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LESERANWALT
Keine Schablone über Redaktionen legen
Politiker fast aller Parteien haben nicht nur einmal die Redaktion der Main-Post besucht. Es gibt keine Bevorzugung im Sinne von Parteipräferenzen der Redakteure. Das Archivbild von 2009 zeigt Im Gespräch (von links): die CSU-Politiker Paul Lehrieder, Oliver Jörg, Ludwig Spaenle und Manfred Ländner beim Redaktionsbesuch.
Foto: FOTOs Daniel Biscan | Politiker fast aller Parteien haben nicht nur einmal die Redaktion der Main-Post besucht. Es gibt keine Bevorzugung im Sinne von Parteipräferenzen der Redakteure.
Anton Sahlender
Anton Sahlender
 |  aktualisiert: 27.04.2023 07:54 Uhr

Es war ein CSU-naher Leser, einer der sich häufiger bei mir meldet, der mich auf ein auch aus meiner Sicht ebenso lesenswertes wie diskussionswürdiges Interview mit Mathias Döpfner, dem Vorsitzenden des Bundesverbandes der deutschen Zeitungsverleger (BDZV) aufmerksam gemacht hat. Der hat das kürzlich der Neuen Züricher Zeitung (NZZ) zum Thema „Political Correctness“ gegeben.

 

Parteipräferenzen

Hingewiesen hat der Leser mich speziell auf eine Antwort, bei der Döpfner aus einem Vortrag des Kommunkationsforschers Professor Hans Mathias Kepplinger zitiert. Er hat sie als Beispiel für Parteipräferenzen von Journalisten genannt. Danach liegen die zu 36 Prozent bei den Grünen, zu 25 Prozent bei der SPD und nur zu 11 Prozent bei CDU/CSU.

 

Eine Verzerrung?

Döpfner hat seiner Antwort hinzugefügt: Deutsche Journalisten fühlten sich weit überwiegend linken Parteien nah, während die Verteilung unter Bürgern – also Lesern – anders aussehe. Weiter wörtlich: "Wenn Medien politische Positionen der Bevölkerung so verzerrt repräsentieren, führt das auf Dauer zu einer Entkopplung." Ob dieses „Wenn“ und die "Verzerrung" aktuell zutreffen, mag jede/r Leser/in selbst beurteilen. Denn professionelle Journalisten sollten ihre Arbeit unabhängig von eigenen Präferenzen leisten.

 

Überraschung in "Die Welt"

Döpfner selbst erinnert sich, dass er 1998 als Chefredakteur von „Die Welt“ nach einer geheimen Wahl überraschend feststellen musste, dass es unter Mitarbeitern der „vermeintlich-konservativen“ Zeitung eine linke Mehrheit gegeben habe. Rot-Grün habe beim Mitarbeiter-Votum absolut vorne gelegen, besser als bei der Bevölkerung habe die FDP abgeschnitten und dramatisch schlechter die CDU.

 

Keine Schablone

Bevor nun die Zahlen dafür hergenommen werden, um mit „Aha, ich hab’s doch immer gewusst“ gleich über die Redaktion dieser Zeitung herzufallen, soll festgehalten sein, dass die von Döpfner zitierten Zahlen mehr als 10 Jahre alt sind. Seither ist gerade bei wesentlichen politischen Parteien das Links oder Rechts nicht mehr so leicht auszumachen. Ganz abgesehen davon, dass man die Untersuchung, deren Entstehung und Relevanz schon damals auch kritisch gesehen wurde, nun schwerlich wie eine Schablone über alle Redaktionen legen kann. Was im übrigen der eingangs genannte Leser nicht getan hat.

 

36,1 Prozent sind keiner Partei nahe

Zugegeben: Auch „Statista 2019“ stellt in einer im Webmagazin „Christliches Forum“ zitierten Umfrage nur unter Politikjournalisten fest, das 36,1 Prozent von ihnen keiner Partei nahe stehen, 29,9 den Grünen, 15,5 der SPD und 9 der CSU und 7,4 der SPD.

 

Ein Maßstab

Die Frage bleibt: Wie relevant sind die Ergebnisse solcher Umfragen für journalistische Arbeit und deren Bewertung? Denn auch Journalisten gehen wählen, sind ebenfalls geschützt durch das Wahlgeheimnis. Geeignete Personen, die ohne persönliche Präferenzen und politisch nicht von dieser Welt sind, werden sich auch für diesen Beruf nicht finden.

Döpfner, betont im Hinblick auf den Islamismus, „Wer bei uns lebt, muss sich an unsere Gesetze und Grundwerte halten.“ Ich nehme das auf, weil das natürlich gerade für den Journalismus gilt. Das heißt, dass die Arbeit von Journalisten an den Grundwerten einer Demokratie, so wie sie in der Verfassung stehen, zu messen ist, nicht etwa an persönlichen Präferenzen oder ihrem Wahlverhalten.

Hier zum gesamten Döpfner-Interview in der Neuen Züricher Zeitung: "Viele Journalisten verhalten sich zutiefst unjournalistisch"

Hier zur gesamten Kepplinger Untersuchung, vorgestellt 2011bei der Bundeszentrale für politische Bildung: "Milieus und Medien"

Hier zu Veröffentlichung aus "Christliches Forum" von April 2018:  "Politik-Journalisten in Deutschland zeigen überwiegend rot-grüne Parteipräferenzen" 

Hier die Untersuchung von statista: "Welcher Partei stehen Sie am nächsten?"

Ähnliche Leseranwalt-Kolumen:

"Journalistische Wahrhaftigkeit wiegt schwerer als eine Tendenz" (2016)

"Warum es in der Redaktion selten nur eine Meinung geben kann" (2015)

"Beiträge über Dorothee Bär gefährden keine Überparteilichkeit" (2018)

"Liefern Journalisten nur das, was Konsumenten haben wollen" (2018)

Anton Sahlender, Leseranwalt. Siehe auch: www.vdmo.de

 
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  • glaubt-nicht-alles
    Erstaunlich, Herr Sahlender, dass Sie diese unsere (ja, Sie lesen richtig und wissen es: unsere) Anregung a) überhaupt und b) so schnell aufgegriffen haben; der Hintergrund scheint doch relevanter zu sein, als ursprünglich gedacht.
    Als entscheidenden Punkt nehme ich in aller Kürze das "sollten" mit in den Tag; aus diesem Wort lese ich heraus, dass auch Sie da nicht so ganz überzeugt zu sein scheinen.
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  • glaubt-nicht-alles
    ... und übrigens: Eine Schablone "leg(t)en" doch gerade auch Sie, "Herr S. aus W." des öfteren, als Sie des öfteren das Unwort von der "rechten Ecke" gebrauchten; zwar nicht über Ihre Redaktion, sondern über "die anderen".....
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  • antonsah
    @glaubt-nicht-alles .... nein, ich weiß nicht, wer noch außer Ihnen hinter der Anregung steckt. Vielleicht neigen Sie ja schon zum "Pluralis Majestatis". Scherz beiseite: Wenn ich tatsächlich von "rechter Ecke" geschrieben haben sollte, dann in einem erkennbaren Zusammenhang. Dagegen schwebt über der Messung der Präferenzen von Journalisten eine Unterstellung, nämlich die der Einseitigkeit. Gerne wird sie - daraus resultierend -Journalisten dann konkret zum Vorwurf gemacht. Und es ist meist unübersehbar, dass jene, die das vorwerfen, selbst keiner Unparteilichkeit verdächtig sind.
    Anton Sahlender, Leseranwalt
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