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LESERANWALT
Heikle Entscheidungen: Fotos nach Terroranschlägen
Allgemeine Gefahrenstelle       -  Auch der Journalismus kennt Gefahrenstellen. Dazu gehören Fotos von Katastrophen und Terroranschlägen, wenn sie menschliches Leid oder Gewalt zeigen. Vor ihrer Veröffentlichung gilt es in Redaktionen verantwortlich abzuwägen.
| Auch der Journalismus kennt Gefahrenstellen. Dazu gehören Fotos von Katastrophen und Terroranschlägen, wenn sie menschliches Leid oder Gewalt zeigen.
Anton Sahlender
Anton Sahlender
 |  aktualisiert: 27.04.2023 04:12 Uhr
Bei Berichten über Unglücke und Katastrophen sind ethische Grenzen zu beachten. So auch nach dem Terroranschlag in Manchester, über den am 24. Mai ganzseitig mit großem Foto in der Main-Post berichtet wurde.
Durch dieses Foto (siehe Bild unten) sieht Leser M.D. Grenzen verletzt. Es liege unter dem Niveau dieser Zeitung, schrieb er mir. Die abgebildete traumatisierte Frau, in teilweise fehlender Bekleidung, hätte die Deutsche Presseagentur nicht anbieten und diese Zeitung nicht drucken dürfen. Wörtlich fügt er an: „Die Schwachköpfe des IS schlagen sich doch auf die Schenkel vor Vergnügen!“
 

Was nicht sein soll

Nein, Terror darf wahrhaftig nie als ein Erfolg von Tätern ankommen, er darf keine Nachahmer animieren. Grundsätzlich spricht Herr M.D. grauenvolle Ereignisse an, die Redaktionen gerade in jüngster Zeit in ihrer journalistischen Verantwortung stark fordern. Dabei gilt immer mit einem Auge auf den Kodex des Deutschen Presserates zu blicken. Der will das Gewalt und Leid nicht unangemessen sensationell dargestellt werden. Der Mensch dürfe nicht zum Objekt, zu einem bloßen Mittel herabgewürdigt werden. Und über einen sterbenden, seelisch oder körperlich leidenden Menschen dürfe nicht über das öffentliche Interesse und das Informationsinteresse der Leser hinausgehend berichtet werden. Das Leid der Opfer und die Gefühle von Angehörigen sind zu beachten. Sie sollen kein zweites Mal zu Opfern werden. Daran mag man erkennen, das stets schwierige journalistische Abwägungen notwendig sind.
Ein Blick auf Ziffer 11 des Pressekodex zur Sensationsberichterstattung.
 

Sensible Leserschaft

Die nachvollziehbaren ethischen Regeln machen für seröse Medien dann gerade die Bildauswahl bei Terroranschlägen zu einer heiklen Entscheidung. Nicht nur Herr M.D., die Leserschaft insgesamt ist gegenüber Darstellungen von Krieg, Terror und Gewalt sensibler geworden, wenn menschliches Leid ungeschminkt erkennbar wird.  Umgekehrt gilt das aber auch, wenn nämlich schlimme Wirklichkeit und menschliches Leid optisch stets gänzlich ausgeblendet bleiben. Da fühlt sich der eine oder andere Leser nicht mehr ausreichend informiert, ohne dass ihm Sensationslust zu unterstellen ist.
So bleibt es journalistischer Verantwortung überlassen, Bilder zu finden, die Rücksicht nehmen und doch genug sagen.

 

Die Abwägung

Das hier kritisierte Foto ist freilich ein milde Darstellung, misst man es an dem Grauen mit zahllosen Toten und Verletzten, also an alledem was in Manchester tatsächlich angerichtet worden ist. Ich denke auch nicht, dass bei einer Abwägung mit dem großen öffentlichen Interesse an dem schrecklichen Ereignis, das Bild, auf dem Hilfskräfte mit einer leidenden Frau zu sehen sind, die Würde dieser Frau verletzt. Sie ist als Person nicht zum Objekt herabgewürdigt worden. Mit ihr wird ein kleines Stück der grausamen Wirklichkeit sichtbar. In diesem Sinne habe ich Herrn M.D. geantwortet.

Terroranschlag in Manchester. Main-Post-Seite vom 24. Mai 2017       -  Das ist die Seite vom Terroranschlag in Manchester, dabei das Foto, das ein Leser kritisiert.
| Das ist die Seite vom Terroranschlag in Manchester, dabei das Foto, das ein Leser kritisiert.





 

Unterschiedliche Botschaften

Dennoch kann ich die Haltung dieses Lesers verstehen: Botschaften, die nach Berichterstattungen oder beim Anblick von Bildern entstehen, sind sehr unterschiedlich. Sie sind so unterschiedlich wie die Empfänger, in deren Köpfen sie entstehen. Deshalb hilft es Redaktionen, wenn Leser zuweilen ihre Gründe mitteilen, wenn sie mit Berichterstattungen über Katastrophen und Terror nicht einverstanden sind.

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