
Sehr geehrter Herr Tolle,
es war eine entsetzlich traurige Woche für die Polizei. Und eine schockierende für das ganze Land. Am Montag wurden in Rheinland-Pfalz eine 24 Jahre alte Polizeianwärterin und ein 29 Jahre alter Oberkommissar bei einer Verkehrskontrolle erschossen. Eine feige Tat, wie man sie höchstens in berüchtigten Kriminalitätshochburgen wie Chicago oder Mexiko City erwarten würde. Nicht aber auf einer Kreisstraße in der Nähe des bis Montag völlig unbekannten Örtchens Kusel.
Die tödlichen Schüsse haben sicherlich auch bei Ihnen persönlich und bei Ihren Kolleginnen und Kollegen in Unterfranken für Betroffenheit gesorgt: Da geht man jeden Tag zur Arbeit, setzt sich in den Streifenwagen, nimmt Unfälle auf, unterhält sich mit dem Streifenpartner über die Familie, führt Kontrollen durch, das Funkgerät knarzt, man wird zu Einsätzen wegen Ruhestörung oder eines Familienstreits gerufen. Polizei-Alltag eben – und plötzlich kann das Leben vorbei sein. Kreisstraßen und Orte wie die 5000-Einwohner-Kreisstadt Kusel gibt es in Unterfranken viele. Der Montag hat gezeigt: Auch in der Provinz kann Schreckliches passieren.
Die Gewalt gegen Polizeibeamte nimmt seit Jahren zu
Es sind dramatische Fälle wie dieser, die der Bevölkerung ins Gedächtnis rufen, wie gefährlich der Polizeiberuf geworden ist. So nimmt die Gewalt gegen Polizeibeamte seit Jahren zu, wie ein Lagebild des Bundeskriminalamtes (BKA) zeigt: Demnach stieg die Zahl der Opfer zwischen 2012 und 2020 bundesweit um 42 Prozent. In Bayern erreichten die Fallzahlen 2020 einen neuen Höchststand: Laut Innenminister Joachim Herrmann wurden 8587 Fälle körperlicher und verbaler Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten registriert – 7,9 Prozent mehr als im Jahr zuvor.
Und wie niedrig die Hemmschwelle bei einigen Bürgern auch in unserer Region ist, zeigte ein Polizeieinsatz im Dezember in Bad Neustadt (Lkr. Rhön-Grabfeld): Zwei Streifen waren wegen einer Ruhestörung gerufen worden. Vor Ort eskalierte die Situation, die Polizisten wurden von 15 Männern umringt, einer schlug zu und fügte einem Beamten einen mehrfachen Kieferbruch zu.
Mache Reaktionen in den sozialen Netzwerken sind geradezu widerlich
Die tödlichen Schüsse bei Kusel – dieser Fall wäre schon für sich alleine schlimm genug. Geradezu widerlich aber sind einzelne Reaktionen auf den Tod Ihrer Kollegen, Herr Tolle. So berichtete die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) in dieser Woche von Kommentaren in sozialen Netzwerken aus der Querdenker-Szene, die sich lobend über die Tat äußerten: "Zwei weniger bei den Spaziergängen", freute sich demnach einer, "Zwei Söldner weniger", ein anderer, "Tja, selber Schuld", kommentierte ein Dritter.
Es ist ein gutes Signal, wenn Bundesinnenministerin Nancy Faeser nun das Bundeskriminalamt beauftragt hat, schnell und konsequent gegen die Hasskommentare im Netz vorzugehen, wo sich allzu oft Gewaltphantasien, auch und gerade gegen die Polizei, häufig hochschaukeln.
Unterdessen wurde an der Universität Bremen von Unbekannten ein polizeifeindliches Plakat aufgehängt. Die Aufschrift des 100 mal 150 Zentimeter großen Transparents: "Zwei weniger – ACAB". Die Abkürzung steht für "All Cops Are Bastards", ein Begriff, der hierzulande so übersetzt wird: "Alle Bullen sind Schweine". Er gilt als Kampfbegriff gewaltorientierter Linksextremisten.
Der Respekt gegenüber den Beamtinnen und Beamten sei gesunken, die Bereitschaft, Waffen gegen die Polizei einzusetzen, sei dagegen gewachsen, stellen Vertreter der Polizeigewerkschaften seit langem auch für die Region fest. Was also tun? Kann der routinemäßige Einsatz von Bodycams, wie ihn die Gewerkschaft der Polizei (GdP) vorschlägt, solche Taten verhindern? Braucht es härtere Strafen für Übergriffe auf Einsatzkräfte? Müssen künftig Streifenpolizisten geschützt und ausgerüstet wie Spezialeinsatzkommandos Verkehrskontrollen durchführen?
Offenbar sind Polizistinnen und Polizisten in den Augen vieler nicht mehr die Guten
Wie würde das aber auf die Bürgerinnen und Bürger wirken? Ein Polizist in martialischer SEK-Montur als "Freund und Helfer"? Dabei wollen Sie doch eine Bürgerpolizei sein.
Einen schnellen und einfachen Ausweg aus diesem Dilemma scheint es nicht zu geben. Ein Schritt: Die Polizei selbst muss Transparenz pflegen, ihre Arbeit erklären, so wie Sie es jüngst taten, als Sie die Einsätze bei den Corona-Protesten in Schweinfurt und Würzburg erklärten. Denn offenbar sind Polizistinnen und Polizisten in den Augen vieler nicht mehr die Guten. Das geht uns alle an. Denn die Polizei erfüllt eine der wichtigsten Aufgaben in unserer Gesellschaft: der Polizist als "Schutzmann". Dieses Bild sollte schon Kindern vermittelt werden.
Freundliche Grüße
Benjamin Stahl, Redakteur
Das kann nur funktionieren, wenn die Gesellschaft hinter den viel Polizistinnen und Polizisten steht und den nötigen Respekt entgegen bringt.
Gefragt ist auch die Politik, die unsere Polizei oft im Regen stehen lässt. Auf der anderen Seite aber sehr froh sind, dass sie von Sicherheitskräften beschützt werden.
Was aus meiner Sicht die Autorität der Polizei stark untergräbt, das ist unsere Justiz. Allzuoft müssen die Polizeibeamten erleben, dass ihnen ein festgenommener Straftäter, Stunden später grinsend begegnet.
Die Polizei macht auch Fehler, aber das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Personen für uns oft genug den Kopf hinhalten muss und das verdient Respekt.
Ich glaube nicht, dass man diese Gruppe mit beispielsweise „mehr Transparenz“ der Polizeiarbeit irgendwie erreichen oder gar beeinflussen könnte. Das Problem liegt hier nicht auf der Seite der Polizei.
Wir müssen uns der Realität stellen: Wir haben es hier mit einem gesellschaftlichen Problem zu tun. Wir haben Menschen unter uns, die nicht ausreichend zivilisiert und sozialisiert sind, um den Wert eines menschlichen Lebens zu erkennen.
Das hat es immer gegeben und wird es vermutlich immer geben – aber wir als Gesellschaft versagen, wenn wir nicht besser werden, diese Fälle zu erkennen und adäquat zu reagieren, bevor so etwas passiert.
Auch bei diesen Tätern gab es erkennbare Anzeichen – aber man hat sie offenbar nicht ernst genommen …
Ein Angriff auf die Polizei ist somit in jedem Fall ein Angriff auf die Grundlagen unseres Gemeinwesens.
Und da mal drüber nachdenken: Souverän des Staates ist das Volk. Soll heißen: die Polizeikräfte arbeiten im Auftrag der Bürgerinnen und Bürger, setzen durch, was die gewählten VetreterInnen festgelegt haben.
Hass gegen die Polizei ist demnach gleichzusetzen mit Hass gegen unser demokratisches Gemeinwesen, gegen die Zivilgesellschaft als Ganzes. Staatsfeindlichkeit, die empfindlich bestraft gehört. MuMn.
Die Polizei nehme ich seit meiner Kindhei nur als "Freund und Helfer" war! Keiner hat mich bisher schikaniert oder misshandelt. Ich frage mich wie es sein kann, dass man ständig den angeblichen Polizeistaat und dessen Willkür zu spüren bekommt..?!
Vielleicht, weil man mangels Verstand und Erziehung ständig gegen die von der Mehrheit dieser Bevölkerung geschaffenen Regeln verstößt??
@ Polizei: Danke für euren Dienst!!!