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Würzburg
Wenn Ärzte für Abtreibungen fehlen: Entscheiden sich immer mehr Frauen für einen Abbruch per Videocall zu Hause?
In Deutschland können Frauen eine Schwangerschaft abbrechen. Doch die Zahl der Kliniken und Praxen, die Abtreibungen anbieten, geht auch in Unterfranken stark zurück.
Wo können sich Frauen in der Region hinwenden, wenn sie ungewollt schwanger geworden sind? 
Foto: Getty Images | Wo können sich Frauen in der Region hinwenden, wenn sie ungewollt schwanger geworden sind? 
Claudia Kneifel
 |  aktualisiert: 15.07.2024 11:57 Uhr

Für Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch benötigen, wird die Situation in Unterfranken immer schwieriger. Immer weniger Ärztinnen und Ärzte in der Region nehmen die Eingriffe vor.

Es ist ein Trend, den es bundesweit seit einigen Jahren gibt. Für das Jahr 2003 verzeichnete das Statistische Bundesamt bundesweit noch 2050 Praxen und Kliniken, die Schwangerschaftsabbrüche durchführten. Ende 2022 waren es nur noch 1097 - ein Rückgang um fast die Hälfte.

Laut Paragraf 13 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes müssen die Bundesländer dafür sorgen, dass genügend Einrichtungen zur Verfügung stehen, in denen ein Schwangerschaftsabbruch vorgenommen werden kann. Doch tun sie das ausreichend?

Für die Frauen hat eine schlechte Versorgungslage Folgen: Sie müssen längere Strecken zu einer Praxis oder Klinik fahren und auch längere Wartezeiten in Kauf nehmen. 

Wie viele Ärztinnen und Ärzte führen in der Region Abbrüche bei Schwangeren durch?

"Die Versorgungslage in Unterfranken ist nicht gut", sagt Dr. Stefan Heuer, stellvertretender Bezirksvorsitzender im Berufsverband der Frauenärzte in Unterfranken. Lediglich eine Handvoll Ärzte in Unterfranken würden überhaupt Abbrüche durchführen.

Einige Ärztinnen und Ärzte in Unterfranken bieten den medikamentösen Abbruch an. Nur ein Arzt hat in der Region ambulant Abtreibungen mit der Absaugmethode durchgeführt. Mittlerweile sei dieser Arzt in Rente und es fehle ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin.

In der Ärzteschaft sei die Bereitschaft da, Frauen in der Not zu helfen, sagt Heuer. So wollen er und drei weitere Kolleginnen und Kollegen sich vermutlich ab Herbst in einem ambulanten OP-Zentrum die Aufgabe teilen. "Das Modell bedeutet allerdings viel Aufwand, und es gibt auch noch rechtliche, bürokratische und organisatorische Hürden", sagt Heuer.

Der Genehmigungsprozess laufe bereits. Ab Herbst sollen in Würzburg wieder operative Abbrüche möglich sein.

Gibt es also einen Versorgungsengpass bei Abtreibungen in Unterfranken?

"In Deutschland bleibt ein Abbruch unter bestimmten Voraussetzungen straffrei. Das Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch nützt Frauen jedoch nichts, wenn es nur auf dem Papier existiert", sagt Kerstin Celina, Landtagsabgeordnete der Grünen aus Würzburg.

"Es gibt kaum Praxen oder Kliniken, die Abbrüche vornehmen, die Wege sind zu weit und Wartezeiten oft viel zu lang", sagt Celina. Auf diesen Versorgungsengpass haben die Grünen auch in einer Anfrage an den bayerischen Landtag hingewiesen. Die Antwort war enttäuschend, so die Grünen-Abgeordnete.

"Die Staatsregierung kümmert sich nur darum, die Einhaltung der hohen Hürden für eine Arztpraxis, einen Schwangerschaftsabbruch durchführen zu dürfen, zu dokumentieren und zu verwalten. Aber ob die Frauen in Not hundert Kilometer weit fahren müssen und welche immensen Schwierigkeiten sie haben, einen Schwangerschaftsabbruch durchführen zu können, interessiert die Staatsregierung nicht", sagt Landtagsabgeordnete Celina.

"Ich glaube, dass diese Verweigerungshaltung in Bayern dazu führt oder führen wird, dass (noch) mehr ungewollt Schwangere ihre Schwangerschaft selbst medikamentös beenden, im besten Fall mit Videoanleitung", so die Grünen-Politikerin.

Wie funktioniert ein Schwangerschaftsabbruch per Videocall?

Bei einem telemedizinisch begleiteten, medikamentösen Schwangerschaftsabbruch können Frauen die Abtreibung bei sich zuhause durchführen. "Sie erhalten während des gesamten Prozesses fundierte Video- und Telefonberatung", so das Familienplanungszentrum Balance in Berlin, das diese Art der Schwangerschaftsabbrüche anbietet. Dabei würden alle rechtlichen Gegebenheiten berücksichtigt – wie bei einem Schwangerschaftsabbruch in einer Praxis oder Klinik.

"Für ungewollt schwangere Frauen bedeutet dies, selbst entscheiden zu können, wann, wo und mit wem sie den Abbruch durchführen möchte", sagt Frauenärztin Dr. Jana Maeffert vom Familienplanungszentrum Balance. "Wir begleiten zur Zeit etwa zwölf bis 16 Anfragen pro Monat. Etwa die Hälfte der Frauen kommt aus Bayern", sagt Maeffert.

"Wir klären sehr gut über mögliche Komplikationen auf und haben ein 24 Stunden Notfalltelefon. Falls der sehr unwahrscheinliche Fall von nicht aufhörenden Blutungen eintritt (etwa 1/1000), müssen die Frauen sich in einer Klinik vorstellen. Die Therapie ist dann nicht anders als bei einer spontanen Fehlgeburt."

Welche Kliniken in Unterfranken bieten Abtreibungen an?

In Deutschland bietet nur etwa die Hälfte der öffentlichen Kliniken mit gynäkologischer Station an, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen.

Die Frauenklinik der Uniklinik Würzburg führt Schwangerschaftsabbrüche durch, laut Pressestelle vor allem bei medizinischen Indikationen. Das Leopoldina-Krankenhaus in Schweinfurt führt Abbrüche nach medizinischer und kriminologischer Indikation durch, jedoch nicht nach einer Schwagerschaftskonfliktberatung. "Ein solcher Eingriff wird in unserem Haus nur sehr selten nachgefragt", sagt Klinik-Sprecher Veit Oertel.

Das Klinikum Würzburg Mitte führt gar keine Schwangerschaftsabbrüche durch. "Aufgrund unserer grundlegend christlich geprägten Ausrichtung bieten wir diese Eingriffe nicht an", sagt Sprecherin Daniela Kalb.

Wie viele Schwangerschaftsabbrüche gibt es in Deutschland und was sind die Gründe?

Im Jahr 2022 wurden deutschlandweit 103.927 Schwangerschaftsabbrüche gezählt, 12.406 davon in Bayern, so das Statistische Landesamt.

Die meisten Frauen, die sich an Pro-Familia wegen einer Beratung dazu wenden, seien zwischen Mitte 20 und Mitte 30 Jahre alt, die meisten hätten bereits Kinder, sagt eine Beraterin bei Pro-Familia in Würzburg. Als Gründe für einen Schwangerschaftsabbruch würden die Frauen häufig Existenzängste, finanzielle Sorgen, zu wenig Wohnraum oder Probleme mit der Kinderbetreuung nennen.

Was kostet ein Schwangerschaftsabbruch?

Zwischen 300 und 700 Euro kostet ein Schwangerschaftsabbruch in einer gynäkologischen Praxis. Die Kosten müssen die Frauen nach wie vor meist aus eigener Tasche bezahlen. Die Krankenkassen übernehmen nach Vergewaltigungen oder bei einer medizinischen Indikation sowie bei niedrigem oder geringem Einkommen die Kosten.

Kommt ein Eingriff bei fortgeschrittener Schwangerschaft vor, können die Kosten - je nach stationärem Aufenthalt - auf 1400 bis 2400 Euro steigen.

Der rechtliche Hintergrund

Ein Schwangerschaftsabbruch ist laut Paragraf 218 StGB in Deutschland strafbar. Er bleibt straffrei, wenn die ungewollt schwangere Frau einen Termin bei einer staatlich anerkannten Schwangerschaftsberatungsstelle wahrnimmt. Außerdem müssen zwischen der Beratung und dem Eingriff mindestens drei Tage liegen und der Abbruch muss innerhalb der ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft stattfinden. Bundesweit gibt es 1246 staatlich anerkannte Beratungsstellen, die den notwendigen Schein für eine Abtreibung ausstellen können. Der Schein ist die verpflichtende Bedingung für einen Abbruch nach §218a Absatz (1) im Strafgesetzbuch.
Quelle: clk
 
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  • Lisa Krüger
    Ich habe vor einigen Jahren in Würzburg einer Freundin bei der Suche nach einer Abtreibungsmöglichkeit geholfen. Sie hatte schon ein Kind und war vor der Trennung vom Ex schwanger geworden und wollte kein weiteres Kind mehr. Es war erschreckend, wie schwer es war, Hilfe zu finden. An der Uniklinik hätte sie 4 Wochen auf einen Termin warten müssen, "weil es ja kein Notfall ist". Bei ihr hatte schon die Übelkeit eingesetzt und noch war kein Herz im Ultraschall zu erkennen. Es wäre grausam gewesen für sie, warten zu müssen bis sie schon so weit gewesen wäre, dass der Bauch wächst usw.
    Am Ende fuhr sie mehrere Hundert km in eine Arztpraxis, die es ambulant gemacht hat. Bei einer anderen Klinik der Region wurde sie von einer Hebamme am Telefon ausgelacht, als sie nach einem schnelleren Termin gefragt hat. Es hat mein Vertrauen in unseren Staat und unser Gesundheitssystem erschüttert, das mitzubekommen.
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  • Christian Baier
    Keine Frau wird sich die Entscheidung zum Abbruch leicht machen. Wenn die Entscheidung, aus welchen Gründen auch immer getroffen ist, sollte auch vor Ort die Möglichkeit zum sicheren und kontrollierten Abbruch gegeben sein.
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