Es war ein CSU-naher Leser, einer der sich häufiger bei mir meldet, der mich auf ein auch aus meiner Sicht ebenso lesenswertes wie diskussionswürdiges Interview mit Mathias Döpfner, dem Vorsitzenden des Bundesverbandes der deutschen Zeitungsverleger (BDZV) aufmerksam gemacht hat. Der hat das kürzlich der Neuen Züricher Zeitung (NZZ) zum Thema „Political Correctness“ gegeben.
Parteipräferenzen
Hingewiesen hat der Leser mich speziell auf eine Antwort, bei der Döpfner aus einem Vortrag des Kommunkationsforschers Professor Hans Mathias Kepplinger zitiert. Er hat sie als Beispiel für Parteipräferenzen von Journalisten genannt. Danach liegen die zu 36 Prozent bei den Grünen, zu 25 Prozent bei der SPD und nur zu 11 Prozent bei CDU/CSU.
Eine Verzerrung?
Döpfner hat seiner Antwort hinzugefügt: Deutsche Journalisten fühlten sich weit überwiegend linken Parteien nah, während die Verteilung unter Bürgern – also Lesern – anders aussehe. Weiter wörtlich: "Wenn Medien politische Positionen der Bevölkerung so verzerrt repräsentieren, führt das auf Dauer zu einer Entkopplung." Ob dieses „Wenn“ und die "Verzerrung" aktuell zutreffen, mag jede/r Leser/in selbst beurteilen. Denn professionelle Journalisten sollten ihre Arbeit unabhängig von eigenen Präferenzen leisten.
Überraschung in "Die Welt"
Döpfner selbst erinnert sich, dass er 1998 als Chefredakteur von „Die Welt“ nach einer geheimen Wahl überraschend feststellen musste, dass es unter Mitarbeitern der „vermeintlich-konservativen“ Zeitung eine linke Mehrheit gegeben habe. Rot-Grün habe beim Mitarbeiter-Votum absolut vorne gelegen, besser als bei der Bevölkerung habe die FDP abgeschnitten und dramatisch schlechter die CDU.
Keine Schablone
Bevor nun die Zahlen dafür hergenommen werden, um mit „Aha, ich hab’s doch immer gewusst“ gleich über die Redaktion dieser Zeitung herzufallen, soll festgehalten sein, dass die von Döpfner zitierten Zahlen mehr als 10 Jahre alt sind. Seither ist gerade bei wesentlichen politischen Parteien das Links oder Rechts nicht mehr so leicht auszumachen. Ganz abgesehen davon, dass man die Untersuchung, deren Entstehung und Relevanz schon damals auch kritisch gesehen wurde, nun schwerlich wie eine Schablone über alle Redaktionen legen kann. Was im übrigen der eingangs genannte Leser nicht getan hat.
36,1 Prozent sind keiner Partei nahe
Zugegeben: Auch „Statista 2019“ stellt in einer im Webmagazin „Christliches Forum“ zitierten Umfrage nur unter Politikjournalisten fest, das 36,1 Prozent von ihnen keiner Partei nahe stehen, 29,9 den Grünen, 15,5 der SPD und 9 der CSU und 7,4 der SPD.
Ein Maßstab
Die Frage bleibt: Wie relevant sind die Ergebnisse solcher Umfragen für journalistische Arbeit und deren Bewertung? Denn auch Journalisten gehen wählen, sind ebenfalls geschützt durch das Wahlgeheimnis. Geeignete Personen, die ohne persönliche Präferenzen und politisch nicht von dieser Welt sind, werden sich auch für diesen Beruf nicht finden.
Döpfner, betont im Hinblick auf den Islamismus, „Wer bei uns lebt, muss sich an unsere Gesetze und Grundwerte halten.“ Ich nehme das auf, weil das natürlich gerade für den Journalismus gilt. Das heißt, dass die Arbeit von Journalisten an den Grundwerten einer Demokratie, so wie sie in der Verfassung stehen, zu messen ist, nicht etwa an persönlichen Präferenzen oder ihrem Wahlverhalten.
Hier zum gesamten Döpfner-Interview in der Neuen Züricher Zeitung: "Viele Journalisten verhalten sich zutiefst unjournalistisch"
Hier zur gesamten Kepplinger Untersuchung, vorgestellt 2011bei der Bundeszentrale für politische Bildung: "Milieus und Medien"
Hier zu Veröffentlichung aus "Christliches Forum" von April 2018: "Politik-Journalisten in Deutschland zeigen überwiegend rot-grüne Parteipräferenzen"
Hier die Untersuchung von statista: "Welcher Partei stehen Sie am nächsten?"
Ähnliche Leseranwalt-Kolumen:
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"Liefern Journalisten nur das, was Konsumenten haben wollen" (2018)
Anton Sahlender, Leseranwalt. Siehe auch: www.vdmo.de
Als entscheidenden Punkt nehme ich in aller Kürze das "sollten" mit in den Tag; aus diesem Wort lese ich heraus, dass auch Sie da nicht so ganz überzeugt zu sein scheinen.
Anton Sahlender, Leseranwalt