Sehr geehrte Frau Natter,
ich danke Ihnen, dass Sie die Arbeit des BUND Naturschutz zum Insektenschutz herausstellen. Gerade in Unterfranken sind wir mit vielen Ehrenamtlichen seit Jahrzehnten in diesem Bereich sehr aktiv.
Der Vorstand des BUND Naturschutz (BN) hat sich für den Landesverband zusammen mit dem Landesverband des Landesbundes für Vogelschutz nach intensiver Diskussion in beiden Vorstandsgremien nicht bereit erklärt, als Mitträger des Volksbegehrens der ÖDP aufzutreten.
Volksbegehren sind mit großem Aufwand verbunden
Die Bürgergesetzgebung durch ein Volksbegehren ist ein mit einem sehr hohen Auf-wand verbundenes Instrument, das zielgerichtet und konzentriert eingesetzt werden sollte. Leider ist es mit der Sammlung von den vorgeschriebenen 25.000 Unterschriften in der Fußgängerzone überhaupt nicht getan. Dies ist vergleichsweise einfach. Entscheidend ist die zweite Phase, in der sich 10% bzw. über 1 Million wahlberechtigter Bürger Bayerns in nur 14 Tagen in wenigen festgelegten öffentlichen Gebäuden für das Volksbegehren eintragen müssen, erschwert durch eine zu erwartende, massive landesweite Gegenkampagne von z.B. Bauernverband, Industrie und Staatsregierung. In dieser Phase wird ein enormer Aufwand für positive Öffentlichkeitsarbeit, Vorträge, Podiumsdiskussionen, Infostände usw. geleistet werden müssen, der nach unseren Erfahrungen mit früheren Volksbegehren Hunderttausende von Euro, Tausende von Aktiven und das gesamte hauptamtliche Personal des Landesverbandes erfordert. Eben diese Kapazität ist aber in Bayern bereits für das kurz vorher gestartete Volksbegehren „Betonflut eindämmen“ erforderlich, einem mindestens genauso wichtigen Umweltproblem. Bei begrenzten ehren- wie hauptamtlichen Ressourcen und Finanzen ist es nicht möglich, zwei Volksbegehren insbesondere in der zweiten Stufe parallel zum Erfolg zu führen.
Wir wissen, wovon wir sprechen: 1998 haben wir das Volksbegehren „Kennzeichnung gentechnik-freier Produkte aus Bayern“ mit 4,9% verloren, weil wir dachten, das Volks-begehren werde ein Selbstläufer, das Thema sei in der Bevölkerung angekommen. Dem war aber nicht so. Der BUND Naturschutz hat mit großem Einsatz in Bündnissen 1972 ein gewonnenes Volksbegehren zur Rundfunkfreiheit und 1990 ein gewonnenes Volksbegehren zum besseren Müllkonzept unterstützt. 2004 hat der BUND Naturschutz als einer der Hauptträger in einer enormen Kraftanstrengung das Volksbegehren „Aus Liebe zum Wald“ mit 9,3% fast zum Erfolg gebracht und damit dem Landtag ein besseres Waldgesetz abgerungen und die geplante Privatisierung des Staatswaldes verhindert.
Wenn Volksbegehren in der zweiten Stufe von zu wenigen Wählern unterstützt werden, können sie dem jeweiligen inhaltlichen Anliegen mehr schaden als nutzen. Dies könnte als Zeichen gedeutet werden, die Bevölkerung sei nicht an der Thematik interessiert. Das Instrument Volksbegehren muss daher sorgsam eingesetzt werden: Um dieses wertvolle Mittel direkter Demokratie politisch wirksam und glaubwürdig zu nutzen, benötigt es eine intensive Vorbereitung und verlässliche Abstimmung in einem breiten Bündnis. Ein Volksbegehren ist mit seinen riesigen Hürden mehr als eine Unterschriftensammlung oder Petition.
Inhaltliche und juristische Mängel
Inhaltlich gebe ich Ihnen Recht, dass das Volksbegehren durchaus sinnvolle Forderungen wie Gewässerrandstreifen oder den Ausbau des ökologischen Landbaus enthält - Ziele für die wir seit Jahren streiten. Leider kann aber das dramatische Artensterben maßgeblich nur auf nationaler und internationaler Ebene gelöst werden, wie z.B. durch das weitere Verbot von Agrargiften, die Reduktion von Nährstoff- und Schadstoffeinträgen oder die Bindung von Agrarsubventionen an Auflagen zur Förderung der Biodiversität - nicht so sehr durch die bayerische Gesetzgebung. Der Kernfehler des Volksbegehrens ist, dass das Problem des Artensterbens mit den Mitteln der bayerischen Volksgesetzgebung nicht wirksam bekämpft werden kann, weil für die notwendigen Änderungen der landwirtschaftlichen und planungsrechtlichen Vorgaben der Bundesgesetzgeber zuständig ist.
Damit komme ich zu den juristischen Mängeln: Nach einer ersten Prüfung bestehen Zweifel, dass der vorgelegte Gesetzestext vom Innenministerium bzw. dem Verfassungsgerichtshof zugelassen wird, weil eventuell gegen das Koppelungsverbot (Unzulässigkeit der Verbindung unterschiedlicher gesetzlicher Materien wie Immissionsschutz, Naturschutz, Landwirtschaft, Pflanzenschutz etc. in einem Volksbegehren) verstoßen wird und weil zusätzlich rechtswidrig in Bundesgesetzgebungskompetenz eingegriffen wird.
Aus diesen Gründen hat der BUND Naturschutz Landesverband beschlossen, das ÖDP-Volksbegehren nicht mitzutragen. Unseren Orts- und Kreisverbänden ist es aber freigestellt, das Für und Wider einer Unterstützung in ihren Vorständen zu diskutieren und gegebenenfalls vor Ort Unterschriften sammeln.
Wir hoffen, dass Sie und die Leserinnen und Leser der Mainpost mit diesen Erklärungen unsere Position etwas besser nachvollziehen können. Zu einer Diskussion über die besten Wege zum Insektenschutz bin ich gerne bereit.
Mit freundlichen Grüßen
Richard Mergner