
Lieber Christoph Maul,
zuletzt habe ich 2022 einen Samstagsbrief in Sachen "Fastnacht in Franken" geschrieben. Damals an Norbert Neugirg, den Kommandanten der "Altneihauser Feierwehrkapell'n". Ich bat ihn nach der Absage der Oberpfälzer Truppe damals, wieder zum Franken-Bashing nach Veitshöchheim zu kommen. Das hat funktioniert. Sie aber will ich nicht um etwas bitten. Nein, bei Ihnen möchte ich mich heute bedanken.
Bedanken für knapp vier Stunden beste Faschings-Unterhaltung und eine wirklich tolle Stimmung in den Veitshöchheimer Mainfrankensälen. Dabei liegt es nun einmal in der Natur der Sache, dass Fasching, dass Büttenreden und Gardetanz nicht allen gleich gut gefallen. Aber eines kann in diesem Jahr niemand den Verantwortlichen vor und hinter der Kamera absprechen: nämlich, dass sie kein starkes Zeichen gesetzt hätten.
Ein Zeichen für Versöhnung, für Freiheit und Demokratie und ein Zeichen gegen Populismus, Rechtsextremismus und die AfD. Das war stark und ganz ehrlich, das habe ich in dieser Deutlichkeit nicht erwartet. Da konnte einem das Lachen an der ein oder anderen Stelle im Halse stecken bleiben. Aber "Fastnacht in Franken" wäre nicht "Fastnacht in Franken", wenn am Ende nicht doch die gute Laune überwogen hätte.
Doch wie sagten Sie selbst am Schluss ganz richtig: Wenn wir nicht aufpassen, könne der Spaß schneller vorbei sein, als uns lieb ist. Und so forderten Sie - nicht gerade üblich für einen Sitzungspräsidenten bei einer TV-Faschingssendung - Ihre Zuschauerinnen und Zuschauer auf, bei den Europawahlen in diesem Jahr wählen zu gehen und die Demokratie zu wählen. Denn wählen sei wie Zähne putzen. Es zu unterlassen, könne ganz schön schmerzhaft werden.
Nun steht der Fasching, stehen Närrinnen und Narren ja eher im Ruf, konservativ zu sein. Und das sind sie historisch gesehen ja auch. Denn ohne die katholische Kirche und deren Fastenzeit, gäbe es auch die Fastnacht nicht, an der man es noch mal so richtig krachen lassen darf, weil am Aschermittwoch ist ja dann alles vorbei.
Und so schlüpften im historischen Fasching der Bauer, der Arbeiter in die Rolle des Königs und hielten den Mächtigen ungestraft den Spiegel vor. Heute sind die ersten Reihen bei "Fastnacht in Franken" mit Politprominenz besetzt, die sich wie ihr Volk verkleidet. Und so kommt der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger als Handwerker verkleidet - verkehrte Welt?
Jedenfalls hat es den Freie-Wähler-Chef nicht davor bewahrt, für Flugblattaffäre und populistische Ausschweifungen im vergangenen Wahljahr noch mal ordentlich eingeschenkt zu bekommen. Und darüber hat sich nicht nur Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder köstlich amüsiert.
Besonderer Verantwortung gerecht geworden
Auch sonst war "Fastnacht in Franken" in diesem Jahr so politisch wie lange nicht mehr. Natürlich wurde in erster Linie die Ampelregierung in Berlin mit Hohn und Spott überschüttet. Aber eben nicht nur. Auch wenn die Sendung zum Unterhaltungsrepertoire gehört, diese Prunksitzung trägt eine besondere Verantwortung. "Fastnacht in Franken" ist stilprägend für Narren - und sie ist öffentlich. Die Sendung schafft Jahr für Jahr die höchste Einschaltquote des Bayerischen Rundfunks und kann als ein Indikator der gesellschaftlichen Entwicklung dienen.
Dieser Verantwortung ist "Fastnacht in Franken" in diesem Jahr auf besondere Weise gerecht geworden. Zum wichtigsten Thema unserer Zeit, für das aktuell an jedem Wochenende Hunderttausende bundesweit auf die Straßen gehen, haben die Narren nicht gekniffen, sondern sich mit einem deutlichen Zeichen für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit klar und unmissverständlich positioniert. Chapeau!
Höhepunkt war das Medley zur Europa-Wahl am Schluss, als alle Künstlerinnen und Künstler im Kostüm eines EU-Landes verkleidet noch einmal auf die Bühne kamen und die Vielfalt Europas präsentierten. Das war emotional - und machte auch noch richtig Spaß.
Doch die Plädoyers für Demokratie und gegen Populismus und Ausgrenzung zogen sich durch den ganzen Abend. So analysierte Martin Rassau: "Die Dummheit hat aufgehört, sich zu schämen und ist auch noch stolz drauf." Als Richter verteidigte Peter Kuhn unseren Rechtsstaat, und Matthias Walz sang: "Ein bisschen schüren, ein bisschen hetzen, das weiß der Wähler wohl zu schätzen."
Peter Kuhn nahm in seiner Büttenrede dann auch besonders die Wählerinnen und Wähler in die Pflicht und sprach mit Blick auf die AfD von drohenden Deportationen statt verniedlichend von Remigration: "Keiner kann sagen voller Frust, man hätte all dies nicht gewusst."
Letztendlich agierten die Narren damit auch in eigener Sache, wollen sie doch auch künftig über "die da oben" lachen und Witze machen dürfen. Volker Heißmann und Martin Raussau brachten es als "Waltraud und Mariechen" auf den Punkt: "Es ist besser, für die Demokratie zu kämpfen, solange sie noch da ist. Danach wird es erheblich schwieriger."
Danke!
Mit einem dreifachen Helau,
Folker Quack, Redakteur
Das ist eine sehr zurückhaltende Formulierung! Es dürfte wenige derart deutliche Schlüsselmomente im deutschen Fernsehen geben, in welchem auf offener Bühne ein Populist und Hetzer so entlarvt und gestellt wurde.
Da blitzte sogar ganz kurz diese zitierte Scham auf - sofort abgewehrt mit den üblichen, nur mühsam unterdrückten Affekten und dem kaum verhohlenen Hass auf alles, was den Herrn mit seiner sonst so wortreich und zwanghaft nach außen projizierten Verachtung und Jämmerlichkeit konfrontiert. Bilder sagen mehr als 1000 Worte!
Man konnte förmlich fühlen, wie die mühsam vor Scham und Realität schützende kognitive Dissonanz völlig zusammenbrach und der Wirtschaftsminister (unfassbar, was CSU und Wähler hier zu verantworten haben!) schlagartig begriffen hat, dass zahllose Menschen seine Maskerade problemlos durchschauen.
Dieser Dummstolz dreht zum Teil mittlerweile völlig frei, maskiert sich als "gesunder Menschenverstand" und Konservativismus und wollte in haltloser Selbstüberschätzung alle in seinen Mist mit hinunterziehen - denn keinem darf es besser gehen als dem Dummen selbst.
Gut, dass dieser oft mit National-"Stolz" gepaart Dummstolz auch und gerade in Bayern nun durchbrochen wurde - hat halt noch nicht jeder verstanden.
Und dabei wurde er selbst deutlich an seine eigene Entscheidung und Verantwortung erinnert. Eben auch ein Populist ohne Rückgrat… hat den Minister mit seinem „dreggs-flugblatt“ und aktuell als Dauer-Demobesucher ohne erkennbare Kompetenzen als bayer. Wirtschaftsminister nicht rausgeschmissen hat.
Matthias Walz hat das unglaublich gut gemacht, hier den Entscheidungsträger genauso an seine Verantwortung zu erinnern. Zu Recht wurde er dafür mit dem Nürnberger Trichter ausgezeichnet.
Hier nochmal sein unvergesslicher Auftritt:
https://www.br.de/nachrichten/kultur/goldener-trichter-fuer-fastnacht-in-franken-star-matthias-walz,U3PRo0d