Die Grünen haben es geschafft, dass der Paragraf 218 wieder auf die politische Agenda gesetzt wurde. Eine Expertenkommission empfiehlt aktuell zu prüfen, ob die Abtreibungsgesetzgebung außerhalb des Strafgesetzbuchs geregelt werden kann. Dazu hat Main-Post-Redakteurin Claudia Kneifel einen "Samstagsbrief" an die grüne Landtagsabgeordnete Kerstin Celina geschrieben, die sich seit vielen Jahren um das Thema Schwangerschaftsabbruch kümmert. Hier ist ihre Antwort:
Liebe Frau Kneifel,
ich bin Ihnen dankbar für diesen Samstagsbrief. Er war Teil einer Debatte, die in dieser Woche an vielen Orten - vom Küchentisch und in den Medien über den Landtag bis zum Bundestag - geführt wurde. Im Kern geht es darum: wie geht es den Frauen, die in ihrer aktuellen Lebenssituation ungewollt schwanger werden, denn tatsächlich? Und wie gehen wir als Gesellschaft mit Frauen um, die am Ende ihrer Kräfte sind und die sich es weder emotional noch finanziell zutrauen, sich in ihrer aktuellen Lebenssituation um (noch) ein Kind gut zu kümmern?
Klar ist: hinter jeder Entscheidung für eine Abtreibung steht eine eigene, persönliche Geschichte. Keine Frau trifft diese Entscheidung leichtfertig. 12.000 Frauen in Bayern, 100.000 in Deutschland, gehen diesen Schritt jedes Jahr. All diese Frauen zu Straftäterinnen zu erklären, auch wenn sie straflos bleiben, halte ich für ein eklatantes Unrecht, und mit einem christlichen Menschenbild hat die moralische Verurteilung der Frauen - und übrigens auch der Ärzt*innen, die eine Abtreibung durchführen - erst recht nichts gemeinsam.
Die meisten Menschen, die für die geltenden, harten Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch eintreten, haben nur den fiktiven Fall vor Augen, dass die - schwanger gewordene oder geschwängerte - Frau sich auf irgendeine Art verantwortungslos verhalten haben soll und nun eben die Konsequenzen tragen müsste.
Das ist weit weg von der Lebensrealität der Frauen in Bayern, die sich jedes Jahr für eine Abtreibung entscheiden. Dazu gehören Frauen und Familien, die schon mehrere Kinder haben und deren Familienplanung abgeschlossen ist, sowie Frauen, die in ihrem aktuellen Lebensabschnitt nur mit starken Medikamenten leben können, zum Beispiel Antidepressiva oder Medikamente gegen chronische Erkrankungen, und die in ihrer akuten Lebensphase keine Schwangerschaft und keine Geburt (er)tragen können und wollen.
Es gibt auch Frauen, die sich aus einer Beziehung mit gewalttätigen Männern nicht lösen können, obwohl es - in begrenztem Umfang - die Möglichkeit gibt, in ein Frauenhaus zu gehen. Solche Frauen stehen bei (ungewollten) Schwangerschaften mit ihren "Partnern" vor der Frage, was auf ein gemeinsames Kind zukäme und treffen da dann in Verantwortung für sich und das Kind die Entscheidung für einen Schwangerschaftsabbruch. Eine solche Entscheidung verdient Respekt und Unterstützung statt Kriminalisierung und Stigmatisierung.
Mich ärgert, dass sich in den vergangenen 30 Jahren dieser Kompromiss, der damals ein echter Kompromiss war, einseitig zulasten der Frauen verschoben hat. Die Zahl der Ärzte und Ärztinnen, die einen Schwangerschaftsabbruch durchführen wollen oder können, ist geringer geworden, gerade in Bayern, und das liegt unter anderem daran, dass das Thema in der medizinischen Ausbildung eben oft kein Thema ist und man das Medizinstudium beenden kann ohne eine fundierte Ausbildung in dem Bereich.
Dazu kommt: die räumlichen Entfernungen zum Ort des Schwangerschaftsabbruchs sind größer geworden, der berufliche und private Druck macht es schwerer, sich kurzfristig einem operativen Eingriff zu unterziehen. Und die Online-Beratung außerhalb der eigenen Arbeitszeiten und der medikamentöse Abbruch sind in Bayern leider noch nicht Standard. Was folgt, ist die Abstimmung mit den Füßen, bzw. dem Handy in andere Bundesländer, die eine bessere Versorgungslage bieten. Das kann niemand ernsthaft wollen.
Mich ärgert noch etwas: in diesen über 30 Jahren seit dem Kompromiss, wird Verhütung immer noch als Aufgabe der Frau gesehen. Seit zig Jahren wird darüber geredet, dass eine Pille für den Mann entwickelt werden sollte, und während der medizinische und technische Fortschritt in Riesenschritten voranging, wird immer noch erwartet, dass Frauen zig Jahre lang Hormone nehmen und ihrem Körper quasi eine Dauerschwangerschaft vorspielen.
Viele Frauen sind nicht mehr bereit dazu, und das kann ich gut verstehen. Dafür zu sorgen, dass keine ungewollte Schwangerschaft entsteht, ist Aufgabe von beiden, von Mann und Frau. Der Mann kennt ja die Lebensumstände in der gemeinsamen Beziehung, und wenn er sie nicht kennt, sollte er natürlich erst gar nicht riskieren, mit einer ihm quasi unbekannten Frau ein Kind zu zeugen. Und wenn es doch passiert, sollte nicht die Frau alleine als die "Schuldige" und potenzielle Straftäterin gelten.
Diese Woche hat eine Kommission aus 18 hoch angesehenen, fachkundigen Professor*innen, die vom Bundestag beauftragt worden war, das Thema gründlich zu untersuchen und einen Vorschlag zu machen, die Ergebnisse ihrer Arbeit der Öffentlichkeit vorgestellt. Ich finde, es ist ein kluger, ausgewogener Vorschlag dabei herausgekommen: ein legaler Schwangerschaftsabbruch in den ersten drei Monaten, eine politische Regelung mit breitem Spielraum für die nächsten drei Monate, und eine Regelung wie bisher in den letzten drei Monaten.
Wenn es nach mir ginge, könnten wir das morgen so beschließen. Aber ich sehe schon, dass es wahrscheinlich noch dauern wird, bis so eine Neuregelung umgesetzt werden kann, da müssen noch viele Debatten geführt werden, bei denen wir einander ernsthaft und interessiert zuhören sollten. Ein guter Anfang ist jedenfalls gemacht.
Mit sonnigen Grüßen
Kerstin Celina
Nein Frau Celina, das ist nur eine Projektion.
Die meisten Menschen, die sich für den geltenden KOMPROMISS einsetzen haben begriffen, dass es hier nicht „nur“ um die schwangere Frau und deren Befindlichkeiten geht - sondern vor allem auch um ein Kind und um unwiederbringlichen Verlust bei einem „Abbruch“ einer gesunden Schwangerschaft.
Diese Haltung einer Frau, für deren Partei ein männliches Küken in einem Ei oder das Tierwohl einen höheren Stellenwert hat, als ein ungeborenes Kind, ein Mensch, dem man leicht Doppelmoral und ideologisierende Leichtfertigkeit unterstellen kann und muss!
Auch darf gerne die sog. Unabhängige Kommission angezweifelt werden! Die Auswahl der Professoren und Professorin en zeigt deutlich was man wollte dass raus kommt!
Es ist niemand aus Bayern dabei.
Einen Vertreter der Kirchen sucht man vergebens! Eine in ethnischen Fragen anerkannte Persönlichkeit ist ebenso nicht dabei!
Das soll unabhängig sein?