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Schweinfurt
Museum Georg Schäfer: So modern war München im 19. Jahrhundert
Die Neue Pinakothek München muss bis mindestens 2025 wegen Sanierung schließen. Das Museum Georg Schäfer hat deshalb einige bedeutende Leihgaben bekommen.
In Adolf Heinrich Liers 'Theresienwiese mit der Bavaria bei Abendlicht' von 1882 hat das Licht die Herrschaft über die Materie übernommen (Ausschnitt).
Foto: Mathias Wiedemann | In Adolf Heinrich Liers "Theresienwiese mit der Bavaria bei Abendlicht" von 1882 hat das Licht die Herrschaft über die Materie übernommen (Ausschnitt).
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:14 Uhr
  • Was ist zu sehen? Gemälde von Adolph von Menzel, Wilhelm Leibl, Max Liebermann und anderen, die die ständige Sammlung ergänzen und teilweise Lücken schließen.
  • Wie kam die Ausstellung zustande? Die Neue Pinakothek München, eröffnet 1981, muss wegen Sanierung für mehrere Jahre schließen. Das Museum Georg Schäfer hat deshalb bis mindestens 2025 einige Meisterwerke als Leihgaben bekommen.
  • Was ist an der Ausstellung besonders? Was zunächst wie ein Mehr von Demselben wirkt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als kleine Rehabilitierung der deutschen Kunst des 19. Jahrhunderts auf internationaler Ebene.

Auf den ersten Blick wirkt die neue Sonderausstellung im Museum Georg Schäfer in Schweinfurt nicht sonderlich spektakulär. Streng genommen bilden die gut 20 Leihgaben aus der Neuen Pinakothek München auch keine Sonderausstellung. Sondern fügen sich organisch in die bestehende Sammlung ein. Museumsleiter Wolf Eiermann spricht deshalb von einer "Wiedervereinigung der beiden Schwestersammlungen". 

Bis auf weiteres geschlossen: die Neue Pinakothek in München
Foto: Marc Müller, dpa | Bis auf weiteres geschlossen: die Neue Pinakothek in München

Tatsächlich gibt es eine lange Beziehung zwischen Schweinfurt und München: Georg Schäfer (1896-1975) hat viele Jahre der Pinakothek und auch dem Germanischen Nationalmuseum Werke aus seiner Sammlung zur Verfügung gestellt. Wolf Eiermann vermutet, dass bei den Planungen der Pinakothek, die bereits 1966 begannen, auch weiterhin Leihgaben aus Schweinfurt eingeplant waren. Schließlich waren damals bereits mehrere Versuche gescheitert, ein eigenes Museum Georg Schäfer in Schweinfurt zu bauen.

Dieses wurde dann doch noch im Jahr 2000 eröffnet, die im Lande verteilten Leihgaben kamen zurück nach Schweinfurt. Jetzt also die umgekehrte Bewegung: München verleiht an Schweinfurt, das damit zur einzigen Außenstelle während der Sanierung wird. 90 andere Gemälde und Skulpturen der Sammlung der Neuen Pinakothek sind unter dem Titel "Von Goya bis Manet" in der Alten Pinakothek zu sehen, darunter Arbeiten von van Gogh, Edgar Degas oder Gustav Klimt.

Den "Armen Poeten" rückten die Münchner nicht raus

Für Schweinfurt hatte Wolf Eiermann – weitgehend – freie Auswahl. Den "Armen Poeten" von Carl Spitzweg, der sehr gut hierher gepasst hätte, rückten die Münchner allerdings nicht raus. Nachvollziehbar, schließlich ist diese wohl bekannteste Arbeit Spitzwegs ein echter Touristenmagnet. Auch Arnold Böcklin (Eiermann: "Da haben wir eine Lücke") war nicht verfügbar, dessen Bilder gingen an die Schack-Galerie, die auch zu den Staatlichen Gemäldesammlungen des Freistaats gehört.

Der Blick über den Impressionismus hinaus: Carl Schuch, 'Päonien', um 1890
Foto: Mathias Wiedemann | Der Blick über den Impressionismus hinaus: Carl Schuch, "Päonien", um 1890

So werden die Ergänzungen Museumsbesucherinnen und -besuchern, die nicht genau im Kopf haben, was sonst wo hängt, zunächst nicht besonders ins Auge stechen, sieht man vom blauen Logo der Pinakothek auf den Erläuterungstafeln ab. Wer aber genauer hinschaut, kann Entdeckungen machen. Zum Beispiel, wie modern gerade die Münchner im 19. Jahrhundert gemalt haben. 

Schließlich sind ausdrücklich nicht Arbeiten nach Schweinfurt gekommen, die den Bestand kontrastiert hätten, was auch eine Idee gewesen wäre. Also französische Impressionisten oder englische Landschaftsmaler. Sondern Werke, die sich scheinbar nahtlos einfügen.

Oder doch nicht? Carl Schuchs Stillleben "Päonien" von 1890 verweist mit seinem wilden, dicken Farbauftrag schon über den Impressionismus hinaus. Oder Adolf Heinrich Liers "Theresienwiese mit der Bavaria bei Abendlicht" von 1882. Ein großformatiges, äußerst stimmungsvolles Gemälde, in dem das Licht die Herrschaft über die Materie übernommen hat.

Der Blick fürs Nebensächliche: Adolph von Menzel, 'Blick vom Balkon des Berliner Schlosses', 1863
Foto: Mathias Wiedemann | Der Blick fürs Nebensächliche: Adolph von Menzel, "Blick vom Balkon des Berliner Schlosses", 1863

Oder Adolph von Menzels "Blick vom Balkon des Berliner Schlosses" von 1863, auf dem im Grunde nichts von Bedeutung zu sehen ist – sieht man von einem winzigen Vögelchen auf der steinernen Brüstung ab. Ansonsten: Bäume, Himmel, ein bisschen Schloss. Im Grunde ein Schnappschuss, nur dass Menzel auch an diesem Ölgemälde mehrere Tage gearbeitet hat. Für Wolf Eiermann liegt genau in diesem "Blick fürs Nebensächliche" die künstlerische Leistung.

Deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts wurde im Ausland lange negiert

Worin also liegt der Reiz dieser Ergänzungen? Aus Sicht des Kunsthistorikers wird Schweinfurt damit (neben Berlin) zum bedeutendsten Schauplatz für die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts. "Diese Kunst wurde im Ausland lange Zeit komplett negiert, was auch an der deutschen Geschichtsschreibung liegt. Da zählte immer nur Barbizon oder Impressionismus", sagt Wolf Eiermann. "Aber das ändert sich gerade. An dem, was wir hier zeigen, müssen sich auch die Barbizon-Maler messen lassen."

Und aus Sicht des Laien? Wer den Blick für die eher feinen Nuancen dieser Kunst weiter schärfen möchte, findet hier in den nächsten fünf Jahren einige weitere Ansatzpunkte. Auch wenn die internationalen Kontraste fehlen.

Rendezvous der Bilder: Meisterwerke aus der Neuen Pinakothek München im Museum Georg Schäfer, ab 26. Juni, bis mindestens 2025. Geöffnet Di. 10-20 Uhr, Mi.-So. 10-17 Uhr.

 
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