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München
Corona-Soforthilfe: Wieso Künstler meist leer ausgehen
Der Kulturbetrieb steht still, viele Künstler bekommen in der Corona-Krise dennoch keine staatliche Soforthilfe. Den Rat des Freistaat empfinden sie als Schlag ins Gesicht.
Kein Konzert, keine Gage: Viele Künstler in der Region fürchten um ihre Existenz und fühlen sich vom Freistaat Bayern im Stich gelassen.
Foto: Britta Pedersen, dpa | Kein Konzert, keine Gage: Viele Künstler in der Region fürchten um ihre Existenz und fühlen sich vom Freistaat Bayern im Stich gelassen.
Henry Stern       -  Obermeier/ Henry Stern
Henry Stern
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:29 Uhr

"Für mich geht es um die Existenz", sagt Steff Porzel. Der Musiker aus der Nähe von Bamberg spielt normalerweise in verschiedenen Bands oder auf Veranstaltungen. Und sagt: "Die Rechnung geht dann an die Band oder den Veranstalter." Doch jetzt, in der Corona-Krise, gibt es weder Live-Konzerte noch Familienfeste, Porzel fehlen die Auftritte: "Und ohne Auftritte keine Rechnung."

Für viele Künstler gilt: Ohne Auftritte keine Einnahmen

So wie dem Musiker geht es derzeit den meisten Künstlern in der Region: Weil der Kulturbetrieb vollständig eingestellt ist, fehlen die Gagen. Auch ein Zuverdienst etwa durch Musikunterricht fällt aus. Und ein Ende ist nicht in Sicht: Während Einzelhändler darauf hoffen können, in den nächsten Wochen unter Auflagen ihre Läden wieder öffnen zu dürfen, ist an Musikfestivals oder Live-Auftritte auf der Bühne wohl noch lange nicht zu denken. Ein bisschen Altersvorsorge sei noch da, berichtet Gitarrist und Schlagzeuger Porzel: "In ein paar Monaten bin ich aber insolvent."

Doch soll genau dies nicht die staatliche Soforthilfe verhindern, die Land und Bund seit März auszahlen? Könnte dieser Zuschuss –immerhin bis zu 9000 Euro bei Solo-Selbständigen – nicht auch Musikern helfen, die Krise zu überstehen?

Regierungspräsident wundert sich über wenige Soforthilfe-Anträge von Künstlern

Künstler machten noch viel zu wenig Gebrauch von den staatlichen Hilfen, wunderte sich  Unterfrankens Regierungspräsident Eugen Ehmann vergangene Woche in einem Schreiben an Kommunalpolitiker in der Region: "Es geht jetzt darum, die Künstler und Kulturschaffenden wachzurütteln und ihnen aktiv die Möglichkeiten staatlicher Unterstützung aufzuzeigen, um existenzielle Notsituationen zu verhindern", forderte Ehmann in dem Brief, der dieser Redaktion vorliegt.

Von der Pandemie ausgebremst, vom Freistaat alleine gelassen: Ralf Duggen beklagt, dass die Corona-Soforthilfe für viele Kulturschaffende nicht greift. 
Foto: Joachim Fildhaut | Von der Pandemie ausgebremst, vom Freistaat alleine gelassen: Ralf Duggen beklagt, dass die Corona-Soforthilfe für viele Kulturschaffende nicht greift. 

Ralf Duggen, erster Vorstand des Dachverbands freier Würzburger Kulturträger, der Kulturschaffende in der Region vertritt, muss erst tief durchatmen, bevor ihm dazu etwas einfällt: Es sei ja sehr gut, dass sich der Regierungspräsident um die Kultur in der Region sorge, sagt er dann. Die staatliche Soforthilfe habe aber "einen Fehler im System", sagt Duggen. Deshalb falle der größte Teil der Künstler schlicht durchs Netz.

Ohne Betriebsausgaben keine Soforthilfe

Die Soforthilfe gleiche nämlich nur laufende Betriebsausgaben wie Mieten oder Leasing-Raten bei einem betrieblichen finanziellen Engpass durch die Corona-Krise aus – nicht aber den Ausfall des Einkommens. Musiker hätten aber nur selten ein Studio angemietet oder einen Fahrzeug-Fuhrpark geleast. "Sie besitzen Instrumente, ihre Ausrüstung – aber das alles steht in der Regel daheim, wo auch das 'Büro' ist", sagt Duggen, der selbst einen Veranstaltungsservice betreibt.

Es könne wohl nicht sein, dass diejenigen Künstler, die lieber einen Gebrauchtwagen gekauft hätten, statt einen Neuwagen zu leasen, und die ihre laufenden Kosten immer niedrig hielten, nun dafür bestraft werden, klagt Duggen: "Die bekommen keine Soforthilfe. Die anderen schon."

Wirtschaftsministerium rät Künstlern zu Arbeitslosengeld II

Doch, das könne sein, findet man im Münchner Wirtschaftsministerium: Zwar sei man sich bewusst, dass Künstler "zu einem hohen Prozentsatz nur sehr geringe fixe betriebliche Ausgaben" haben. Private laufende Kosten wie Wohnungsmiete oder Krankenversicherung könnten jedoch keine Corona-Soforthilfen begründen: "Somit besteht für diesen Personenkreis oftmals keine oder nur geringe Möglichkeit, die Soforthilfe in Anspruch zu nehmen", heißt es in einer schriftlichen Antwort. Zur Sicherung des Lebensunterhalts stehe auch Künstlern das Arbeitslosengeld II zur Verfügung, rät das Aiwanger-Ministerium: Der Zugang dazu sei in der Corona-Krise extra erleichtert worden.

Ein Tipp, den viele Künstler als Schlag ins Gesicht empfinden: "Da verbietet der Freistaat Kulturschaffenden quasi die Ausübung ihres Berufs und lässt sie mit den Folgen, dem Verdienstausfall, alleine“, schimpft Duggen: "Und dann auch noch zu sagen: Beantragt halt Hartz IV."

Künstlerverband: Freistaat lässt uns mit den Corona-Folgen alleine

Die bayerischen Richtlinien für die Soforthilfe müssten dringend an die Lebensrealitäten nicht nur von Künstlern angepasst werden – etwa durch die Anerkennung eines Pauschalbetrags für Kosten des privaten Lebensunterhalts wie in Baden-Württemberg, verlangt Duggen. Erst dann werde sich auch Unterfrankens Regierungspräsident nicht mehr über die spärlichen Anträge von Kulturschaffenden wundern müssen.

 
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  • k.a.braun@web.de
    Es erschreckt mich, mit wieviel Häme hier die Künstler bedacht werden. Für die meisten ist Spargelstechen schon körperlich keine Option (das ist nämlich so anstrengend, dass es nur SEHR fitte Menschen machen können). Und ich frage mich, ob die hier Kommentierenden denn wirklich angemessen für ihre eigenen Kunstgenüsse bezahlen, oder doch selbst davon profitieren, dass in den allermeisten Fällen die Künstler mit einem Hungerlohn auskommen müssen, der oft sogar weit unter ALGII liegt. Wie soll man davon Rücklagen bilden können? Das Überwachungs- und Sanktionierungssystem von ALGII ist nichts, dem man sich leichthin anvertraut. Ich verstehe die Bedenken im Artikel total und hoffe, dass die Regierungen schleunigst nachbessern. Wir alle brauchen Kultur. Sie darf auch etwas kosten.
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  • Kulturangebote sollen möglichst günstig sein - mit der Folge, dass Kulturschaffende teils weniger als Mindestlohn verdienen. Die meisten leben "von der Hand in den Mund" und konnten sich nichts auf die Seite legen. Mit Applaus, den es ja zurzeit auch nicht gibt, können wir nicht unsere Miete zahlen.
    Wenn Sie einen Tipp haben, wie wir mit unseren Qualifikationen mehr verdienen können, nur her damit! Sind Sie dann bereit, für Kultur im Internet Geld zu bezahlen? Kaufen Sie jetzt mehr CDs? Oder setzen Sie sich dafür ein, dass Spotify&Co ihren Musikern mehr als nur Centbeträge an Tantiemen zahlt?
    Wenn Ihre Aufträge wegfallen, gehen Sie dann Spargel stechen oder Regale auffüllen?
    Kulturschaffende sind mit so viel Herzblut, Zeit und Grips dabei, Ihnen Musik-, Film-, Tanz-, Theater- und Kunstgenuss zu ermöglichen, sie haben unvorstellbar viel Eigenleistung hineingesteckt und ihnen wurde versprochen, dass ihnen in dieser Berufsverbotsphase geholfen wird - und plötzlich sind wir Sozialfälle?
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  • info@softrie.de
    Finde ich nicht. Ich bin durchaus der Meinung, dass sich Kulturschaffende nicht unterbieten sollten. Bei der Spotify-Kritik muss ich Ihnen entgegnen, dass man für das reine Abspielen eines Songs unterm Strich mehr Geld pro User bekommt als beim Radio. Dennoch wollen Kulturschaffende nicht aufs Radio verzichten.

    Ja, ich würde Spargel stechen gehen oder Regale auffüllen. Ich habe die ersten Jahre täglich nach der Schule bis in den späten Abend gearbeitet, ich habe die ersten Jahre nichts verdient und habe mich nie beklagt. Mir geht es jetzt sehr gut. Aber man muss sich eben auch anstrengen. Ich rate übrigens vielen Freischaffenden ein Büro zu mieten und dort wöchentlich von 8 - 16 Uhr zu sein. Weil ich ein Fan davon bin, trotz kreativer Ader, dass man sich hinsetzt und aktiv daran arbeitet. Ich schreibe u.a. auch Witze. Die fallen mir oft unter der Dusche oder beim Wandern ein, aber die meisten sind harte Arbeit im Büro.
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  • rid.cully
    Dann frage ich nochmal: Was ist so schlimm, "Sozialfall" zu sein. Auch ALGII (ARBEITSLOSENgeld!) ist letztlich eine Solidarleistung der Bürger für die, die finanzielle Hilfe brauchen. Und "Arbeitslos" ist ja wohl auch zutreffend - und das Instrument also auch passend. Auch hier schimmert wieder ein unangemessenes elitäres Denken durch ...
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  • Martin2
    Ich denke, wenn der Staat bestimmten Gruppen sozusagen ein "Berufsverbot" auferlegt, dann sollte er mit besonderen Maßnahmen dafür sorgen daß diese Gruppen nicht unverhältnismäßig benachteiligt werden. Soforthilfen sollten unbürokratisch und schnell erteilt werden, ohne langwierige Prüfungen. Die Leute sind an ihrer Situation nicht selber schuld! Es bedarf also einer kollektiven Anstrengung!
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  • info@softrie.de
    Arbeit kommt von Arbeiten und nicht vom rumsitzen. Ich bin selbständig und mir geht es in der Krise weiterhin gut, weil wir viele Aufträge haben. Sollte ich aber betroffen sein, würde ich mich nach einem weiteren Job umschauen. Aber dafür sind sich viele Künstler eben zu schade, weil das mit ihrem gemütlichen "Ich mach die Welt, so wie sie mir gefällt" Job nicht zusammenpasst. Übrigens sollte man auch im künstlerischen Handwerk auch Rücklagen anlegen. Ich mach etwas vergleichbares und die Kriegskasse ist prass gefüllt. Lief ja in den vergangenen zwei Jahren echt spitze. Da muss man aber an sich selbst appellieren und auch etwas zur Seite legen.
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  • rid.cully
    Äh, was ist an "Hartz" denn so schlimm??? Zumal die unsäglichen Prüfungen weitgehend ausgesetzt sind? Oder ist das dann ein gefühlter Abstieg in unzumutbare soziale Niederungen? Das kann manfrau schon mal machen, wenn es für Rücklagen leider nicht gereicht hat.
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