Wo viele Menschen aufeinandertreffen, kann es auch zu Schwierigkeiten kommen. Ein Problem der letzten Jahre auch beim Nürnberger Festival Rock im Park: sexualisierte Gewalt. Ein dummer Witz, ein anzügliches "Kompliment" oder Übergriffigkeit – meist sind Frauen in der Opferrolle. 2022 gibt es auf dem Festival-Gelände erstmals ein Awareness-Team.
28 Menschen mit pädagogischer, psychologischer oder soziologischer Ausbildung, wollen zusätzlich zu Polizei oder Sanitätern Ansprechpartner sein, wenn sich Besucherinnen oder Besucher unwohl fühlen. Ihr Zelt nahe der Hauptbühne nennt sich "Little Panama", das größere, zwischen Foodmeile und Campingplatz "Panama". Wer Hilfe sucht, wendet sich an sie mit dem Code "Wo geht's nach Panama?"
So ist es auch auf der Rock-im-Park-Homepage kommuniziert. Nur wie, bitte, findet man Panama? Nicht ganz so einfach, weil das Zelt am ersten Tag noch keinen Schriftzug trägt, die mobilen Einheiten, die übers Gelände laufen in ihren grauen (!) Westen nicht gerade ins Auge stechen. Doch es scheint zu funktionieren. "Es sind schon einige vorbei gekommen", sagt Teresa.
Die 28-jährige Hamburgerin ist eine der leitenden Personen im Team, und Mitglied im Verein Act Aware, der eine Studie zu sexualisierter Gewalt auf Großveranstaltungen in Auftrag gegeben hat. Mit dem Resultat, dass Mobbing und Diskriminierungen durchaus ein Thema bei solchen Festivals sind.
Hilfe auch bei Orientierungslosigkeit wegen Alkohol oder Drogen
Es kommen aber nicht nur verängstigte Menschen, sondern "auch orientierungslose unter Alkohol- oder Drogen-Einfluss. Oder einfach nur Leute, die ihre Freunde in der Menge verloren haben", so Teresa. Sie und ihre Kolleginnen und Kollegen arbeiten gegen Bezahlung im Auftrag der "Guardian Angels", eines anderen Teams, das sich seit einigen Jahren bei Rock im Park darum kümmert, dass für die Besuchenden alles möglichst reibungslos abläuft.
"Panama" ist in erster Linie ein Zufluchtsraum. Nicht jeder Menschen, der in eine seelische oder psychische Ausnahmesituation gerät, womöglich ohnehin schon traumatisiert ist, fühle sich, so Teresa, in der Lage, auf uniformierte Polizisten zuzugehen. Das Awareness-Team könne dann entweder "einfach nur Gesprächspartner sein" oder "Bindeglied zu den vorhandenen Strukturen und beispielsweise gemeinsam mit einem Opfer zur Polizei gehen, oder die Frauenberatungsstelle aufsuchen. Und auch nur, wenn das ausdrücklich gewünscht ist. Wir agieren bewusst parteiisch."
Positive Reaktion vor Ort, Kritik im Netz
Fabian ist 37 Jahre alt und kommt aus Köln. Er gehört mit Teresa zu den leitenden Personen des bundesweit zusammengewürfelten Teams. Und sieht sich in dem Erstversuch ebenfalls bestätigt. "Die Reaktionen vor Ort sind durchweg positiv, einige kommen auch gar nicht wegen gezielter Intervention, sondern nur um sich zu informieren. Eine ganz andere Stimmung als noch vor einigen Tagen in den Sozialen Medien."
Dort hatte es unter Rock-im-Park-Fans auf der Facebook-Seite des Veranstalters zum Teil harsche Kritik daran gegeben, dass Bewusstseins-Ersthelfer erkennbar an Westen oder Ansteckern durch die Menge laufen, um auch aktiv ein Auge auf gesellschaftliche Korrektheit zu werfen. Der Tenor im Netz: "Wir sind alle alt genug. Wir brauchen auf einem Fest, auf dem man nur feiern will, keine Anstandspolizei."
Offenbar doch, wie Teresa und Fabian genau in diesem Moment erleben: Ins Zelt kommt eine junge Frau – sie zittert und weint.