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WÜRZBURG
Wollen Sie nun Bienen retten oder nicht, Herr Mergner?
Wollen Sie nun Bienen retten oder nicht, Herr Mergner?       -  Wurde Ende April zum neuen Vorsitzenden des ältesten und größten Umweltverbandes in Bayern gewählt: Richard Mergner, Chef des Bund Naturschutz (BN).
Foto: Patty Varasano | Wurde Ende April zum neuen Vorsitzenden des ältesten und größten Umweltverbandes in Bayern gewählt: Richard Mergner, Chef des Bund Naturschutz (BN).
Alice Natter
 |  aktualisiert: 27.04.2023 06:47 Uhr

Sehr geehrter Herr Mergner,

alle wollen Bienen retten – und Sie auch.

Jedenfalls bekommt jemand, der in seinem Garten oder auf seinem Balkon was für Bienen und andere Insekten tun will, auf der Homepage Ihres Verbandes praktische Tipps. Bündel aus hohlen Pflanzenstängeln machen, in abgestorbene Baumstämme und dicke Äste Löcher bohren, Kisten mit Lehm oder Löß füllen, damit die Insekten Eiablageplätze haben. Fertig montierte Nisthilfen bieten Sie auch gleich an, im Online-Shop. So wie Wildblumensamen, zum Beispiel die Spezialmischung „Veitshöchheimer Bienenweide“: mit blütenreichen Arten von Borretsch und Dill bis Wegwarte und Wilde Malve, damit Bienen und Hummeln bis November reichlich Pollen und Nektar finden.

Ja, plötzlich wollen alle was für die Insekten tun. Das Kerbtiersterben ist der neue Klimawandel, der Massentod der Mücken, Falter, Schmetterlinge beschäftigt nun schon im zweiten Sommer die bundesdeutsche Gesellschaft und schafft es sogar auf die Titelseiten bunter Magazine. Und die Honigbiene ist der neue Eisbär – das niedliche wie vereinfachende Symboltier eines gewaltigen Umweltproblems.

Volksbegehren zum Bienenretten ...

Das Artensterben treibt viele um, und die ÖDP in Bayern will „nicht mehr tatenlos zusehen“ und hat ein Volksbegehren gestartet. Biotopverbünde schaffen, naturnahe Landwirtschaft ohne Pestizide ausweiten, Alleen und Hecken schützen – mit vielen Maßnahmen will die ÖDP das komplizierte Bayerische Naturschutzgesetz anpacken. Und verbessern im Sinne des Artenreichtums. Jetzt, da plötzlich alle merken, dass im Sommer nach der Fahrt über Land viel weniger Insekten an der Windschutzscheibe kleben, sollte es leicht sein, im ersten Schritt 25 000 Unterschriften für ein Volksbegehren gegen das Artensterben zusammen zu bekommen. 50 kleinere Organisationen wollen bei der Initiative mitmachen – doch der große Bund Naturschutz (BN) nicht, dem Sie seit sechs Wochen vorstehen.

... doch Sie machen nicht mit?

Alle wollen Bienen retten – außer Ihnen, Herr Mergner? In einer Pressemitteilung mit dem Landesbund für Vogelschutz (LBV) haben Sie angekündigt, dass Sie den Antrag der ÖDP auf ein Volksbegehren für Artenreichtum und Naturschönheit in Bayern nicht unterstützen. Warum, sehr geehrter Herr Mergner? Wo Sie doch seit Jahren schon, als andere Insekten nur lästig fanden, dringenden Handlungsbedarf anmahnten?

Sicher, Sie begründen es in Ihrer Erklärung. „Nach eingehender Prüfung“ sähen Sie „inhaltliche und rechtliche Mängel beim Gesetzesentwurf“. Er sei „in der jetzigen Form kein wirksames Instrument“ um das wissenschaftlich belegte, massive Insektensterben aufzuhalten. Dabei schreiben Sie doch selbst: „Alle Initiativen zum Erhalt der Artenvielfalt sind begrüßenswert.“

Ihr Argument: Man muss ran an die EU-Agrarpolitik

Ja was nun? Sie argumentieren, dass man den rasanten Artenrückgang „nicht mittels Landesgesetzgebung stoppen“ könne. Dass man das Problem „nur maßgeblich auf nationaler und internationaler Ebene“ lösen könne, also in Berlin oder Brüssel. Durch das weitere Verbot von Agrargiften oder ökologisch verschärfte Auflagen bei Agrarsubventionen. Die intensive Landwirtschaft sei ein entscheidender Faktor, deshalb müssten dringend die EU-Förderrichtlinien reformiert werden.

Wollen Sie nun Bienen retten oder nicht, Herr Mergner?       -  Dieser Brief geht an: Richard Mergner, Vorsitzender des Bund Naturschutz (BN).
Foto: Sven Hoppe (dpa) | Dieser Brief geht an: Richard Mergner, Vorsitzender des Bund Naturschutz (BN).

Das ist schon klar, ist unbestritten. Doch, lieber Herr Mergner, Sie sagen es ja in der selben Pressemitteilung selbst: „Auf bayerischer Ebene sind besonders die staatlichen Stellen gefragt, die ebenso wie die 50 pestizidfreien Kommunen bienenfreundlich mit gutem Beispiel vorangehen könnten.“ Ein Landesgesetz, das auch Ackerrandstreifen und Mähzeitpunkte berührt, ist doch für den Arten- und Biotopschutz nicht bedeutungslos. Und fehlen nicht – man muss nur auf die Naturschutzgesetze anderer Bundesländer schauen – gerade in Bayern schlicht viele gute Regelungen? Wie zum Beispiel Schutzstreifen an Bächen, Flüssen und Seen?

Welche Mängel meinen Sie?

Und welche „inhaltlichen und rechtlichen Mängel“ meinen Sie? Verzeihen Sie, Herr Mergner, aber man bekommt den Eindruck, dass es Sie einfach ein bisschen stört, dass die ÖDP nach dem Volksbegehren zum Flächenfraß gleich den nächsten Aufschlag mit ökologischem Ziel, also auf Ihrem Geschäftsgebiet, gemacht hat. Dem Begehren gegen die Betonflut, das nebenbei bemerkt bislang offenbar sehr gut läuft, wollte sich Ihr Verband auch erst nicht anschließen. Dabei betont der BN seit jeher, dass der Flächenverbraucheines der massivsten Umweltprobleme im Freistaat sei. Seit klar wurde, dass das Volksbegehren viele Unterschriften bekommt, sind Sie dann doch mehr oder weniger willig dabei.

Anfangen - in Bayern

Dass die EU-Agrarpolitik, nicht die Landespolitik beim Bienenschützen entscheidend sei – sehr geehrter Herr Mergner, das mag plausibel sein und klingt doch arg nach Ausrede. Natürlich kann man von Bayern aus die Welt nicht retten. Alle Schmetterlinge und Hummeln auch nicht. Aber man kann hier damit anfangen.

Sogar vor der eigenen Haustür, mit einem Bienenhotel aus dem Online-Shop oder einem Wildblumenbeet. Das raten Sie doch selbst.

Mit besten Grüßen,

Alice Natter

Einer bekommt Post! – Der „Samstagsbrief“

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  • H. M.
    Wollen Sie Bienen wir retten oder nicht?

    Liebe Frau Natter,

    bevor Sie Herrn Mergner mit Ihrer persönlichen Meinung in Ihrem Leserbrief bzw. Stellungnahme so schamlos in aller Öffentlichkeit bloß und an den Pranger stellen sollten Sie erst einmal aufzeichnen, was Sie schon alles getan haben.

    Sie wissen ja, wenn man mit einem Finger auf jemanden deutet zeigen drei Finger zurück!

    Also wieviel gutes haben Sie schon getan???!

    Gruß
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