Endlich wieder feiern. Zwei Jahre ging nichts auf dem Nürnberger Zeppelinfeld - Corona hatte auch Rock im Park und das Zwillingsfestival Rock am Ring lahmgelegt. Pfingsten 2022 ist die Wiedergeburt: Die beiden Veranstaltungen sind die ersten Massen-Events in Deutschland nach dem zweiten Pandemie-Winter: 90.000 kommen in die Eifel, 75.000 Fans sind in Franken da, hören Volbeat, Greenday, Muse, die Broilers, die Beatsteaks, Marteria und, ja, die gibt's auch noch, Scooter. Vor allem aber sind sie da für eine große Party.
Einschränkungen adé, heißt es auf dem Zeppelinfeld. Die Rockfans sind zurück und feiern, als wäre nichts gewesen. Keine Impf-Kontrollen, keine Tests – und es trägt auch keiner eine Maske. "Kein Mensch will eine Krankheit an andere weitergeben", sagt etwa der 37-Jährige Felix Müller aus Forchheim. "Aber mal ehrlich: Der Mensch ist nicht für die Isolation geboren. Ich gehe schon 20 Jahre auf Rock im Park, die zwei Jahre Pause waren schlimm. Dafür geht es jetzt richtig los: Ich liebe Livemusik, habe viele Karten zu Hause liegen von Konzerten die ausgefallen sind und nachgeholt werden. Das Leben ist zurück!"
Der Besuch ist kein billiges Vergnügen: 259 Euro hat das Wochenendticket im Vorverkauf gekostet. Rund 75 Prozent der Besuchenden haben ihre Tickets noch von 2020 zu Hause liegen gehabt. Haben sie zweimal umgetauscht – das ist dokumentierte Treue für ein Festival, das dann nicht nur wegen des traditionellen zwischenzeitlichen Starkregens am Freitag und Sonntag auch fast wieder ist wie immer.
Teurer Spaß: 0,5 Liter Bier kosten sechs Euro
Fast. Alles wirkt etwas spaciger, moderner. Der Bierlieferant ist neu, die Preise sind zünftig gestiegen. Sechs Euro kostet der 0,5-Liter-Becher. Bezahlt wird statt in bar ausnahmslos mit einem Chip-Armband - dass sich zum Abend hin lange Schlangen an den Auflade-Stationen bilden, scheint okay – ein guter Ort, um neue Leute kennenzulernen. Die Stadt Nürnberg hat ein Beschwerde-Telefon eingerichtet – geschimpft wird meist nur über Lärm, ansonsten ist's das Festival mit den wenigsten Zwischenfällen seit vielen Jahren. Die Veranstalter haben ein Awareness-Team installiert, das als Anlaufstelle bei Fällen sexualisierter Gewalt dient.
Desinfektionsspender hängen an jeder Ecke. Ein coronabedingt verändertes Hygienekonzept, das etwa Laufwege und Menschenmassen auf engstem Raum einschränken würde, gibt es indes nicht. Das gefällt den jungen Leuten. Sie haben ihre Freiheit wieder. Auch wenn einige Corona zumindest ein bisschen im Hinterkopf haben - wohl auch im nächsten Jahr noch, wenn die 27. Auflage für 2. bis 4. Juni terminiert ist.
Diesmal sind die Fans nicht nur gekommen, um die 70 Bands zu feiern – sondern auch sich selbst. Wir haben einige Festival-Besucher aus Unterfranken befragt:
Vanessa Hagler (30) aus Maroldsweisach (Lkr. Hassberge)
"Ich will hier mein Leben genießen und gute Laune haben, Menschen treffen. Ich versuche, ein Mittelmaß zu finden aus Aufpassen und Feiern. Ich bin schließlich Krankenschwester. Aber andererseits ist Corona nicht die erste Krankheit auf dieser Welt. Jeder muss letztlich das Risiko für sich selbst einschätzen. Wenn man aufgepasst hat, konnte man ja auch in den letzten zwei Jahren sein Leben genießen. Ich bin vor allem wegen Billy Talent, Bullet for my Valentine, Materia und Alligatoah da, die Mischung macht Rock im Park aus."
Simon Strauß (40) aus Nordheim (Lkr. Kitzingen)
"Endlich wieder viele schwitzige Menschen auf einem Haufen. Und alles ohne Maske, da riecht man sie auch noch. Dass ich hier nirgends eine tragen muss, ist schon cool. Auch, wenn ich eher der vorsichtige Typ bin und auf der Arbeit, in engen Gängen oder Aufzügen, Maske trage. Auf einem Konzert, noch dazu im Freien, kann man schon mal Fünfe grad sein lassen. Livemusik ist das Größte. Nur die sechs Euro für ein Bier sind eine Frechheit. Durch das Chip-Bezahlsystem merkt man's noch nicht mal, der Schock kommt dann erst daheim."
Niklas S. (22) und Patrick I. (23) aus Nüdlingen (Lkr. Bad Kissingen)
"Das ist so geil hier – und irgendwie auch surreal. Noch nicht lange her, dass alles zu war, und jetzt 70.000 Leute. Wir hatten schon mal Corona, aber wir machen auch immer mal Party. Dafür gibt es den Impfstoff. Wir sind geimpft – und gut ist. Wir genießen das Festival-Feeling, auch auf dem Campingplatz. Dort gibt's Bierchen, auf dem Konzertgelände trinken wir nur Wasser aus den Zapfstellen. Das Gemeinschaftsfühl auf Großveranstaltungen hat einfach zwei Jahre lang gefehlt. Es ist so geil, endlich wieder Bands wie Billy Talent zu sehen."
Paul Söder (21) aus Oberthulba und Johannes Brandl (23) aus Albertshausen (Lkr. Bad Kissingen)
"Wenn du nach der letzten Abi-Prüfung gleich auf Rock im Park fährst, dann ist das kaum zu toppen. Unser erstes großes Festival. Mit Freunden beisammen sein, ist das Größte. Im Freien feiern, Sommer, Freiheit. Das hat alles gefehlt. Deswegen ist es auch gut, dass es hier vom Veranstalter keine größeren Einschränkungen gibt. Masken sind für uns eigentlich kein Problem, aber auf einem Open Air muss es ja nicht wirklich sein. Dass hier nicht mit Bargeld bezahlt wird, sondern mit aufladbaren Chips ist ne gute Sache. Okay, man könnte den Überblick verlieren. Andererseits kann ich mir ja mit der aufgeladenen Summe vorher selbst ein Limit setzen. Also beim Trinken, aber nicht bei Party und Spaß."