Künstler, die auf Hartz IV verwiesen werden, Theater und Veranstalter, die in der Luft hängen, Museen die – im Gegensatz zu Baumärkten – nicht öffnen dürfen: Die Kultur hat derzeit wenig zu melden. Das ist eine fatale Fehlentwicklung. Lassen wir also kurz die Virologie beiseite, die Infktions-Hochrechnungen, die Pandemie-Verlaufskurven. Sprechen wir über Kultur.
Anders als Ministerpräsident Markus Söder in seiner jüngsten Corona-Pressekonferenz, in der er das Wort "Kultur" nicht einmal in den Mund nahm. Sondern nur den einen Satz sagte: "Jetzt im Moment ist sowieso alles nach wie vor nicht erlaubt". Und in der er, auf Nachfrage, versprach, man werde "im Laufe der Zeit" Kriterien dafür entwickeln, was künftig als Großveranstaltung zu gelten hat. Als Beispiele fielen ihm einstweilen nur "Feste" und "Bierzelte" ein.
- Immer aktuell: Die Corona-Lage in Unterfranken
Wenn dann noch der Wirtschaftsminister rügt, es würden zu viele unzureichend ausgefüllte Anträge auf Soforthilfe eingereicht, er dabei aber unerwähnt lässt, dass die Hilfskriterien auf viele Solokünstler gar nicht erst anwendbar sind, weil sie nicht die geforderten Betriebsausgaben vorweisen können - dann klingt das nicht, als stünde die Kultur im Freistaat auf der Prioritätenliste allzu weit oben.
Es geht hier ausdrücklich nicht um die Forderung nach sofortiger Öffnung der Theater
Ja, es geht in diesen Wochen und Monaten weltweit um Leben und Tod. Ja, wir werden ein Massensterben nur abwenden können, wenn wir weiter diszipliniert und besonnen essenzielle Regeln einhalten. Deshalb stehen hier ausdrücklich nicht Forderungen, die Theater schnell wieder zu öffnen oder verbindliche Termine festzulegen, wann was wieder erlaubt sein wird. Die kann niemand nennen.
Zum Leben gehört Kultur! Wer jetzt einwendet, Kunst sei ein teurer Spaß für irgendwelche (Bildungs-)Eliten, finanziert von der Allgemeinheit, der man keine Wahl lässt, dem sei entgegnet, dass es keinen Lebensbereich gibt, der nicht von gestalterischer Energie geprägt ist. Kunst formt unsere Vorstellung vom Menschsein, Kunst hilft uns, uns selbst und andere besser zu verstehen. Kunst gestaltet unsere Städte, unsere Wohnungen, unsere Kleider. Am Ursprung selbst der lieblosesten Massenproduktion stand einst ein kreativer Impuls.
Es ist herzzerreißend, wenn man sich klarmacht, was derzeit alles brachliegt. Wenn wir als Gemeinwesen nicht sehr bald anfangen, uns ernsthaft mit den Bedürfnissen all der Menschen auseinanderzusetzen, die unsere Kulturlandschaft gestalten, dann werden die Schäden irreparabel sein.
Ernsthafte Kunstausübung fordert den ganzen Menschen. Man kann nicht kein Künstler mehr sein, nur weil man seine Kunst gerade nicht öffentlich ausüben kann. Kunst hat oft etwas mit Selbstausbeutung, mitunter sogar Selbstaufgabe zu tun, auch wenn das jetzt nach deutsch-romantischer Verklärung klingen mag. Deshalb ist die Rendite, die Künstlerinnen und Künstler erzielen, in so vielen Fällen so verheerend gering, nicht erst seit Corona. Doch seit Corona stehen viele von ihnen finanziell vor dem Nichts.
Wir verdanken den Künstlerinnen und Künstlern viel, und wir werden sie noch brauchen
Wir müssen Wege finden, den Menschen durch diese Zeit zu helfen, denen unser Land den Status einer weltweit beneideten Kulturnation verdankt. Und zwar, ohne sie zu Bittstellern oder Almosenempfängern zu machen. Wir verdanken den Kulturschaffenden viel, und wir werden sie noch brauchen. Künstler sind nicht nur systemrelevant, sie sind menschheitsrelevant.
Nichts anderes hat Richard von Weizsäcker mit dem dieser Tage beklemmend oft zitierten Satz gemeint: "Kultur ist kein Luxus, den wir uns leisten oder nach Belieben streichen können, sondern der geistige Boden, der unsere innere Überlebensfähigkeit sichert."
Wenn dieser Satz auch in Zukunft noch Bedeutung haben soll, brauchen wir einen Masterplan Kultur. Sofort.
Aber nicht sinnvoll.
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Kunst ist die Sprache jenseits der Sprachen.
Sie befreit von eingefahrenen Denkmustern und entlarvt die binäre Blödheit jeder Ja-oder-Nein-Alternative.
Deshalb ist Kunst für die Verständigung in einer vielfältigen demokratischen Gesellschaft <b>systemrelevant</b>.
Diese Befreiung zu erleben macht Freude und hat auf ganz heitere Weise <b>Suchtpotential</b>:
www.youtube.com/watch?v=f6KDoRsIvQo
Dies stand unter dem Bild eines blinden Menschen mit der entsprechenden Armbinde.
Gesehen in Museum der Papiermühle bei Kirchheim/Teck.
Brauchen wir wirklich die "riesigen" und stark subventionierten Kultur- und Kunsttempel mit den Massenveranstaltungen? Sind sie schon längst vergessen, die Sätze über die brotlose Kunst. Die Einführung einer Pflichtversicherung für Künstler etc. Last but not least: "Über Kunst kann man streiten!" Eine Empfehlung für "brotlose" Künstler? Das eigene Kunsttun jetzt als Nebenjob -wie früher anno dazumal - ausführen. Das ist auch "Kunst"!
Wenn Leser dann noch meinen auf Kultur könne man gut verzichten dann zeigt das welcher Geist hierzulande herrscht.
Armes Deutschland, wie weit bis du gesunken!
Es ist gut, dass es Menschen gibt, die den geistigen Horizont besitzen, das zu erkennen. Danke an die Main Post, dass sie uns Künstler und unser Beitrag zur Gesellschaft nicht vergisst.