Der Musiker und Fernsehmoderator ("Gipfeltreffen") Werner Schmidbauer, 60, ist eine der bekanntesten Figuren der Liedermacher und Songwriter-Szene. Nach Kooperationen mit Martin Kälberer und Pippo Pollina tritt er jetzt erstmals nach Jahrzehnten wieder ganz allein auf - nur er und seine Gitarre(n): am Sonntag, 14. August, etwa im Schlosshof Sommerhausen.
Werner Schmidbauer: Da geht es mir wie anderen Leuten auch. Es ist ein Wunschbild, und es heißt nicht, dass ich immer bei mir bin. Musikalisch gesehen, bedeutet "bei mir Sein" momentan, dass ich alleine spiele. Nach vielen, vielen Jahren etwa im Duo mit Martin Kälberer oder im Trio mit Pippo Pollina war es ein starkes Bedürfnis, endlich wieder bei mir zu bleiben und zu schauen, wie die Songs klingen, wenn sich nur ein Mann mit Gitarre hinstellt und spielt. Wie sich jetzt auf der Tour herausstellt, ist es tatsächlich ein Näherrücken zu mir selbst. Ich kann machen, was ich will, ich kann das Programm umstellen, was ich auch tue. Ich kann auf Wünsche aus dem Publikum eingehen. Aber man muss dabei eben ganz bei sich sein, sonst ist man nicht gut. Man hat keine Kollegen, auf die man die Verantwortung abwälzen kann.
Schmidbauer: Ich habe da nur eine ganz persönliche Antwort. Die letzten vier Jahre habe ich einen komplett neuen Weg für mich gefunden. Als ich 2018/19 gesundheitlich gar nicht gut drauf und von privaten Geschichten gebeutelt war, hat mir eine Freundin den Aufenthalt in einem Ashram in Indien empfohlen. Nicht in so einem Vier-Sterne-Hotel, sondern im Hinterland, wo man in einen wunderbar stillen Ablauf eingepflegt wird. Es gibt kein Internet und kein Fernsehen, dafür viel Yoga und Meditation. Da wird man nicht in Öl ertränkt wie bei ayurvedischen Kuren, sondern erstmal entleert. Das nennt sich Panchakarma-Reinigungskur. Es war wahnsinnig gut zu sehen, wie man den ganzen Müll loswerden kann, den man in fast 60 Jahren in sich hineingegessen, -getrunken oder -gedacht hat.
Schmidbauer: Das ist richtig, aber nur zum Teil. Es gibt die autobiografischen Themen, aber die aktuelle Situation geht auch an mir nicht vorbei. Ich gebe Statements dazu ab, obwohl ich nie einer dieser Liedermacher war, die Realpolitik betreiben. Das Lied "Zeit der Deppen" habe ich 2001 geschrieben, als George W. Bush zum Präsidenten der USA gewählt wurde. Damals war der Schrei nach nationalistischen Männern sehr laut, aber ich dachte, das hört wieder auf, und das Lied ist nach zwei, drei Jahren durch. Da habe ich mich sauber verschätzt, siehe Trump und so weiter. Ich spiele das – inzwischen umgedichtete – Stück auf der Tour. Und eins, das auf die Pandemie Bezug nimmt: "Wo bleibt die Musik?" Aber auch bei diesen Themen bleibe ich bei mir und schaue, was sie mit mir und den Menschen um mich rum machen. Wir sind ja sehr verunsichert, und wie könnte es auch anders sein?
Schmidbauer: Da sprechen sie etwas an, das mich total umtreibt. Wir sind als Menschheit – und das gilt ausdrücklich auch für mich – zu vergesslich und zu bequem, um bestimmte Dinge nicht mehr zu tun, von denen wir erkannt haben, dass sie schädlich sind. Bei manchen Leuten hat man sogar den Eindruck, dass sich ihre Genussorientiertheit noch verstärkt hat. Dass man noch mehr in der Welt herumfliegt. Historiker sagen, dass wir natürlich aus der Geschichte nichts lernen. Wir hier hatten halt das Glück, dass wir 60 oder mehr Jahre ohne Krieg erlebt haben. Wir hatten einen Mordsdusel, dass man nach dem Zweiten Weltkrieg einen Moment der Vernunft hatte und diese Verfassung gemacht hat. Aber mittlerweile müssen sich die Demokratien mit Händen und Füßen wehren, um noch anerkannt zu werden.
Schmidbauer: Ich denke schon. Viele Leute glauben, ich könnte gar nicht streiten oder unfair sein, weil ich so ein Menschenmöger bin. Das bin ich auch, aber wer näher an mich rankommt, merkt schon, dass ich auch hart sein kann, teilweise ungerecht. Oft, ohne es zu wollen. Ich glaube schon, dass es ähnlich ist wie in der Natur: Dass der Mikrokosmos den Makrokosmos vorgibt. Solange wir in uns selber keinen Frieden schließen können, solange wir mit Vorurteilen an unsere nächsten Nachbarn rangehen und nicht aufhören können, dauernd zu urteilen und zu verurteilen, werden wir den großen Frieden auch nicht schaffen.
Schmidbauer: Unterschiedlich. Das Lied "Dei Liacht" beschreibt den Verlust meines Vaters, den ich furchtbar gern hatte. Er ist in den Bergen abgestürzt, da war ich erst 25. Am Anfang habe ich mit Fassungslosigkeit reagiert, und ich glaube, ich habe das immer noch nicht ganz verarbeitet, obwohl ich heute mit großer Zuwendung und einem Lächeln an meinen Vater denken kann. Als ich vor zehn Jahren meine Mutter verlor, war das anders. Da konnte ich über längere Zeit Abschied nehmen und meinen Frieden schließen. Sie war an Demenz erkrankt, und das hat sich über lange Zeit gezogen. Ich merke, dass ich dem Tod im Älterwerden mit größerer Versöhnlichkeit begegne. Auch, weil ja das eigene Maßband kürzer wird. Ich versuche, ihn zu verstehen als Teil des natürlichen Kreislaufs. Würden wir nicht sterben, wäre das ganz fürchterlich. Die Welt wäre überfüllt mit uralten Menschen und den ganzen Verbrechern und Völkermördern. Der Reiz ist schon auch das Vergehen und das Werden in der Welt.