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Unterfranken
Samstagsbrief: Ermitteln Sie mit der Soko Tierschutz weiter, solange es in Schlachthöfen solche Skandale gibt, Herr Mülln!
Tierquälerei in zwei Schlachtbetrieben in Unterfranken, Amtsärzte, die offenbar weggesehen haben. Gut, dass Tierrechtler konsequenter hinschauen, meint unsere Autorin.
Deckt Skandale auf und macht Tierquälerei öffentlich: Friedrich Mülln, Chef der Tierrechtsorganisation 'Soko Tierschutz'.
Foto: SOKO Tierschutz, Mülln | Deckt Skandale auf und macht Tierquälerei öffentlich: Friedrich Mülln, Chef der Tierrechtsorganisation "Soko Tierschutz".
Alice Natter
 |  aktualisiert: 15.07.2024 15:17 Uhr

Sehr geehrter Herr Mülln,

wer Tiere mag, muss Ihnen Danke sagen. Mit Ihrem Verein "Soko Tierschutz" haben Sie gerade massive Tierquälerei in zwei Schlachtbetrieben in Unterfranken publik gemacht. Und dafür gesorgt, dass beide nach Razzien sofort geschlossen worden sind.

"Ich mag Tiere. Einige am liebsten vom Grill", hat unser Reporterchef hier vor zwei Wochen erst an die Tierschutzorganisation Peta geschrieben. Provokanter Einstieg mit voller Absicht, weil es um das Geschäft mit der Provokation ging, um permanente reflexhafte Forderungen, schrille öffentlichkeitswirksame Aktionen unter dem Label Tierrechte.

Mit Ihrer Soko Tierschutz, Herr Mülln, setzen Sie auch auf "effektive Medienarbeit" und Kampagnen. Aber vor allem recherchieren Sie. Decken auf – und machen mit Ihrem Verein die Arbeit, die andere nicht machen.

Videos der Tierschützer aus dem Schlachthof: Die grausamen Szenen sind kaum zu ertragen 

Wie jetzt, in den aktuellen Fällen in Unterfranken. Die Videoaufnahmen aus dem Schlachthof Aschaffenburg, die Sie der Presse und den Behörden weitergegeben habe, sind kaum zu ertragen.

30 Minuten Grausamkeit. Mitarbeiter, die Kühe bei Bewusstsein aufschlitzen. Tiere, die mit Dutzenden Stromstößen gequält werden. Ein Arbeiter, der einer Kuh gegen die Schnauze tritt, ihr dann dreimal in den Kopf schießt. Das Tier verdreht die Augen, wird geschlagen und erlebt sein Verbluten. Schweinen, die nicht ausreichend betäubt sind, werden die Augen herausgerissen.

Bei den Szenen aus einer Hinterhof-Schlachterei bei Miltenberg, die Sie keine Woche später publik gemacht haben, muss man mindestens so starke Nerven haben. Offensichtlich kranke, verletzte und sterbende Milchkühe und Fleischrinder (die gar nicht geschlachtet werden dürften!) werden grausam traktiert. Ein Bolzengerät versagt, Rinder wehren sich mit aufgeschnittener Kehle noch und versuchen verzweifelt zu brüllen. 

Jetzt sind die beiden Schlachtbetriebe vorläufig geschlossen, die Staatsanwaltschaften ermitteln.

Verdacht und Vorwürfe wiegen schwer: Amtstierärztinnen warnten offenbar vor Kontrollen 

Herr Mülln, Sie sprechen von "Kontrollversagen" mehrerer Instanzen. Veterinäre seien nicht bei der Lebendtierbeschau gewesen. Der privatisierte, verpachtete Schlachthof Aschaffenburg sei von Amtsseite vorgewarnt worden, wenn eine Kontrolle anstand.

Dieser Verdacht ist das besonders Brutale an diesem Fall: Zwei Veterinärinnen der Stadt warnen die Schlachtmannschaft, damit die ihre illegalen, grausamen Praktiken rechtzeitig unterbrechen kann. Kaum waren die Undercover-Videos Ihrer Soko bekannt, wurde den Amtsärztinnen fristlos gekündigt.

Verdeckte Recherchen in den Schlachtbetrieben: Gerechtfertigt und nötig oder kriminell?

Sehr geehrter Herr Mülln, Ihnen und anderen Tierschützern werden die illegalen Aktionen, eigenmächtige "Ermittlungen" in Ställen oder Schlachtbetrieben, die heimlichen Aufzeichnungen immer wieder vorgehalten. Sie selbst standen mehrfach vor Gericht nach Anzeigen und Strafbefehlen. Und manche halten Soko Tierschutz selbst für kriminell und eine verbrecherische Organisation.

Verdacht der quälerischen Tiermisshandlung: In Aschaffenburg ermittelt die Staatsanwaltschaft nach Veröffentlichungen von Tierrechtlern jetzt gegen den Schlachthof. Die Stadt kündigte zwei Tierärztinnen fristlos.
Foto: Heiko Becker | Verdacht der quälerischen Tiermisshandlung: In Aschaffenburg ermittelt die Staatsanwaltschaft nach Veröffentlichungen von Tierrechtlern jetzt gegen den Schlachthof. Die Stadt kündigte zwei Tierärztinnen fristlos.

Aber was ohne die versteckten Kameras? Grundsätzlich seien solche heimlichen Aufnahmen nur zulässig, wenn zuvor die offiziellen Kontrollorgane versagt hätten, sagten Sie in der BR-Abendschau. Ihr Verein agiere immer nur nach dem Prinzip des "rechtfertigenden Notstands". Und in den meisten Fällen seien es Leute aus der Branche, die sich bei Ihnen, dem Veganer, melden würden. "Gestandene Metzger", die die Zustände nicht mehr ertragen. Die sich erst an die Behörden gewendet hätten und dann sehen: Es passiert nix.

Lob für die zentrale Kontrollbehörde - deren Arbeit sinnlos wird durch grundlegende Systemfehler

Würden die Zuständigen ihren Job machen, müsste der Staat einen Schlachtbetrieb nach dem anderen schließen, sagen Sie. Und – bemerkenswert! - haben nach den zwei Skandalen am Untermain die Arbeit der bayerischen Kontrollbehörde für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen, kurz KBLV, gelobt. Die Zentralbehörde, nach dem großen niederbayerischen Salmonellen-Eier-Skandal 2018 eingerichtet, hätte "sehr gut und sehr schnell reagiert".

Der Irrwitz und Systemfehler, der die Arbeit der Kontrolleure und Aufklärer quasi sinnlos macht: Das bayerische Gesetz schreibt vor, dass die KBLV ihre Kontrollen bei den örtlichen Behörden  anmelden muss. Wenn dann aus dem Amt der Termin an die Tierquäler durchgesteckt wird...  Ausgerechnet das Vorzeigeland Bayern, das sich der Bekämpfung von Kriminalität rühmt, ist bei der Veterinärkontrolle nicht konsequent?

Forderungen der Soko Tierschutz: Vier-Augen-Prinzip, unangemeldete Kontrollen, Bodycams für Veterinärpersonal

Herr Mülln, was Sie fordern, klingt nicht provokant. Sondern nur konsequent.

Personelle Konsequenzen in der Chefetage der Veterinärämter, wenn Aufsichtspflicht versagt. Sofortige Entbindung der KBLV-Leute von der Pflicht, sich vor Kontrollen bei örtlichen Behörden anzumelden. Immer zwei Tierärzte bei den Schlachthofkontrollen. Bodycams für Veterinärpersonal. Eine Videoüberwachung in Betrieben, die nicht dem Schlachthof, sondern der KBLV untersteht. Und eine sofortige, rechtlich verbindliche Zertifizierung und Prüfpflicht für Betäubungsgeräte.

Wie hält man aus, was Sie tun? Missstände aufzudecken, das sei eigentlich nicht Ihr Job, sagen Sie. Lieber Herr Mülln, solange es solch Missstände wie offensichtlich im großen Aschaffenburger Schlachthof, in der kleinen Dorfschlachterei bei Miltenberg gibt . . . Und solange die, die ihre Aufgabe richtig und konsequent machen, durch Fehlkonstruktionen im System ausgebremst werden, gilt nur:

Danke. Und das sollten alle sagen. Auch und besonders die, die manchmal ein Stück Fleisch auf den Grill legen.

Mit Respekt und besten Grüßen,

Alice Natter, Redakteurin

Persönliche Post: Der "Samstagsbrief"

Jedes Wochenende lesen Sie unseren "Samstagsbrief". Was das ist? Ein offener Brief, den eine Redakteurin oder ein Redakteur unserer Zeitung an eine reale Person schreibt – und tatsächlich auch verschickt. An eine Person des öffentlichen Lebens, die zuletzt Schlagzeilen machte. An jemanden, dem wir etwas zu sagen haben. An einen Menschen aus der Region, der bewegt hat und bewegt. Vielleicht auch mal an eine Institution oder an ein Unternehmen. Oder ausnahmsweise an eine fiktive Figur. Persönlich, direkt und pointiert formuliert soll der "Samstagsbrief" sein. Mal emotional, mal scharfzüngig, mal mit deutlichen Worten, mal launig – und immer mit Freude an der Kontroverse. Der "Samstagsbrief" ist unsere Einladung zur Debatte und zum Austausch. Im Idealfall bekommen wir von der Adressatin oder dem Adressaten Post zurück. Die Antwort finden Sie dann bei allen "Samstagsbriefen" hier. Und vielleicht bietet sie auch Anlass für weitere Berichterstattung.
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  • Paul Sauer
    "Der Irrwitz und Systemfehler, der die Arbeit der Kontrolleure und Aufklärer quasi sinnlos macht: Das bayerische Gesetz schreibt vor, dass die KBLV ihre Kontrollen bei den örtlichen Behörden anmelden muss. Wenn dann aus dem Amt der Termin an die Tierquäler durchgesteckt wird... "

    Diesen Satz muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen; denn er zeigt nach welchem Motto von der Bayerischen Staatsregierung bzw. dem Bayerischen Landtag Gesetze und Verordnungen beschlossen werden, d.h. zur Beruhigung der Bevölkerung aber gleichzeitig mit Schlupflöchern für das eigene Klientel bzw. die Unterstützer derjenigen Parteien, die an der Macht sind
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  • Georg Wohlfart-Mitznegg
    Und wo bleiben jetzt die Schockfotos an den Fleischtheken, so wie man sie Raucher/innen auf der Zigarettenpackung schon lange zumutet?

    Mancheiner würde da seinen Fleischkonsum überdenken!
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  • Peter Koch
    Vom schäuferlessen aufgeblähter Menschenbauch so wie die vom rauchen geteerte Menschenlunge?
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  • Georg Wohlfart-Mitznegg
    Auch eine Möglichkeit...ich dachte eher an realistische Fotos aus den Schlachthöfen.
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  • Klaus Krug
    Vielen Dank an die SOKO Tierschutz für ihre Arbeit.

    In unserem Bayernland, das so gerne mit grünen Wiesen und glücklichen Kühen wirbt, gibt es hinsichtlich der Überwachung der Schlachthöfe und landwirtschaftlichen Betriebe leider ein Totalversagen der Behörden. Kontrollen finden - wenn überhaupt - nur im Abstand von Jahrzehnten statt. Dieser Zustand wird verursacht durch chronischen Personalmangel in den Aufsichtsbehörden, der einfach nicht beseitigt wird.

    Aufgedeckte Rechtsverstöße u. Tierquälereien passen halt nicht in das Wunschbild der Bayerischen Staatsregierung. Wer nicht sucht und nicht kontrolliert, der findet auch nichts. So bleibt die schöne Bayerische (Schein-) Welt erhalten.

    Ich befürchte, dass die Arbeit der SOKO Tierschutz noch lange notwendig sein wird, um wenigstens die allerschlimmsten Zustände aufzudecken.

    Ich wünsche Euch viel Durchhaltevermögen u. Erfolg und werde eure Arbeit mit einer steuerlich absetzbaren Spende unterstützen.
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  • Paul Sauer
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  • Andrea Greber
    Diesen Brief kann ich nur dreimal dick und fett unterschreiben. Danke dafür!!!
    Vielleicht war die Menschheit immer schon so, nur dass es im Verborgenen geschah oder niemanden interessierte, weil es der jeweiligen Moral nicht zuwiderlief. Vielleicht ist auch eine zunehmende Verrohung zu bemerken. Aber heutzutage frage ich mich, was bei den Leuten nur schiefgelaufen ist.... Und zwar sowohl bei den Tätern als auch bei den Vertuschern.
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  • Hans-Georg Heim
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  • Frank Benkert
    Hallo
    Ich esse Fleisch aber nur selten, einmal die Woche oder weniger.
    Und dann nur vom Metzger meines Vertrauens. (Metzgerei Müller Stetten, Elviras Bauernladen Aschfeld und wenn der Wolf in Eußenheim mal ein frisch geschlachtetes Hähnchen hat.)
    Wenn ich diese Videos anschaue bin ich froh das das so ist.
    Mein Vorschlag währe:
    Permanente, öffentliche Videoüberwachung der Schlachtvorgänge in allen Schlachthöfen und Metzgereien.
    Bei Verstößen hohe Geldbußen.
    MfG Frank Benkert Thüngen
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  • Florian Stenger
    Grausam wenn man das sieht und hört ich bin froh nicht eine Metzgerei zu haben die selber schlachtet und die Tiere von Landwirten aus dem Umkreis von 30-40 km kommen kurze Transport Wege und man weiß wo es her kommt wenn man die Betriebe kennt.

    Es kommt doch nur so weit in großen Schlachthöfen weil die Leute jeden Tag Fleisch und Wurst wollen und das noch besonders günstig zum Ramsch Preis.

    Man sieht es alltäglich in Discountern und Supermärkten wie Massenweise das Billige Fleisch gekauft wird. Und zuhause die Hightech Küche und den Webergrill. Und vom Parkplatz mit Audi, BMW oder sonstiges weg fahren.

    Eine ehemalige zuständige Tierärztin aus Aschaffenburg hat in einer anderen lokalen Zeitung ausgepackt was sie in den Jahren 2008-2010 dort erlebt hat. Von Drohungen durch Mitarbeiter weil sie Angst um den Job hatten oder weil es darum ging das Zeit Geld ist und man keine Zeit zu warten bis die Tiere richtig betäubt sind usw.

    Was sind das für Menschen?
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  • Peter Koch
    Im Landkreis Miltenberg war es ein ganz kleiner Schlachtbetrieb der geschlossen werden musste. Ich fürchte, dass der nur handwerkliche Metzgerbetriebe beliefert hat und nicht die viel geschmähten Discounter.
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  • Paul Sauer
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