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BAYERN
Was tun gegen Flächenfraß?
Henry Stern       -  Obermeier/ Henry Stern
Henry Stern
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:43 Uhr

Kann eine fixe Obergrenze den hohen Flächenverbrauch in Bayern bremsen? Oder gibt es bessere Lösungen, die fortschreitende Versiegelung von Freiflächen zu stoppen? Bei einer Expertenanhörung im Landtag gingen die Meinungen zu diesem Thema weit auseinender. Einig waren sich Wissenschaftler, Kommunen, Umweltschützer und Bauernverbände allerdings in der Forderung, dass der Freistaat Bayern deutlich mehr als bisher tun muss, um das Problem endlich in den Griff zu bekommen.

Umweltverbände, aber auch mehrere Wissenschaftler sprachen sich klar für einen fixen landesweiten Zielwert für den Flächenverbrauch aus – wie es auch das von den Grünen initiierte Volksbegehren gegen Flächenfraß vorsieht. Dort wird eine maximale Flächenversiegelung von fünf Hektar pro Tag eingefordert – zuletzt lag der bayerische Flächenverbrauch bei fast zehn Hektar am Tag. Das bayerische Innenministerium hatte eine Zulassung des Volksbegehrens kürzlich jedoch wegen rechtlicher Bedenken zunächst abgelehnt. Auch Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte „Verbote und starre Flächengrenzen“ in seiner Regierungserklärung am Mittwoch als „falschen Weg“ bezeichnet. Stattdessen versprach er mehr staatliches Geld für die Dorferneuerung.

Ohne Zielwert kein Handlungsdruck

„Ohne eine klare Zielvorgabe werden wir den Flächenverbrauch in Bayern aber nicht stoppen können“, warnte im Landtag Richard Mergner vom BUND Naturschutz, der das Volksbegehren aktiv unterstützt. Schützenhilfe kam von den Experten für Planungsrecht und Regionalentwicklung: Der Instrumentenkasten, mit dem vorhandenes Bauland effektiver genutzt werden könnte, sei seit Jahrzehnten bekannt, sagte etwa Jana Bovet vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig.

Trotzdem ändere sich fast nichts. Grund dafür sei der immer noch fehlende Handlungsdruck auf allen politischen Ebenen: „Wir brauchen deshalb ein verbindliches Flächensparziel als Anstoß, sich ernsthaft mit dem Problem auseinanderzusetzen“, forderte die Planungsrechtsexpertin.

Kleine Gemeinden verbrauchen viel Fläche

Auch der Raumplaner Manfred Miosga von der Universität Bayreuth sprach sich für ein verbindliches Flächensparziel aus. Erstaunlich sei zudem, dass der höchste Flächenverbrauch in Bayern bei kleinen Kommunen mit weniger als 3500 Einwohnern und in strukturschwachen Gebieten liege. Grund dafür sei die oft trügerische Hoffnung, nur mit Neubaugebieten und neuen Gewerbeansiedlungen Steuereinnahmen generieren zu können. „Der Flächenverbrauch ist auch ein Versagen der staatlichen Strukturpolitik“, findet Miosga deshalb.

Die Kommunen lehnen derweil fixe landesweite Obergrenzen wegen des Eingriffs in die kommunale Planungshoheit strikt ab. Zufrieden mit der Unterstützung des Freistaats ist man dort allerdings auch nicht: So fehlten wirksame Regelungen für einen kommunalen Zugriff auf ungenutzte Grundstücke innerhalb der bestehenden Siedlungsgebiete oder für eine flächensparende Bauleitplanung, sagte Matthias Simon vom Gemeindetag. Der Gesetzgeber lasse die Kommunen hier „mit Blick auf den Instrumentenkasten im Regen stehen“.

Bauern wollen Ersatzflächen

Der Bauernverband setzt im Kampf gegen den Flächenverbrauch statt auf eine Obergrenze auf ein „gesetzliches Erhaltungsgebot“ für landwirtschaftliche Flächen: Seit 1960 seien in Bayern 840 000 Hektar Landwirtschaftsflächen verschwunden, sagte Bauernpräsident Walter Heidl: „Dieser Entzug ist dramatisch und muss endlich eingedämmt werden.“ Heidl forderte eine gesetzliche Verpflichtung, landwirtschaftliche Ersatzflächen für neu bebaute Äcker oder Wiesen zu schaffen.

 
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    Flächenfrass verhindern, heißt keine Neubaugebiete ausweisen, wenn’s genügend Leerstände im Altort gibt. Bei Gewerbegebieten ist ja noch schlimmer. Ein guter Teil der überbauten Flächen wird auch nicht mehr genutzt.
    Es braucht in Bayern jetzt endlich eine andere Politik. Das ungezügelte immer weiter so wird nicht gehen. Zu einer Umkehr freilich wird’s nur kommen, wenn die CSU in Bayern im Herbst einen starken Partner in der Regierung bekommt, der dem ungezügelten Flächenfrass ein Ende setzt.
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  • A. H.
    Moment mal, am meisten plärren doch die Kommunen (egal, von welcher Farbe sie regiert werden) - und die Grundbesitzer gegen eine Beschränkung ihrer Befugnisse.
    Und noch einmal: Den größten Anteil verschuldet der (private) Wohnungbau, da will doch nach wie vor jeder ungebremst ins Grüne....
    P.S.: Von welchem "staken Partner" träumen Sie eigentlich?
    Von der marginalisierten SPD oder den Grünen? Letztere würden doch trotz großer Worte jede Kröte schlucken, um mitregieren zu dürfen. Bleibt noch der Einzelkämpfer Aiwanger und die Markwort-FDP; die wollen Sie aber wohl eher auch nicht, oder?
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  • A. H.
    man sollte bei der ganzen Diskussion nicht vergessen:
    Den größten Flächenfraß verursacht der Wohnungsbau, womit letztlich wir alle im Boot sind. Jedem, der will sein sein freistehendes Einfamilienhäuschen im Grünen mit lebensfeindlicher Tujahecke drum rum wird nicht mehr gehen - vor allem wenn die Altorte veröden und verfallen; da müssen auch wir älteren, die diese Entwicklung vor 30 oder 40 Jahren eingeleitet haben, uns mal an die eigene Nase fassen.
    Eine gewisse Vorbildfunktion könnte da z.B. Röttingen übernehmen. Dort fördert man - allerdings vmt. vor allem aus Mangel an noch geeigneten Flächen - den Neubau auf verfallenen Grundstücken im Altort.

    Natürlich gehört auch der Gewerbebau einer strengeren Überprüfung unterzogen: Auf der einen Seite Neuerschließungen auf der grünen Wiese, auf der anderen Verfall erst weniger Jahrzehnte alter Anlagen.
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