zurück
Sommerhausen
Werner Schmidbauer kommt nach Sommerhausen: Der Liedermacher über den Frieden in der Welt und mit sich selbst
Der Titel seiner aktuellen Tour meint zunächst das musikalische Konzept: Werner Schmidbauer tritt ganz allein auf. Aber "Bei mir" bedeutet noch viel mehr.
Nach Jahrzehnten der Kooperationen mit anderen Musikern tritt Werner Schmidbauer wieder ganz allein auf.
Foto: Werner Schmidbauer | Nach Jahrzehnten der Kooperationen mit anderen Musikern tritt Werner Schmidbauer wieder ganz allein auf.
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 09.02.2024 04:32 Uhr

Der Musiker und Fernsehmoderator ("Gipfeltreffen") Werner Schmidbauer, 60, ist eine der bekanntesten Figuren der Liedermacher und Songwriter-Szene. Nach Kooperationen mit Martin Kälberer und Pippo Pollina tritt er jetzt erstmals nach Jahrzehnten wieder ganz allein auf - nur er und seine Gitarre(n): am Sonntag, 14. August, etwa im Schlosshof Sommerhausen.

Ihr Programm heißt "Bei mir" – bei sich zu sein, ist der Wunsch vieler Menschen, nur wenige schaffen es. Was ist Ihr Rezept?

Werner Schmidbauer: Da geht es mir wie anderen Leuten  auch. Es ist ein Wunschbild, und es heißt nicht, dass ich immer bei mir bin. Musikalisch gesehen, bedeutet "bei mir Sein" momentan, dass ich alleine spiele. Nach vielen, vielen Jahren etwa im Duo mit Martin Kälberer oder im Trio mit Pippo Pollina war es ein starkes Bedürfnis, endlich wieder bei mir zu bleiben und zu schauen, wie die Songs klingen, wenn sich nur ein Mann mit Gitarre hinstellt und spielt. Wie sich jetzt auf der Tour herausstellt, ist es tatsächlich ein Näherrücken zu mir selbst. Ich kann machen, was ich will, ich kann das Programm umstellen, was ich auch tue. Ich kann auf Wünsche aus dem Publikum eingehen. Aber man muss dabei eben ganz bei sich sein, sonst ist man nicht gut. Man hat keine Kollegen, auf die man die Verantwortung abwälzen kann.

Zuletzt spielten sie vor Zehntausenden: Werner Schmidbauer, Pippo Pollina und Martin Kälberer. Nun ist Schmidbauer ganz allein auf Tour.
Foto: Valentin Schmidbauer | Zuletzt spielten sie vor Zehntausenden: Werner Schmidbauer, Pippo Pollina und Martin Kälberer. Nun ist Schmidbauer ganz allein auf Tour.
Nun haben Sie ein künstlerisches Medium, das hilft. Was würden Sie den Menschen raten, die ob des Getöses der Welt Probleme haben, zu sich zu kommen?

Schmidbauer: Ich habe da nur eine ganz persönliche Antwort. Die letzten vier Jahre habe ich einen komplett neuen Weg für mich gefunden. Als ich 2018/19 gesundheitlich gar nicht gut drauf und von privaten Geschichten gebeutelt war, hat mir eine Freundin den Aufenthalt in einem Ashram in Indien empfohlen. Nicht in so einem Vier-Sterne-Hotel, sondern im Hinterland, wo man in einen wunderbar stillen Ablauf eingepflegt wird. Es gibt kein Internet und kein Fernsehen, dafür viel Yoga und Meditation. Da wird man nicht in Öl ertränkt wie bei ayurvedischen Kuren, sondern erstmal entleert. Das nennt sich Panchakarma-Reinigungskur. Es war wahnsinnig gut zu sehen, wie man den ganzen Müll loswerden kann, den man in fast 60 Jahren in sich hineingegessen, -getrunken oder -gedacht hat.

"Mittlerweile müssen sich die Demokratien mit Händen und Füßen wehren, um noch anerkannt zu werden."
Werner Schmidbauer
Als Gesellschaft wälzen wir zurzeit die ganz, ganz großen Probleme von Klimawandel bis Krieg. Ihre Texte scheinen eine Art Gegenkonzept zu sein, sie handeln oft von ganz privaten, flüchtigen Momenten. Suchen Sie die große Lösung im Kleinen?

Schmidbauer: Das ist richtig, aber nur zum Teil. Es gibt die autobiografischen Themen, aber die aktuelle Situation geht auch an mir nicht vorbei. Ich gebe Statements dazu ab, obwohl ich nie einer dieser Liedermacher war, die Realpolitik betreiben. Das Lied "Zeit der Deppen" habe ich 2001 geschrieben, als George W. Bush zum Präsidenten der USA gewählt wurde. Damals war der Schrei nach nationalistischen Männern sehr laut, aber ich dachte, das hört wieder auf, und das Lied ist nach zwei, drei Jahren durch. Da habe ich mich sauber verschätzt, siehe Trump und so weiter. Ich spiele das – inzwischen umgedichtete – Stück auf der Tour. Und eins, das auf die Pandemie Bezug nimmt: "Wo bleibt die Musik?" Aber auch bei diesen Themen bleibe ich bei mir und schaue, was sie mit mir und den Menschen um mich rum machen. Wir sind ja sehr verunsichert, und wie könnte es auch anders sein?

Werner Schmidbauer 2018 bei den Frankenfestspielen Röttingen
Foto: Gerhard Meißner | Werner Schmidbauer 2018 bei den Frankenfestspielen Röttingen
Auf "Zeit der Deppen" hätte ich Sie auch angesprochen. Ist es nicht gruselig zu sehen, dass wir offenbar keinen Schritt weiterkommen, im Gegenteil?

Schmidbauer: Da sprechen sie etwas an, das mich total umtreibt. Wir sind als Menschheit – und das gilt ausdrücklich auch für mich – zu vergesslich und zu bequem, um bestimmte Dinge nicht mehr zu tun, von denen wir erkannt haben, dass sie schädlich sind. Bei manchen Leuten hat man sogar den Eindruck, dass sich ihre Genussorientiertheit noch verstärkt hat. Dass man noch mehr in der Welt herumfliegt. Historiker sagen, dass wir natürlich aus der Geschichte nichts lernen. Wir hier hatten halt das Glück, dass wir 60 oder mehr Jahre ohne Krieg erlebt haben. Wir hatten einen Mordsdusel, dass man nach dem Zweiten Weltkrieg einen Moment der Vernunft hatte und diese Verfassung gemacht hat. Aber mittlerweile müssen sich die Demokratien mit Händen und Füßen wehren, um noch anerkannt zu werden.

"Solange wir in uns selber keinen Frieden schließen können, werden wir den großen Frieden auch nicht schaffen."
Werner Schmidbauer
Im Lied "Oans" geht es – grob verallgemeinert – um die Schwierigkeit von Beziehungen. Müssen wir erst lernen, besser mit unseren Differenzen von Mensch zu Mensch umzugehen, bevor wir uns zutrauen, gleich globale Lösungen zu finden?

Schmidbauer: Ich denke schon. Viele Leute glauben, ich könnte gar nicht streiten oder unfair sein, weil ich so ein Menschenmöger bin. Das bin ich auch, aber wer näher an mich rankommt, merkt schon, dass ich auch hart sein kann, teilweise ungerecht. Oft, ohne es zu wollen. Ich glaube schon, dass es ähnlich ist wie in der Natur: Dass der Mikrokosmos den Makrokosmos vorgibt. Solange wir in uns selber keinen Frieden schließen können, solange wir mit Vorurteilen an unsere nächsten Nachbarn rangehen und nicht aufhören können, dauernd zu urteilen und zu verurteilen, werden wir den großen Frieden auch nicht schaffen.

Als Fernsehmoderator besteigt Werner Schmidbauer für die Sendung 'Gipfeltreffen' mit Prominenten Hügel oder Berge. 2008 machte er sich mit Frank-Markus Barwasser auf den Weg.
Foto: Ursula Stolle, Bayerischer Rundfunk | Als Fernsehmoderator besteigt Werner Schmidbauer für die Sendung "Gipfeltreffen" mit Prominenten Hügel oder Berge. 2008 machte er sich mit Frank-Markus Barwasser auf den Weg.
In "Dei Liacht" geht es um Verlust. Ich bin 58, Sie sind 60, da hat man in der Regel schon einige liebe Menschen verloren. Wie gehen Sie mit Verlust um?

Schmidbauer: Unterschiedlich. Das Lied "Dei Liacht" beschreibt den Verlust meines Vaters, den ich furchtbar gern hatte. Er ist in den Bergen abgestürzt, da war ich erst 25. Am Anfang habe ich mit Fassungslosigkeit reagiert, und ich glaube, ich habe das immer noch nicht ganz verarbeitet, obwohl ich heute mit großer Zuwendung und einem Lächeln an meinen Vater denken kann. Als ich vor zehn Jahren meine Mutter verlor, war das anders. Da konnte ich über längere Zeit Abschied nehmen und meinen Frieden schließen. Sie war an Demenz erkrankt, und das hat sich über lange Zeit gezogen. Ich merke, dass ich dem Tod im Älterwerden mit größerer Versöhnlichkeit begegne. Auch, weil ja das eigene Maßband kürzer wird. Ich versuche, ihn zu verstehen als Teil des natürlichen Kreislaufs. Würden wir nicht sterben, wäre das ganz fürchterlich. Die Welt wäre überfüllt mit uralten Menschen und den ganzen Verbrechern und Völkermördern. Der Reiz ist schon auch das Vergehen und das Werden in der Welt.

Konzerte im Schlosshof Sommerhausen

Freitag, 12. August: Sahnemmixx - Udo-Jürgens-Show. Seit 18 Jahren ist die neunköpfige Band Sahnemixx mit ihrer Udo-Jürgens-Show und Sänger Hubby Scherhag unterwegs - vom Vorbild höchstpersönlich anerkannt, so der Veranstalter. „Merci, Chérie“ oder „Ich war noch niemals in New York“: Für viele Menschen gehören diese Lieder zum Soundtrack ihres Lebens. 
Samstag, 13. August: Les Brünettes. Les Brünettes,  das sind Juliette Brousset, Stephanie Neigel, Julia Pellegrini und Lisa Herbolzheimer. Das A-Cappella-Quartett schreibt seine Arrangements und Songs selbst. Funk und House treffen Rap und Chanson, Soul und Pop. Dazu kommen Beatboxing und Bodypercussion.
Sonntag, 14. August: Werner Schmidbauer. Solo-Tour „Bei mir“
Karten und Zeiten: Karten zwischen 31,90 und 42,90 Euro unter www.kulturereignisse.com - Beginn 20.30 Uhr Einlass ab 19 Uhr.
ArtCon, maw
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Sommerhausen
Mathias Wiedemann
Frieden und Friedenspolitik
George W. Bush
Kultur in Unterfranken
Lied als Musikgattung
Liedermacher und Singer-Songwriter
Pippo Pollina
Sänger
Zweiter Weltkrieg (1939-1945)
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen