sollte nicht verspielt werden.

Ähnliche Leseranwalt-Kolumnen:

2018: "Reichweite ist nicht alles"

2018: "Kampf um Aufmerksamkeit und Reichweite"

2016: "Trügerische Überschrift"

Ein weiteres Beispiel aus der Liste der Presserat-Rügen ist die erfundene Geschichte über Prinzessin Diana.

"Recherche ist unverzichtbares Instrument journalistischer Sorgfalt. Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht werden. Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen.
Symbolfotos müssen als solche kenntlich sein oder erkennbar gemacht werden." Pressekodex, Ziffer 2.

Anton Sahlender, Leseranwalt. Siehe Vereinigung der Medien-Ombudsleute.

 
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