Liebe Leute von Greenpeace,
wenn nach einem verlorenen EM-Spiel der Ärger im Land über eine Protestaktion vor dem Anpfiff größer ist als über die Leistung der deutschen Fußballer, dann muss wirklich irgendwas ziemlich schiefgelaufen sein. Seit Dienstag rollt weniger der Ball, sondern mehr eine Empörungswelle durch die Republik. Auslöser war Ihre Protestaktion gegen den DFB-Sponsor Volkswagen mit der Forderung "Stoppt den Verkauf von klimaschädlichen Diesel- und Benzinautos".
Die Botschaft sollte ein Gleitschirmflieger transportieren, der beim Überfliegen der Münchener Arena zum Bruchpiloten wurde, mit viel Ach und ganz viel Krach auf dem Spielfeld landete, dabei zwei Menschen verletzte und zahlreiche mehr in Gefahr brachte.
Ja, Sie haben sich entschuldigt. Mehrfach. Haben die Aktion erklärt und was schiefgelaufen ist. Aber mal im Ernst: Wie kommt man überhaupt auf so eine Schnapsidee? Nicht nur, dass andere gefährdet wurden: Ihr Aktivist hatte Glück, dass er nicht abgeschossen wurde. Nur weil der Gleitschirm den Greenpeace-Schriftzug trug, habe man "davon abgesehen, dass Scharfschützen hier eingegriffen haben", betonte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann.
Da fällt es fast schon gar nicht mehr ins Gewicht, dass die Aktion strafbar war, weil am Spieltag über dem Stadion ein Flugverbot galt. Ob etwas strafbar ist oder nicht – das ist Greenpeace scheinbar ohnehin egal. Der ein oder andere mag es ja originell finden, wenn Sie wie im Mai Hunderte Autoschlüssel von Fahrzeugen des VW-Konzerns entwenden und auf den vom Klimawandel gebeutelten Schneeferner-Gletscher bringen. Unterm Strich bleibt es doch nichts anderes als ein Diebstahl.
Was hatten Sie nicht für Erfolge! Früher. Ich denke an 1980, als Sie als politische Non-Profit-Organisation im Einsatz für Umwelt-, Natur- und Klimaschutz erfolgreich gegen die Verklappung von Dünnsäure kämpften. Oder an die Brent-Spar-Kampagne 1995, mit der Sie erreichten, dass die Betreiber Shell und Exxon den schwimmenden Öltank nicht im Meer versenkten. Oder an Ihre Aktionen gegen den kommerziellen Walfang, der 2002 verboten wurde.
Klar, auch diese Unterfangen liefen nicht völlig gefahrlos ab. Ohne Spektakel keine Aufmerksamkeit. Schlauchboot gegen Tanker, Schornsteinkletterer gegen Chemiefabrik, angekettete Aktivisten gegen ungebremsten Castor-Transport. Am Ende stand ein Erfolg für die Umwelt. Die Geschichte vom Triumph des Öko-Davids über die Umweltsünder-Goliaths. Und jetzt?
Immer wieder steht der Vorwurf im Raum, Sie arbeiteten unwissenschaftlich. Schon in der guten alten Brent-Spar-Zeit kolportierten Sie viel zu hohe Ölmengen, die auf der Plattform verbleiben sollten. Vor einigen Jahren stritten sich mehr als 100 Nobelpreisträger mit Ihnen über Ihre pauschale Ablehnung von Gentechnik in der Nahrungsmittelproduktion. Und auch beim Thema Geld produzierten Sie Negativ-Schlagzeilen: 2013 hat Greenpeace 3,8 Millionen Euro bei Termingeschäften verzockt.
Gerhard Wallmeyer, Gründungsmitglied von Greenpeace Deutschland, sagte einmal mit Blick auf die Anfänge, Sie hätten damals den Zeitgeist getroffen. Genau das gelingt Ihnen jetzt nicht mehr. Greenpeace, das ist längst ein straff geführter, hierarchischer Konzern, in dem die Basis der Aktivisten wenig zu sagen hat. 2020 sollen Sie in Deutschland rund 70 Millionen Euro an Spendengeldern eingenommen haben. Der Öko-David hat seine Unschuld verloren.
Gleichzeitig bekommen Sie Konkurrenz: Die Jungen laufen lieber bei "Fridays for Future" mit als sich bei Greenpeace zu engagieren. Die Bewegung stand zuletzt deutlich mehr im Fokus der Öffentlichkeit als Sie. Das wissen Sie, das spüren Sie. Sie kämpfen – so meine Interpretation – nicht nur gegen die Umweltsünder-Goliaths. Sondern immer mehr dagegen, auf Dauer bedeutungslos zu werden.
Nun stehen Sie endlich wieder im Flutlicht, um sprachlich beim Münchener Stadion-Vorfall zu bleiben. Aber anders als Sie es wollten. Politiker wie der unterfränkische CSU-Landtagsabgeordnete Steffen Vogel wollen Ihnen am liebsten die Gemeinnützigkeit aberkennen und staatliche Gelder streichen. Die Presse macht sich über Sie her. Und viele fragen sich, ob man den Kampf gegen den Klimawandel oder das Artensterben mit der peinlichen Greenpeace-Strategie gewinnen kann.
Das alles haben Sie sich selbst zuzuschreiben, weil Sie sich in undurchdachte Aktionen verrennen, die zu keinem Erfolg führen. Oder glauben Sie, dass VW nach der Greenpeace-Bruchlandung jetzt keine Verbrenner mehr baut?
Mit freundlichen Grüßen
Benjamin Stahl, Redakteur
Daß diese Organisation auch mit Steuermitteln finanziert wird, war mir unbekannt und ist ein Unding......
Hoffentlich hatte der Gleitschirm nicht auch noch einen Benzinmotor.
In der Antwort ist kein Schuldbewusstsein zu erkennen. Angeblich war eine technische Panne der Grund für die Notlandung.
Dass die ganze Aktion von Anfang an rechtswidrig und unsinnig war ist bei Greenpeace nicht angekommen.
@Alfisti: Er hatte eine "E-Aufstiegshilfe" quasi ein E-Motor mit Begrenzter Reichweite. Er musste also auch relativ nah am Stadion gestartet sein, der Akku hält nur rund 8 Minuten.