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Samstagsbrief: Die niedergebrannte Kissinger Hütte wird dank Anpackern wie Ihnen wiederauferstehen, Herr Egert!
Jahrelang haben Ehrenamtliche für die Sanierung der Kissinger Hütte in der Rhön gebuckelt. Jetzt ist ihr Einsatz ein zweites Mal gefragt. Unser Autor zollt allen Respekt.
Manfred Egert vor dem, was nach dem Brand von der Kissinger Hütte übrig blieb. Den Wiederaufbau des Rhöner Traditionshauses hat er quasi schon begonnen.
Foto: Gerhard Fischer | Manfred Egert vor dem, was nach dem Brand von der Kissinger Hütte übrig blieb. Den Wiederaufbau des Rhöner Traditionshauses hat er quasi schon begonnen.
Gerhard Fischer
 |  aktualisiert: 24.03.2025 06:48 Uhr

Sehr geehrter Herr Egert,

am Mittwoch standen wir gemeinsam vor der Kissinger Hütte. Der Brandgeruch vom verheerenden Feuer am Dienstagmorgen zog an uns vorbei. Was für ein sonniger Tag und was für ein schlimmer Anblick! Die Kissinger Hütte ist nicht mehr. Und es wird sie so, wie sie die Rhöner und die vielen Rhön-Freunde in ganz Unterfranken kennen, nicht mehr geben.

Wir sind beide Freunde dieser Hütte auf dem Plateau des Feuerbergs mit seinem fantastischen Panoramablick. 111 Jahre hat sie selbstbewusst und weithin sichtbar auf dem Berg gethront. Sie war eine Landmarke in der Rhön. Eine Landmarke und ein Symbol wie sonst nur noch das Radom der Wasserkuppe und natürlich die Kreuzigungsgruppe am Kreuzberg. Die Rhön als "Land der offenen Fernen" - auf dem Feuerberg zwischen Wildflecken und Langenleiten hat sich der Werbeslogan bewahrheitet.

Ich habe die Kissinger Hütte einige Male als Gast genossen. Es liegt schon ein paar Jahre zurück, dass mein Sohn als Dreikäsehoch gleich nebenan am Feuerberglift die ersten Schwünge im Schnee erlernt hat. Ein Freund, der dort auch Bergwacht-Dienste leistete, hatte den Bub sicher am Seil. Die ersten mühsamen Pflug-Kurven wurden mit einer üppigen Portion Schnitzel mit Pommes in der Kissinger Hütte belohnt. Die roten Backen des Sohnemanns glühten in der dampfenden Gaststube.

Die Kissinger Hütte war ein Höhepunkt des Familienlebens - hoch oben auf 832 Metern über dem Meeresspiegel.

Wer die Kissinger Hütte besucht hat, hat seine eigenen Erinnerungen an das Haus 

Gleich neben dem Tresen in der Ecke war der Stammtisch der Altgedienten. Dort saßen die Treuen auch, wenn der Aufstieg zur Hütte im Winter schwierig war und man sich durch Nebelwände kämpfen musste. Umso wohliger war es dann in der Hütte, an deren Fenstern sich außen Schneekristalle gebildet hatten. Es wurde politisiert im Gastraum. Und zwischen Frühjahr und Herbst stellten die Mountainbiker ihre strammen Waden zur Schau.

Die ganz Alten haben vielleicht noch den Kardinal Döpfner erlebt, der als Erzbischof von München gerne seine Urlaube in der alten Heimat Rhön verbrachte. Jeder, der die Kissinger Hütte besuchte in den vergangenen Jahrzehnten, hat seine eigene Erinnerung an das Haus.

Mitgestalter und ehrenamtlich Engagierter für die beliebte Wanderregion

Ihre Verbundenheit zur Kissinger Hütte aber, lieber Herr Egert, ist von einer ganz besonderen Intensität. Sie könnten sich ein entspanntes Leben als Pensionär in Elfershausen machen. Und einfach genießen, was das Ausflugsziel Rhön Ihnen bereithält. Sie könnten bloßer Konsument sein, so wie ich es bin, so wie viele andere Rhön-Freunde auch.

Aber Sie, Ihre Familie und vor allem Ihr Rhönklub Bad Kissingen mit den über 800 Mitgliedern, sind nicht nur Nutznießer der Rhöner Schätze. Sie sind Mitgestalter daran, dass diese Region für Wanderer, Einheimische und Besucher von überall her ein ganz besonderer Ort unter den Wanderregionen Deutschlands ist.

Dem Himmel in den Rhöner Bergen ganz nah 

Die einzigartige Hüttenkultur, die man sonst nur aus dem Alpenraum kennt, gehört dazu. Die scheppernden Bierkrüge mögen sehr irdisch klingen: Dem Himmel ist man auf den Rhöner Bergen trotzdem ein Stück näher als anderswo.

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Und deshalb haben Sie und Ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter viel Herzblut in die Sanierung der Kissinger Hütte gesteckt. Die klammen Rhönklub-Zweigvereine als Träger vieler betagter Hütten können sich Sanierungsprojekte kaum mehr leisten. Sie haben deshalb einen Freundeskreis gegründet, der viele Spenden, Hilfen der Politik und ganz viel Handwerker-Können zusammengebracht hat, um der Kissinger Hütte eine Zukunft zu ermöglichen.

Das Sanierungsprojekt stand durchaus auch auf der Kippe. Aber Sie, Herr Egert, und Ihre Bundesgenossen in Sachen Kissinger Hütte, haben nicht aufgegeben und das Projekt gestemmt in den Jahren 2020 bis 2022. Die Existenz der Hütte, für Landrat Thomas Habermann ein Rhöner Denkmal, war eigentlich für die nächsten Jahrzehnte gesichert.

Ärmel hochkrempeln, anpacken - damit die anderen etwas davon haben 

Sie werden in den letzten Jahren stolz zurückgeblickt haben auf das Geleistete. Zurecht. Menschen Ihres Schlages bereiten mir manchmal ein schlechtes Gewissen. Die Ärmel hochkrempeln und etwas anpacken, damit die Gemeinschaft etwas davon hat, statt nur dabei zu stehen und zuzuschauen, ob überhaupt etwas wird: Menschen wie Sie haben meinen Respekt.

Schon am Tag eins nach dem Brand pochte Ihr "blutendes Herz" mit neuem Adrenalin. Sie führten schon erste Telefonate, wie es weitergehen könnte. Ihr Optimismus steckt eine ganze Region an. Firmen, Politiker, Künstler mit Benefizkonzert-Ideen: Alle wollen sie helfen, dass es bald wieder eine Kissinger Hütte gibt, auch wenn sie etwas ganz Neues sein wird.

Etwas ganz Besonderes habe ich durch Sie, Herr Egert, in dieser Woche gelernt. In den politischen Talkrunden mögen sie von der tief gespaltenen Gesellschaft reden. Die andere Wahrheit erkennt man hier auf den Höhen der Rhön aber auch: Wenn es Ernst wird, rücken und halten die Menschen zusammen. 

Ich wünsche Ihnen, Herr Egert, mit all Ihren Mitstreiterinnen und Mitstreitern gutes Gelingen! Und vielleicht können wir uns in garnicht zu ferner Zukunft auf ein kühles Bier am Feuerberg treffen.

Herzlichst, Ihr

Gerhard Fischer, Redakteur

Persönliche Post: der Samstagsbrief

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Kommentare
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  • Carola Pohensky
    Man muss sachlich überlegen,wenn von dem alterbautem Gebäude nichts mehr steht, dann wird es die Kissinger Hütte von vor dem Brand nicht mehr geben,ein Neuaufbau ist dann Gastronomie zum Einkehren.
    Da muss auch nicht von überall her gefördert werden.Der Rhönklub muss das für sich überlegen.
    Aber wie gesagt,ich meine das nur, wenn alles vollständig vernichtet ist.
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  • Hiltrud Erhard
    Herr Fischer, würden Sie auch mit anpacken?
    Mit netten Worten wird es nicht getan sein!
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  • Johannes Schäfer
    Sehr gut geschrieben. Menschen wie Herrn Egert brauchen wir. Die uns wachrütteln in der Zeit des "Wehklagens". Das haben, zumindest die meisten gar nicht nötig. Dieser Brief soll alle erreichen, die dies vielleicht nicht wahrhaben wollen. Aufstehen, zusammenhalten und sich am Ergebnis erfreuen.
    Vielen Dank
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