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WÜRZBURG
Bischof von Würzburg wollte ein weiteres Gutachten
Christine Jeske
 |  aktualisiert: 27.04.2023 03:27 Uhr

Nun hat auch die Diözese Würzburg offiziell mitgeteilt, dass die Ermittlungen des Missbrauchsbeauftragten gegen einen ihrer Geistlichen beendet sind. Wie diese Redaktion bereits berichtete, hat Professor Klaus Laubenthal das Verfahren Ende Januar eingestellt.

Insgesamt hatte der Ordinarius für Kriminologie und Strafrecht an der Uni Würzburg zwei Vorwürfe sexuellen Missbrauchs gegen den Priester geprüft. Den ersten hat Alexandra W. 2013 erhoben. Zu diesem ersten Vorwurf gab es eine kirchenrechtliche Voruntersuchung. Dieses Verfahren wurde im Dezember 2015 eingestellt. Nach weltlichem Strafrecht war der Fall verjährt.

„Keine zureichenden Anhaltspunkte“

Laut Pressemitteilung des bischöflichen Ordinariats hatte Laubenthal ab April 2016 einen zweiten Vorwurf, der gegen den Geistlichen im Raum stand, untersucht. Seine Prüfung habe ergeben, dass es für ihn „nach derzeitigem Stand der Ermittlungen keine zureichenden Anhaltspunkte“ gibt. So weit sind die Fakten bekannt.

Die Pressemitteilung, die auch auf der Bistums-Homepage nachzulesen ist, weist jedoch auf einen bislang öffentlich nicht bekannten Aspekt hin: auf ein zweites aussagepsychologisches Gutachten. Bis zu dieser Mitteilung hat die Diözese Würzburg nur auf ein einziges Gutachten von Norbert Nedopil hingewiesen. Es wurde laut Bistum im Mai 2015 erstellt, also innerhalb der kirchenrechtlichen Voruntersuchung.

Berliner Aussagepsychologe

Aktuell ist von einem zweiten Gutachten über Alexandra W. die Rede, das allerdings erst im August 2016 „durch einen der bundesweit renommiertesten Aussagepsychologen der Charité Berlin“ erstellt worden sei. Auf Nachfrage heißt es von Bistumsseite: Bei dem Gutachter handelt es sich um Max Steller, emeritierter Professor für Forensische Psychologie.

Die beiden Gutachten unterscheiden sich in ihrem Ergebnis. Gutachter Norbert Nedopil zufolge konnte ein sexueller Übergriff durch den Geistlichen aussagepsychologisch nicht belegt werden. Laut Professor Laubenthal stellte das Nedopil-Gutachten allerdings zuvor klar, dass das gefundene Ergebnis nicht notwendigerweise bedeute, dass das von Alexandra W. berichtete Ereignis nicht stattgefunden habe; kurz: Es kann sein und es kann nicht sein, dass eine sexuelle Nötigung stattgefunden habe, so Laubenthal.

Gutachter Max Steller kommt laut Mitteilung der Diözese zu folgendem Schluss: Die von Alexandra W. erhobene Anschuldigung weise „inhaltliche Widersprüche“ auf. Und: Zu keinem Zeitpunkt habe eine begründete Wahrscheinlichkeit für einen tragfähigen Anfangsverdacht auf einen sexuellen Übergriff durch den beschuldigten Priester bestanden.

Fragen zum zweiten Gutachten

Zum zweiten Gutachten von Max Steller gibt es mehrere Fragen: Dürfen Unterlagen nach Abschluss eines kirchenrechtlichen Verfahrens willkürlich aus der Akte herausgenommen und einem Gutachter übergeben werden? Wurde Alexandra W. darüber informiert? Hat sie ihr Einverständnis dazu gegeben? Warum wurde ein weiteres Gutachten eingeholt?

Das Bistum Würzburg hat in dieser Angelegenheit mittlerweile den Würzburger Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochen Schrepfer beauftragt, Presseauskünfte zu geben: Das zweite Gutachten sei von Max Steller im Auftrag des Bischofs erstellt worden. „Er wollte sich dadurch vergewissern, dass der betreffende Geistliche der Diözese Würzburg seine Tätigkeiten uneingeschränkt ausüben kann.“

„Eigentum des Bischofs“

Weiter führt Rechtsanwalt Schrepfer aus: „Mit Abschluss des kirchenrechtlichen Verfahrens steht die Akte quasi im Eigentum des Bischofs, der die Akte verwahrt und eigenständig über eine etwaige Herausgabe der Akte oder von bestimmten Unterlagen aus der Akte entscheidet.“ Und: Es wurde „eine gutachterliche Stellungnahme nach Aktenlage eingeholt“. Daher sei Alexandra W. über den Gutachtensauftrag nicht in Kenntnis gesetzt worden.

Wäre dieses Vorgehen auch nach weltlichem Recht möglich? Dazu gibt Professor Klaus Laubenthal Auskunft – nicht in seiner Funktion als externer Missbrauchsbeauftragter der Diözese Würzburg, sondern als renommierter Strafrechtler.

Gutachten als Teil des Ermittlungsverfahrens

Er sagt: „Wenn das weltliche Ermittlungsverfahren eingestellt ist, dann kommt es nicht in Betracht, dass die Ermittlungsbehörde – ohne Kenntnis der beschuldigenden Person – ein neues aussagepsychologisches Gutachten über sie erstellen lässt.“ Dazu müsste man das Ermittlungsverfahren wieder aufnehmen. Denn, so Professor Laubenthal, „die Erstellung eines Gutachtens zu einem möglichen strafrechtlich relevanten Vorwurf ist ja Teil des strafprozessualen Ermittlungsverfahrens“.

Überhaupt sei es verwunderlich, „dass ein Gutachten nach Aktenlage erstellt wurde, ohne zuvor das Opfer angehört zu haben, das unter anderen über die Medien erklärt hat, aussagebereit zu sein“. Zudem, so fügt Professor Laubenthal hinzu, wäre es in einem weltlichen Ermittlungsverfahren nicht ausgeschlossen, dass dort auch ein Gutachten über den Beschuldigten eingeholt wird.

Was kirchenrechtlich also offenbar möglich ist, ist nach weltlichem Recht nicht möglich.

 
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  • J. F.
    Was so ein Persilschein nach Aktenlage wohl kostet???
    Auf die Idee eines Gutachtens zur psychosexuellen Reife, psychosexuellen Orientierung, Persönlichkeit und Glaubwürdigkeit seines Schützlings ist der Herr Bischoff vermutlich nicht gekommen.
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  • M. D.
    Nedopils Gutachten taugte nicht zur Entlastung, er lieferte offenkundig nicht das vom Bistum Gewünschte.

    Daraufhin beauftragt man Steller, der sich ohne jeden Zweifel anhand Akte (!) festlegt: "Zu keinem Zeitpunkt habe eine begründete Wahrscheinlichkeit für einen tragfähigen Anfangsverdacht auf einen sexuellen Übergriff durch den beschuldigten Priester bestanden."

    Dieses fragwürdige Vorgehen an der Betroffenen vorbei muss nun von einem Rechtsanwalt öffentlich verteidigt werden.

    Bigott. Es ging in diesem Fall offenkundig von Anfang nur darum, wie man die Vorwürfe entkräftet und die Betroffene gleichzeitig außen vor läßt und diskreditiert.

    Das ist ja wohl mißlungen: hier wird nur wieder einmal demonstriert, wie Macht agiert und funktioniert und welche Muster man anwendet, um "Machtlose" und mutmaßliche Opfer auflaufen zu lassen und in die Defensive zu drängen.

    Die Hybris besteht auch darin, dass man offenkundig keinerlei Gefühl mehr dafür hat, wie das ankommt.....
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  • B. E.
    ... man könnte aber auch fragen: wieso hat das Bistum das 2. Gutachten, dass für die Frau ja vernichtend klingt, eher "hinten gehalten". Letztlich wird das ja relativierende 1. Gutachten damit in der Öffentlichkeitswirkung zuungunsten des Priesters gelesen. Wurde hier u. U. versucht, beide Seiten halbwegs das Gesicht wahren zu lassen. Das wäre ja was ganz Schlimmes! Muss nicht so sein, könnte aber. Aber vielleicht haben Sie ja auch recht. Vielleicht. (Und ja, ich habe mich in Ihren Blog ziemlich tief eingelesen, ist schon arg schwarz-weiß)
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  • P. K.
    erlaubt eigentlich kein Kirchenrecht. Bei uns dürfte nur das Recht des Staates, also aller Bürger, gelten. Es wird Zeit, dass die Privilegien aller Religionsgemeinschaften endlich abgeschafft werden.
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  • U. S.
    Und in diesem Zusammenhang sollten alle christlichen Feiertage reformiert werden. Weihnachten auf den 25.12., Ostern auf Karfreitag und den Ostersonntag, ebenso Pfingsten auf Pfingstsonntag. Wer darüber hinaus "glauben" will soll Urlaub nehmen (können). Die meisten Leute geniessen zwar die freien Tage die ihnen unser christliches Land beschert sind jedoch aus der Kirche ausgetreten um den Beitrag zu sparen oder haben mit dem Christentum überhaupt nichts zu tun da sie einem gänzlich anderem Glauben angehören.

    Was die Gutachten angeht ist im Bericht eindeutig nachzulesen, dass beide Gutachter zu dem Schluss kamen, dass die Behauptungen der Klägerin widersprüchlich sind. Damit liegt kein eindeutiger Beweis vor und der Beschuldigte halt als unschuldig zu gelten. Punkt!
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  • A. H.
    Man nimmt die Unschuldsvermutung nur für sich in Anspruch, den anderen spricht man sie aber gerne ab; und da genügt in der Regel verdammt wenig, um zu (ver)urteilen.
    Ich zitiere dazu mal den österr. Schriftsteller Karl Kraus: "Es ist erschreckend, wie wenig man über andere zu wissen braucht, um vernichtend über sie zu urteilen"
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  • M. D.
    Und immer wieder wird Macht missbraucht, um die Unschuldsvermutung entweder auszuhebeln oder sie derart zu untermauern, dass Betroffene schon vor objektiver Prüfung von Sachbeweisen für die Öffentlichkeit nahezu einen Heiligenschein erhalten.

    Das hier scheint ein Beispiel für letzteres. Ein regionales Beispiel für ersteres wäre die interessengeleitete Litigation-PR der Staatsanwaltschaft (inkl. Weitergabe der Ermittlungsakte an den Stadtrat, RA Strate hatte deswegen Strafanzeige erstattet) gegen den ehemaligen Generalmusikdirektor Jin Wang.

    Es geht um Macht, es geht um Status, es geht um Persönliches. Die Unschuldsvermutung verkommt hier zur Phrase....
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  • M. D.
    Im ausführlichen dreiseitigen SPIEGEL Bericht hierzu heißt es, Heft 13/2016, S. 50:

    …“Generalvikar Hillenbrand händigte hinter dem Rücken des Missbrauchsbeauftragten dessen vertraulichen Bericht einem befreundeten Richter am Oberlandesgericht Bamberg aus. Er bat diesen ehemaligen Diözeseanratsvorsitzenden um Tipps, was gegen die Frau und für den beschuldigten Klerikerfreund sprechen könne“….
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