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LESERANWALT
Eine Meinung ist nicht mit Beweismitteln auf Richtigkeit zu überprüfen
Anton Sahlender
Anton Sahlender
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:11 Uhr
Leserbriefe gelten grundsätzlich als Meinungsäußerungen oder, wie es die Rechtsprechung gerne sagt, als Werturteile, da Leser darin ihre Meinung zu bestimmten Themen zum Ausdruck bringen. Das gilt wohl auch für Nutzer-Kommentare unter den Beiträgen auf mainpost.de. Diese grundsätzliche Feststellung sagt nicht, dass darin dort falsche Tatsachen behauptet werden dürfen. Schwierig ist es aber zuweilen, eine Tatsache von einem Werturteil zu unterscheiden.


Die Beschwerde

Ein Beispiel: Eine Beschwerde erreichte die Redaktion, sie habe einen Leserbrief veröffentlicht, in dem eine falsche Tatsache behauptet werde. Der Beschwerdeführer vertrat die grundsätzlich richtige Auffassung, dass dafür auch das Medium zur Rechenschaft gezogen werden könne. Ich füge aber hinzu: Voraussetzung ist, dass es sich wirklich um eine falsche Tatsache handelt.
 

Darum geht es

Falsche Tatsache ist für den Beschwerdeführer ein Zitat aus dem Leserbrief. Es lautet:

„... dass ein Kleriker die Würde eines Menschen auf das Schändlichste verletzt hat.“

Die für die Redaktion tätigen Juristen, die ich befragt habe, sahen das aber als Werturteil. Die Gründe sind für Leserbrief-Autoren interessant, aber auch für Leute, die ihre Meinung gerne online sagen.

 Hier der ganze Leserbrief. 
 

Eine rechtliche Bewertung

Zunächst sei erneut festgehalten, dass Leserbriefe klassische Meinungsäußerungen sind. Außerdem handele es sich im vorliegenden Fall auch noch um die rechtliche Bewertung eines Sachverhalts und die gelte in der Regel Meinungsäußerung (vgl. BGH, AfP 2005, S. 70).
 

Die Sache steht im Vordergrund

Der Leserbrief mit diesem Zitat setzt sich insgesamt kritisch mit der kirchlichen Aufarbeitung von Missbrauchsvorwürfen auseinander und mit den in diesem Zusammenhang bestehenden staatlichen Sanktionsmöglichkeiten. Damit ist die Auseinandersetzung in der Sache in den Vordergrund gestellt. Dies steht der Annahme entgegen, dass es sich um eine Diffamierung der betroffenen Person, also Schmähkritik, handeln könnte.
Und eine Tatsachenbehauptung ist das Zitat schon deshalb nicht, weil dafür die Überprüfung auf seine Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises möglich sein müsste. Ob die Würde eines Menschen verletzt wurde oder nicht, lässt sich freilich damit nicht feststellen. Soweit die Rechtsprechung.


Eine journalistische Bewertung

Zum Journalismus gehört aber über das Recht hinaus auch Korrektheit in der Aussage. So hätte ich als Journalist den kritisierten Vorwurf in die Möglichkeitsform gesetzt („... verletzt haben könnte.“), um Missverständnisse auszuschließen. Denn der Fall des Klerikers, um den es im Bericht gegangen war, auf den sich der Leserbrief bezog, stellt sich nicht so eindeutig dar.
Leserbriefschreiber sind allerdings selten Journalisten. Wollte ihnen die Redaktion Formulierungshilfen geben, könnte das zu Missverständnissen führen, etwa dem, dass sie beeinflusst werden sollten. Leserbriefe mit erkennbar falschen Tatsachen oder Diffamierungen von Personen, die werden natürlich nicht veröffentlicht.
Vielleicht warnt aber diese Erklärung davor, in Leserbriefen falsche Tatsachen zu behaupten oder Personen zu diffamieren. Meinung sollte eben immer zur Sache sein.

 Leseranwalt zu falschen Fakten, die auch in Nutzer-Kommentaren nicht verbreitet werden sollten

Hier geht es um die streibare Form der Wahrheitssuche


Anton Sahlender, Leseranwalt
Ich bedanke mich für die Beratung durch die Medienrechtskanzlei Weberling in Berlin.
 
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