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SOMMERHAUSEN
Torturmtheater: Tiefschwarzer Blick in den Spiegel
Noch ist die Welt in Ordnung – schließlich sind wir keine Barbaren. Davon sind Mario (Norbert Ortner), Barbara (Michaela Weingartner), Linda (Katharina Friedl) und Paul (Martin Herse) überzeugt.
Foto: Angelika relin | Noch ist die Welt in Ordnung – schließlich sind wir keine Barbaren. Davon sind Mario (Norbert Ortner), Barbara (Michaela Weingartner), Linda (Katharina Friedl) und Paul (Martin Herse) überzeugt.
Ursula Düring
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:12 Uhr

Linda und Paul sind neben Barbara und Mario eingezogen. Die beiden Paare, Protagonisten in Philipp Löhles Stück „Wir sind keine Barbaren“, bekommen nach 90 prallen Minuten langanhaltenden Applaus von den Premierenbesuchern des Torturmtheaters.

Auf der schwarzen Bühne stehen vier Stühle und zwei Stellwände. In dieser kargen Kulisse kann sich Alltagsleben breitmachen. Mittelstand aus dem Bilderbuch, den ein zwischengeschalteter Chor immer dann haarscharf kommentiert, wenn die heile Welt aus den Fugen gerät. Dazu wechselt das Schauspieler-Quartett fix die Rollen, skandiert Sprüche wie „Die Abgründe in unserm Inneren sind tief, unheimlich konservativ.“

Doch zunächst geht es allen gut. Köchin Barbara hat sich auf vegane Speisen spezialisiert, ihr Ehemann Mario kreiert als Sound-Designer Motorengebrumm für Elektroautos, während Fitnesstrainerin Linda und ihr prollig-lauter Mann Paul die Nachbarwohnung mit hörbarem Liebesspiel einweihen. Prosecco, Rosé oder Wasser aus der Leitung? Das erste Treffen der neuen Nachbarn plätschert zwischen Smalltalk und banalem Weltanschauungsgeschwätz dahin. Grün sind sie sich nicht, aber die Fassade hält – noch.

Wer hat Angst vorm schwarzen Mann? Diese Frage stellt sich, nachdem eines Nachts ein Fremder an die Tür klopft. Ein Flüchtling. Schwarz, braun oder schlitzäugig? Man kann sich nicht einigen, steht unter Schock. Empörung und Gedankengut der Gutmenschen fliegen hin und her, Ängste schüren Hysterie und Vorurteile, Klischees, kultivierte Boshaftigkeiten und verschüttete Bedürfnisse keimen auf. Im Wechselbad verlogener Menschlichkeit gehen schließlich alle baden.

Was ist das nun eigentlich, was da spannungsgeladen abgeht? Kammerspiel mit Kabarett-Einsprengseln, Krimi oder Gesellschaftssatire? Komödiantisches Lehrstück oder tiefschwarzer Blick in den Spiegel? Oder dramatische Aufarbeitung von Zeitgeschichte? Auf jeden Fall ein starkes Stück. Stark inszeniert von Ercan Karacayli, stark gespielt von Michaela Weingartner (Barbara), Norbert Ortner (Mario), Katharina Friedl (Linda) und Martin Herse (Paul).

Die Leichtigkeit der pointierten Dialoge, die immer wieder für entspanntes Lachen sorgen, Spielfreude und Verve des Ensembles, das dann, wenn dem Zuschauer das Lachen im Halse steckenbleibt, eine neue Schattierung, eine überraschende Wendung aus der Trickkiste holt, bereiten ein ernstes Thema unterhaltsam auf.

Das Stück läuft bis 1. Oktober, Di.–Fr. 20 Uhr, Sa. 16.30 und 19 Uhr. Karten: kartenbestellung@torturmtheater.de

 
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