Sehr geehrter Herr Knoblach, vor knapp drei Wochen, drei Tage nach der Landtagswahl, stand auf der Titelseite unserer Zeitung groß gedruckt: „Wenn der Abgeordnete Traktor fährt“. Tags darauf, in der Redaktionskonferenz, zeigten sich einige Kollegen irritiert. War diese Überschrift doch fast feuilletonistisch, beinahe lyrisch und zumindest nicht gerade prosaisch. Wenig nachrichtlich jedenfalls, zu wenig sachlich-nüchtern vielleicht, für die große Titelgeschichte über die gerade gewählten 19 Volksvertreter aus Unterfranken.
Sagen wir so: Der Grund für die ungewöhnliche Überschrift – in der Unterzeile stand es dann ja auch – wird die Überraschung gewesen sein. Dass Sie, sehr geehrter Herr Knoblach, es als Biobauer und ziemlich aussichtsloser Listenkandidat in den Bayerischen Landtag geschafft hatten. Wobei das Überraschende ja nur sein konnte, dass Sie, der Schweinfurter Direktkandidat, von Listenplatz zwölf durch viele Zweitstimmen von außerhalb ganz weit nach oben gewählt worden waren und am Ende knapp vor Ihrem Aschaffenburger Grünen-Kollegen lagen. Die Tatsache, dass Sie diese Nachricht des Landeswahlleiters auf dem Traktor erreichte, als sie gerade die Dinkelaussaat vorbereiteten – eine nette Anekdote, mehr auch nicht.
Sie sind gelernter Mechaniker, ausgebildeter Krankenpfleger, arbeiteten 30 Jahre lang in der Psychiatrie. Seit 30 Jahren betreiben Sie den elterlichen Bauernhof. Und ab Montag haben Sie einen Sitz im Maximilianeum – als einer von 16.
Von 16 was, fragen Sie? Es ist ja immer interessant zu sehen, wie repräsentativ der Landtag wirklich ist. Das Geschlechterverhältnis verzerrt, weil nicht 50 Prozent Frauen wie in der Gesamtbevölkerung, sondern nur 27 Prozent weibliche Abgeordnete. Ausgewogenes Verhältnis, was die Herkunft aus (Groß-)Stadt oder Land betrifft. Unterrepräsentierte junge Menschen, weil 33 Prozent der Menschen im Freistaat unter 40 Jahre alt sind, von den neuen Abgeordneten aber nur 13 Prozent.
Und dann der erhellende Blick auf die Berufe: Mit 43 Abgeordneten beziehungsweise 21 Prozent die stärkste Berufsgruppe sind, wenig überraschend in der deutschen Politik, die Juristen. Dann kommen, quasi gleichauf mit den Lehrern, schon die Landwirte. In Bayern sind weniger als zwei Prozent der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft tätig. Im Landtag aber macht Ihre Gruppe der Land- und Forstwirte fast acht Prozent, also 16 Abgeordnete, aus. Das kann man doch mal überraschend stattliche Repräsentation nennen. Zumal der – so weit vorweggenommen – künftige stellvertretende Ministerpräsident ja studierter Agraringenieur mit kleinem Bauernhof in Niederbayern ist und des Traktorfahrens ganz sicher mächtig.
Was dann, wenn nicht verblüffend, dann doch bemerkenswert ist: Sie sind jetzt fünf Biobauern im Parlament. (In Klammer angemerkt: Nicht nur von Ihrer eigenen Partei, Biobauern kommen auch von CSU und AfD.)
Sehr geehrter Herr Knoblach, haben Sie Ihren freudigen Schrecken beim Anruf auf dem Acker schon „verarbeitet“? Sie waren zwar 18 Jahre lang Gemeinderat in Garstadt – aber in der CSU-Fraktion, ohne Mitglied zu sein. Bei den Grünen sind Sie erst seit Fukushima. Als Kartoffel- und Getreidebauer im Schatten der Kühltürme von Grafenrheinfeld, der sich dafür einsetzte, dass die Gemeinde auf ihren verpachteten Flächen kein Gentechnik-verändertes Saatgut duldet. Die Kollegen aus der Schweinfurter Redaktion erzählen, dass Sie schon immer bewegen, mitgestalten wollten, in kleinen und auch großen Dingen vor der Haustür.
Als Ihre Familie vor 25 Jahren auf ökologischen Landbau umstellte, da war das exotisch. Heute ist Ihr Engagement im Ökolandbauverband „Naturland“, auch als dessen Präsident, sicher mit ein Grund, dass Sie von Platz zwölf auf drei gewählt worden.
Sie kämpfen für Nahrungsmittel, die aus der Gegend kommen. Für Landwirtschaft ohne Gentechnik, ohne Mittel, die das Artensterben vorantreiben und das Trinkwasser belasten. Und gegen unsinnige Regulierungen für Ökobauern.
Apropos. Erinnern Sie sich, dass wir schon Kontakt hatten? „Wenn Bio doch nur besser wär'“ stand Mitte Februar, anlässlich der Biofach in Nürnberg, auf dieser Seite über dem Leitartikel. Am nächsten Tag schrieben Sie – erkennbar verärgert – an die Autorin, die unter anderem behauptet hatte, dass „Bio boomt – doch die Standards boomen leider nicht“. Sätze für Stammtische, meinten Sie. Lieber Herr Knoblach, wir hatten dann verabredet, uns über den ökologischen Landbau und seine Anstrengungen mal in Ruhe zu unterhalten. Holen wir es nach?
Aber erst einmal: Termine in München! Die Grünen, obwohl prozentualer Wahlsieger, regieren künftig ja nicht mit. Aber Opposition, um Franz Münteferings strapazierten Spruch doch noch einmal zu zitieren, ist ganz sicher nicht Mist. Wer wüsste das besser, als ein Landwirt. Alles Gute für die Arbeit im Parlament.
Mit besten Grüßen,
Alice Natter, Redakteurin
bei den sog. "Samtsagsbriefen" in der Main-Post gibt es sehr gute, gute, weniger gute und schlechte.
Ihr o.g. Samstagsbrief gehört m.E. zu den sehr guten; der Ihres Kollegen von der vergangenen Woche (über den FC Bayern) zu den schlechten.
Die Wahlsieger, die Grünen sitzen in der 2ten Reihe. Den Sessel im Maximilianeum könnte auch ein anderer warmhalten. Eine die nichts gelernt hat. C. Roth z.B.
Aber die hat ja schon ihr Austragsstüberl im Bundestag