"An der Information über Straftaten besteht ein berechtigtes öffentliches Interesse. Es ist Aufgabe der Presse, darüber zu recherchieren und vom Ort des Geschehens unabhängig zu berichten“, daran hat Volker Stennei, der Sprecher des Deutschen Presserats erinnert. Hinzugefügt hat er: "Journalisten müssen stets ihre Beobachterrolle einhalten. Sie dürfen nicht eigenmächtig in das Geschehen eingreifen.“
Die Zäsur
Diese Worte und alles was ich hier noch wiederhole, hat der Presserat im August an Zeitungsredaktionen verschickt. Anlass war der 30. Jahrestag der Geiselnahme von Gladbeck – bekanntlich kein Ruhmesblatt für Medien. Hatten sich doch 1988 Journalisten zum Instrument von Kriminellen machen lassen. Mit Liveberichten und –interviews boten sie den Tätern eine bis dahin beispiellose öffentliche Bühne. Daraus wurde nach intensiven kritischen Debatten eine Zäsur für das Verhalten von Journalisten.
Hier die ganze Mitteilung des Presserates lesen
Die Lehren
Lehren aus Gladbeck sind bedeutender denn je: Kann doch mittlerweile jeder mit seinem Smartphone alles filmen und ins Netz stellen. Umso wichtiger ist es, dass Medien verantwortungsvoll mit Videos von Straftaten und Unglücken umgehen. So gelten für die Verwendung von Amateurvideos in Online-Ausgaben von Zeitungen und Zeitschriften die ethischen Grundsätze des Pressekodex. Dazu gehören u.a. der Verzicht auf unangemessen sensationelle Darstellungen sowie die Einhaltung des Opfer- und Jugendschutzes.
Man muss hinzufügen, was der Presserat nicht sagt: Diese Grundsätze sollten für alle Personen gelten, die Beiträge ins Internet stellen. Hier ein Klick auf den Kodex des Deutschen Presserates. Da bietet sich auch Orientierung für alle Medien- und Internetnutzer.
Die Mahnung
Der Presserat mahnt: „In keinem Fall tritt die Presse in einen Anpassungswettbewerb mit Formen der öffentlichen Kommunikation ein, deren Ethik vergleichsweise schwach entwickelt ist.“ Das bedeutet, das Internet und seine Netzwerke dürfen nicht zum Maßstab für seriöse Medien werden.
Ausgehend von Gladbeck gelten Verhaltensgrundsätze für Medien und Polizei, vereinbart in der Innenministerkonferenz 1993. Sie sollen Behinderungen bei der Durchführung polizeilicher Aufgaben vermeiden und zugleich die freie Ausübung der Berichterstattung garantieren.
Die Verpflichtung
Journalisten verpflichten sich in diesen Grundsätzen, keine Interviews mit Tätern während des Verbrechens zu führen und nicht eigenmächtig zwischen Tätern und Polizei zu vermitteln. Wörtlich heißt es in einem von elf Punkten der Vereinbarung: „<..> bei Unglücksfällen, Katastrophen und Fällen von Schwerstkriminalität beachten die Medien, dass die Rechtsgüter Leben und Gesundheit von Menschen Vorrang vor dem Informationsanspruch der Öffentlichkeit haben.“
Der Pressekodex gebietet zudem, keine „Verbrechermemoiren“ zu veröffentlichen, wenn Straftaten gerechtfertigt oder verharmlost und Opfer unangemessen belastet werden. Auch eine Heroisierung von Straftätern ist zu vermeiden.
Übernommen aus einer Mitteilung des Deutschen Presserates
Hier die in der Innenministerkonferenz vereinbarten Verhaltensgrundsätze nachlesen
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Anton Sahlender, Leseranwalt. Siehe auch www.vdmo.de