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LESERANWALT
Der Meinungskampf erlaubt abwertende Vorwürfe
Meinungskampf mit Bleistift skiziert       -  So kann es zugehen in politischen Auseinandersetzungen ... Mal eben mit Bleistift skizziert
| So kann es zugehen in politischen Auseinandersetzungen ... Mal eben mit Bleistift skizziert
Anton Sahlender
Anton Sahlender
 |  aktualisiert: 27.04.2023 04:36 Uhr
Was landläufig schon mal als beleidigend wahrgenommen werden kann, ist es längst nicht vor bestehendem Recht. Im Meinungskampf darf manches gesagt und geschrieben werden, was Betroffene als ehrabschneidend empfinden. Das heißt nicht, dass es Gerichte dann ebenfalls als Beleidigung oder gar als Volksverhetzung einordnen würden.
 

"Beschämend"

Ein Leser hält es für „beschämend“, dass in einem Leserbrief die Homo-Ehe als „abnormale Lebensgemeinschaft“ bezeichnet war. Er sieht darin eine „homophobe und volksverhetzende Auffassung“. Als seine Ansicht kann man das nachvollziehen.
 

Vorwurf der Voksverhetzung

Was dieser Leser der Redaktion dann aber noch vorwirft, kann wohl in der Rechtsprechung nur schwerlich bestehen:

“Auch wenn der Leserbrief nicht Ihre Meinung, sondern die des Verfassers wiederspiegelt, haben auch Sie als Zeitung durch die Verbreitung <…> den Straftatbestand des § 130, StGB (Volksverhetzung), erfüllt.“

Volksverhetzung wäre es, würde die Leserbrief-Meinung zur politisch lange diskutierten Lebensgemeinschaft zu Hass oder Gewalt aufstacheln. Denn das will das Gesetz verhindern. Das ist freilich schwerlich zu erkennen, ebensowenig eine Verletzung der Menschenwürde oder eine böswillige Verleumdung.
 

Prozess der Meinungsbildung

Das Adjektiv „abnormal“ ist in jenem Leserbrief ein Beitrag zum Meinungskampf und als solcher vertretbar. Grundsätzlich hat das Bundesverfassungsgericht (BVG) zu politischen Meinungsauseinandersetzungen geurteilt, dass auch polemische Kritik hingenommen werden muss, weil ansonsten die Gefahr einer Lähmung oder Verengung des Meinungsbildungsprozesses drohe. Wer im öffentlichen Meinungskampf zu einem abwertenden Urteil Anlass gibt, muss eine scharfe Reaktion auch dann hinnehmen, wenn sie das persönliche Ansehen mindert.  Die kann durch im Einzelnen nicht begründete, gegebenenfalls abwertende Vorwürfe erfolgen.
 

Abwägung: Meinungsfreiheit - Persönlichkeitsschutz

Diese Bewertung des gilt eben auch für weitere Bereiche, in denen eine Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsschutz Bedeutung ist. Dazu gehören Gesellschaftskritik und Äußerungen zur Durchsetzung weltanschaulicher Anliegen (Handbuch des Presserechts, Ricker/Weberling, S.361).
 

Vorwurf von Kachelmann

 
So erträgt auch die Redaktion dieser Zeitung den Vorwurf des „Vollpfostenjournalismus“, den ihr der Wetterexperte Jörg Kachelmann in einem sozialen Netzwerk im Internet gemacht hat, weil sie über einen Tornado berichtete (14.7.17:  „Tornado fegt über den Gau“ - siehe Kopie ), der seiner Meinung nach keiner gewesen ist. Tags darauf („Sturm um 'Tornado im Gau“ - siehe Kopie) hat sich die Redaktion damit sachlich auseinandergesetzt. Gut, dass sie Herrn Kachelmann nicht mit gleicher Münze zurückzahlte. Denn nicht jede Beschimpfung, die das Recht zulässt, schmückt seriösen Journalismus.

  

Reaktion auf Kachelmann vom 15.7.2017       -  Die sachliche Reaktion auf Kachelmanns Vorwurf ....
| Die sachliche Reaktion auf Kachelmanns Vorwurf ....


Weitere Leseranwalt-Kolumnen zu beleidigenden Äußerungen:
1. Denkende Menschen und intellektuelle Beleidigungen
2. Eine Meinung ist nicht Beweismitteln auf ihre Richtigkeit zu überprüfen


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