„Sie werden jetzt eine Oper hören. Weil diese Oper so prunkvoll gedacht war, wie nur Bettler sie erträumen, und weil sie so billig sein sollte, dass Bettler sie bezahlen können, heißt sie ,Die Dreigroschenoper‘“. So Bertolt Brecht, der den Text zu dem „Stück mit Musik in einem Vorspiel“ geschrieben hat, zu dem Kurt Weill Musik und Songs lieferte, die heute längst Welthits sind.
Am 31. August 1928 wird die „Dreigroschenoper“ im Theater am Schiffbauerdamm in Berlin uraufgeführt. Sie ist kein durchkomponiertes Werk, sondern persifliert und seziert die bürgerliche Gesellschaft. Bei der Eröffnung der Frankenfestspiele in Röttingen geht sie folgerichtig wie eine Nummernrevue über die Bühne, gestaltet von einer guten Handvoll von Akteuren, die variabel und gekonnt das gesamte Personal der Vorlage abdecken.
Eine Raclette für Polly
Die sieben sind je nach Bedarf Bettler, Polizisten, Huren, Gauner und Verbrecher, bewegen sich zwischen Müllsäcken voller Altkleider (Bühne und Kostüme: Charlotte Labenz) und geben ihren Senf zur damaligen oder heutigen gesellschaftspolitischen Lage mittels auf Pappe großgeschriebenen Schlagworten dazu: „Lügenpresse“ oder „Todesstrafe“.
- Neuer Schwung für die Frankenfestspiele
- Knut Weber, der Intendant, im Gespräch
- Ein Blick in die Werkstatt
- Weitere Eindrücke rund um die Premiere
Ein Vorhang mit der Aufschrift „Erst kommt das Fressen…“ teilt die Bühne diagonal, auf der die wie Gothics gekleideten Darsteller temperamentvoll und mit viel Lust am Spiel handeln. Das ist Trash in Reinkultur, den Regisseur Donald Berkenhoff in spannende Szenen einbaut und sorgfältig durchchoreografiert.
Im Haifischbecken der Unterwelt
Berkenhoff lässt das Team sowohl als Ensemble als auch solistisch charakterstark und stimmgewaltig auftreten und mischt humorige Momente unter. So bekommt Polly (facettenreich: Andrea Frohn) zur Hochzeit „das schönste Raclette der Welt“ von Polizeichef Tiger Brown (Mirko Böttcher im Sheriff-Kostüm).
Mit dem Barbarasong „Ja, da kann man sich doch nicht bloß hinlegen, ja, da muss man kalt und herzlos sein“ zementiert die Braut ihre Weltanschauung, während ihre Mutter Mrs. Peachum im Hintergrund an Flasche und Stange hängt.
Die Ereignisse spielen zur viktorianischen Zeit im Haifischbecken der Londoner Unterwelt. Dort stehen sich Bettlerkönig Peachum, Chef der Firma „Bettlers Freund“, und Macheath, genannt Mackie Messer, konkurrierend gegenüber.
Ballade vom angenehmen Leben
Als Polly, die Tochter der Peachums, Mackie Messer heiratet, beginnt ein erbittertes Spiel, vollgepackt mit Hetze, Verrat und Leidenschaft, in der Max Gertsch als Mac- heath eine akrobatische Leistung vollbringt, während er neben seiner Nebenfrau Lucy (intensiv: Frederike Faust) in der Ballade vom angenehmen Leben in körperlicher Fitness und einer breiten Palette an schauspielerischem Können aufgeht.
Zu den Highlights dieser Aufführung gehören die Szenen der vom Alkohol durchtränkten Susanne Shell in der Rolle der trotz Suffs fürsorglichen Mutter Mrs. Peachum. Jeff Zach trägt Vater Peachums Ballade von der „Unzulänglichkeit menschlichen Strebens“ ebenso intensiv und berührend vor wie Ernst Matthias Friedrich (der auch den einen Platz im Bettlerkomplott suchenden Fitch gibt) in der Rolle der Seeräuberjenny den Traum vom Schiff mit sieben Segeln.
Er/sie wird nicht von einem Orchester, sondern – wie alle anderen auch – solistisch leider nur vom Klavier begleitet, das Walter Lochmann allerdings souverän zu spielen weiß.
Weitere Aufführungen bis 13. August. Karten in den Geschäftsstellen dieser Zeitung in Würzburg, Schweinfurt und Kitzingen und unter Tel. (09 31) 60 01 60 00. Weitere Infos: www.frankenfestspiele.de