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Oberdürrbach
Tanzstück "Chaplin!" im Mainfranken Theater: Vertragen sich Slapstick und Ernsthaftigkeit?
Erst mit Stille, dann mit tosendem Applaus reagierte das Publikum auf die Annäherung an die Stummfilm-Ikone bei der Premiere in Würzburg. Was das Stück besonders macht.
Mit Stock, Melone und Frack wurde Charlie Chaplin zur Ikone des Stummfilms. Auf der Bühne des Mainfranken Theaters tanz eine ganze Schar seiner weltberühmten Figur des Tramps.
Foto: Thomas Obermeier | Mit Stock, Melone und Frack wurde Charlie Chaplin zur Ikone des Stummfilms. Auf der Bühne des Mainfranken Theaters tanz eine ganze Schar seiner weltberühmten Figur des Tramps.
Elke Tober-Vogt
 |  aktualisiert: 17.05.2023 02:34 Uhr

Potenzial für einen "Straßenfeger" hatte Intendant Markus Trabusch für die Tanzproduktion "Chaplin!" vorhergesagt. Damit hatte er recht. Mit überbordender Fantasie und Kreativität, dazu natürlich großem tänzerischen Einsatz und Vermögen, näherten sich Ballettdirektorin Dominique Dumais und die Tanzcompagnie des Mainfranken Theaters in Würzburg der Person und dem Geist Charlie Chaplins (1889–1977). Dumais‘ Choreografie und Inszenierung lieferten in der Theaterfabrik Blaue Halle eine bilderbuchartige, höchst unterhaltsame Interpretation des künstlerischen Phänomens Chaplin. Der Weltstar des Kinos bot hierfür jede Menge Ansatzpunkte.

Ein Himmel voller Wolken, an dem Hut-Melonen schweben, davor eine Schar von Tramps mit den typischen Spazierstöcken, eine kleine Treppe hinauf zu einer bühnenbreiten Rampe, eine schiefe Ebene als Rutschbahn wieder hinab: Mit einer quicklebendig erfrischend getanzten Nummer taucht man ein ins Universum von Chaplin, gerät in den Strudel zwischen Slapstick und Tragik, Komödie und großer Ernsthaftigkeit. Die Stöcke fliegen perfekt abgestimmt hin und her – ein erster Ausdruck für Chaplins Perfektion und Detailverliebtheit, die sich durch den gesamten Abend ziehen.

Zauberhafte Momente und ästhetische Bilder zu Beethoven

Bühne und Kostüme (Verena Hemmerlein), dazu das Lichtdesign (Ingo Jooß) lassen viel Raum für eigene Fantasien und Gedanken. Die zeitliche Brücke schlagen in Farbe gekleidete Menschen unserer Zeit. Doch natürlich haben die Tramps das schwarz-weiße Chaplin-Outfit an. Stummfilmartig werden Titel eingeblendet. Jede Menge bedrückend realer, aber auch ganz zauberhafter Momente und ästhetischer Bilder entstehen: Zu Beethovens langsamem Satz aus dem Klavierkonzert Nr. 3 wird vor tiefblauem Hintergrund aus dem Spiel mit einem überdimensionalen Luftballon eines mit dem Universum.

Bunte Kostüme bilden den Kontrast zu schwarz-weißen Welt von Chaplin.
Foto: Thomas Obermeier | Bunte Kostüme bilden den Kontrast zu schwarz-weißen Welt von Chaplin.

In die märchenhaft diffuse Atmosphäre des Adagio assai aus Ravels Klavierkonzert G-Dur betten das Philharmonische Orchester und Solo-Pianistin Silvia Vassallo Paleologo die profane Handlung des winterlichen Straßenkehrens. Das Tanzensemble taucht mit dem Presto aus der Darstellung von Kraftlosigkeit und Verzweiflung hinüber in rasante, energiegeladene Formationen.

Dirigent Enrico Calesso tritt als Sänger auf

Das Orchester widmet sich stilsicher der stimmigen Musikauswahl: Werke von Rota, Ligeti, Vrebalov, Olafs, Purcell, Tschaikovsky (Cello-Solo: Deanna Talens) und Enescu ergänzen Filmmusiken von Charlie Chaplin selbst.

Dann der ganz besondere Auftritt von Dirigent Enrico Calesso: Der "Nonsens Song" von Charlie Chaplin aus dem Film "Modern Times" gibt ihm die Chance, sich auch mal als Sänger zu präsentieren. Für seine fröhlich-herzhafte Authentizität erhält er reichlich Applaus!

Nicht nur Menschen, auch Brötchen tanzen auf der Bühne des Mainfranken Theaters.
Foto: Thomas Obermeier | Nicht nur Menschen, auch Brötchen tanzen auf der Bühne des Mainfranken Theaters.

Regieeinfälle wie das Spiel mit Brötchen-Schuhen, Türenkomödie, luftleichter Federflug, dann ein Trauermarsch bereiten den Boden für eine Szene, die unter die Haut geht: Mit der Choreografie zur Zuspielung "Die große Rede" (Film: Der große Diktator) liefert das Ensemble ein eindrucksvolles Statement von zeitloser Aktualität. Seelenvergiftung, Barbarei, Soldaten als Kanonenfutter, aber auch Menschlichkeit, der Kampf um Freiheit und eine bessere Welt werden zum Thema. Totenstille herrscht im Saal, bevor Applaus gewagt wird.

Ballettdirektorin Dumais hatte sich zum Ziel gesetzt, mit ihrem Tanzensemble die Körperlichkeit von Charlie Chaplin zur Weiterentwicklung des eigenen Bewegungsmaterials zu nutzen. Das ist ihr ebenso grandios gelungen wie die Verneigung vor Charlie Chaplin durch die Inszenierung eines begeisternden Abends. Das Publikum feierte alle Beteiligten minutenlang mit stürmischem Applaus im Stehen.

Weitere Termine: 23. April, 28. April, 7. Mai und 14. Mai. Karten unter: www.mainfrankentheater.de

 
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