Wenn Theater prophetisch sein kann, dann war es Veit Relins Torturmtheater Sommerhausen im Jahr 1986: Damals lief dort "Die Maschine wächst". In dem Stück des ZDF-Redakteurs Werner Schrader übernimmt eine Maschine nach und nach immer mehr Aufgaben – vom Kochen über den Haushalt bis hin zur Beziehungspflege. Nacht für Nacht verarbeitet sie das tagsüber Gelernte und baut sich selbst ein Stück weiter aus, bis auf der Bühne für niemand anderen mehr Platz mehr ist. Und als die Menschen sich endlich dazu durchringen, sie abzuschalten, hat sie den Abschaltknopf abgeschafft.
Da wirkt Philipp Löhles ("Wir sind keine Barbaren") Farce "Die Mitwisser", die in der aktuellen Saison vom 8. August bis 5. Oktober laufen wird, wie die logische – und hoffentlich nicht allzu prophetische – Fortsetzung: Die Menschen haben Kwants erfunden, elektronische Diener in Menschengestalt, die sich so rasant vermehren wie die Besen in Goethes "Zauberlehrling". Löhle persifliert das Leben in Zeiten von Siri und Alexa, die Menschen unterwerfen sich den Kwants, werden allmählich zu deren Dienern und machen sich schließlich selbst überflüssig – zumindest in den Augen ihrer Arbeitgeber.
Wer im Torturmtheater spielt, ist zwei Monate weg aus den Metropolen
Für Darsteller, die den allgegenwärtigen Vorläufern der Kwants in der Großstadt für ein Weilchen entkommen wollen, ist das beschauliche Sommerhausen übrigens kein schlechter Rückzugsort. Allerdings: Wer im Torturmtheater spielt, ist in der Regel für zwei Monate weg aus den Metropolen und kann keine Synchron-Jobs oder Drehtage annehmen. Es ist deshalb nicht immer ganz leicht, die Besetzungen für die Stücke zusammenzubekommen, erzählt Theaterchefin Angelika Relin: "Und wer fünf Mal ein Angebot absagen muss, der ist irgendwann raus."
Abgesehen davon, dass im Grunde jeder klammheimlich immer auf den Anruf aus Hollywood warte. "Aber, wenn sie dann mal da sind, sind sie schon glücklich." Und es hat ja bestimmt auch etwas Erholsames, die Mail-Korrespondenz mit dem Laptop auf dem Schoß auf der Bank vor dem Theater zu erledigen, weil es in der einen oder anderen Wohnung kein WLAN gibt.
Mit der Auslastung der Stücke ist Angelika Relin durchaus zufrieden, auch wenn in der vergangenen Spielzeit erst ein allzu heißer Sommer und dann ein nasskalter Winter das Publikum eher in die Biergärten gelockt beziehungsweise vom Ausgehen abgehalten hat. Aber das sind saisonale Schwankungen - grundsätzlich kann sich die Theaterchefin auf ein Stammpublikum aus dem gesamten deutschsprachigen Raum verlassen, das seine Plätze oft lange im Vorhinein reserviere, ohne zu wissen, was genau geboten werde.
"Man muss sich heute schon mehr dahinterklemmen und mehr Werbung machen"
"Aber es wird natürlich auch für uns nicht leichter. Man muss sich heute schon mehr dahinterklemmen und mehr Werbung machen." Analysen aber, warum ein Wochentag besser laufe als ein anderer, ein Stück besser als ein anderes, hält sie für müßig: "Es gibt nur die Flucht nach vorne. Gut sein und den Leuten was bieten."
Theater gespielt wird heuer – nach dem Eröffnungsabend "Wunderdüdn" mit Fitzgerald Kusz und Klaus Brandl am 23. März – ab 3. April. Bis 25. Mai läuft "Bilder deiner großen Liebe", die Dramatisierung eines hinterlassenen Romanfragments von Wolfgang Herrndorf. Es ist die Fortsetzung von "Tschick" aus der Sicht von Isa, die aus der Psychiatrie flieht und sich auf Wanderschaft begibt. In "Bilder deiner großen Liebe" verarbeitet Herrndorf die Auswirkungen seines Gehirntumors und die Nähe zum Tod. "Davor muss man sich nicht fürchten", sagt Relin, "es gibt eine Menge Situationskomik, aber auch eine große Schönheit der Ernsthaftigkeit." Unter der Regie von Eos Schopohl spielt die 1985 geborene Isabel Kott (die sich allerdings Isi nennen lässt und nicht Isa) aus München.
Das Schicksal herausfordern, geht immer schief. Das müsste man eigentlich wissen
Von 30. Mai bis 3. August läuft die Komödie "LIEBEN. feministisch" von Samantha Ellis. Es ist die Geschichte einer holprigen Beziehung: Er ist Feminist, sie steht auf Machos. Ihn hat die Mutter erzogen, sie der Vater. Die beiden heiraten, und natürlich geht es schief. Aber es geht auch nicht ohne einander. Zwei Darsteller spielen das Sechs-Personen-Stück über . Angelika Relin kündigt eine sportliche Inszenierung an: "Das gibt es eine Menge rasantester Wechsel."
Mit der französischen Komödie "Alles, was Sie wollen" von Matthieu Delaporte und Alexandre de la Patellière ("Der Vorname") klingt vom 10. Oktober bis 22. Dezember die Spielzeit aus. Lucie, eine erfolgreiche Dramatikerin, leidet unter einer Schreibblockade, weil sie zu glücklich ist. Thomas, Nachbar von unten, alleinerziehender Vater, möchte helfen. Aber was tun? Kann man vorsätzlich unglücklich werden? Die "Lösung": Umstände herbeiführen, in denen dramatische Dinge passieren, über die man dann wieder schreiben kann. Zum Beispiel dem Ehemann (und Schuldigen für das unproduktive Glücklichsein) einen Seitensprung vortäuschen. Aber, das müsste Lucie als Dramatikerin eigentlich wissen, es geht immer schief, wenn man das Schicksal herausfordert. Und das tut es dann auch in diesem Fall...
Kasse und Telefon sind von Dienstag bis Samstag ab 16 Uhr besetzt. Tel. (09333) 268. Gespielt wird Dienstag bis Freitag, 20 Uhr, am Samstag 16.30 und 19 Uhr. Mail: kartenbestellung@torturmtheater.de