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Würzburg
Mozartfest-Gala: Ein Bundespräsident mit ungewohnten Tönen
Die Eröffnungsgala des Mozartfests begeisterte mit herausragender Musik. Aber nicht nur. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier tat etwas, was man bei Politikern selten erlebt.
Die Camerata Salzburg im Kaisersaal der Würzburger Residenz. Am Rednerpult: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.
Foto: Dita Vollmond | Die Camerata Salzburg im Kaisersaal der Würzburger Residenz. Am Rednerpult: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 10.02.2024 20:46 Uhr

Neustart Mozartfest, Neustart Kultur, Neustart gesellschaftliches Leben: Noch fühlt es sich ungewohnt an. Unwirklich. Und ein wenig vorläufig. Schließlich war die Pause zwischen Welle eins und Welle zwei der Pandemie eine trügerische. Schließlich haben wir alle irgendwann aufgehört, die Verlängerungen des Lockdowns zu zählen. Christian Schuchardt, Oberbürgermeister der Stadt Würzburg und somit Gastgeber der Eröffnungsgala des Mozartfests 2021, formulierte es so: "Wir müssen uns doch eingestehen: Dieses Gut, diese Selbstverständlichkeit kultureller Ereignisse ist fragil."

Jörg Widmann war 2014 der erste Artiste étoile des Mozartfests. Unser Bild zeigt ihn beim Mozartlabor im Exerzitienhaus Himmelspforten.
Foto: Thomas Obermeier | Jörg Widmann war 2014 der erste Artiste étoile des Mozartfests. Unser Bild zeigt ihn beim Mozartlabor im Exerzitienhaus Himmelspforten.

Schuchardt teilte sich bei der Eröffnungsgala am Freitagabend im Kaisersaal der Würzburger Residenz das Rednerpult mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Kunstminister Bernd Sibler. Und nutzte – sicher auch in der Erwartung finanziell schwieriger Zeiten – die Gelegenheit zu einem Appell: "Es ist bequem, sich einfach nur zu bekennen. Das hat uns nun eine Pandemie gelehrt. Denn ein Bekenntnis bleibt wertlos, solange der politische Wille nicht auch in Taten mündet. Wer sich auf kulturelle Werte als stabilisierende Faktoren für gesellschaftlichen Zusammenhalt beruft, muss auch stabile und tragfähige Rahmenbedingungen schaffen."

Von tragfähigen Rahmenbedingungen konnte pandemiebedingt bei der Planung dieser  Jubiläumsausgabe zum hundertjährigen Bestehen wohl kaum die Rede sein. Das Starren auf Inzidenzen, die Erwartung immer neuer Verordnungen, Auflagen oder Verbote muss nervenzerreißend gewesen sein. Doch Intendantin Evelyn Meining, Geschäftsführerin Katharina Strein und ihr Team trotzten den Fährnissen, pokerten – und gewannen. Das Mozartfest 2021 wird mit einem bemerkenswert umfangreichen und bemerkenswert bunten Programm stattfinden.

Es wird gespielt – das ist die Hauptsache

Natürlich gibt es eine Reihe Absagen, Umplanungen, Anpassungen. Natürlich können nicht annähernd so viele Menschen teilnehmen, wie es wünschenswert (und wirtschaftlich sinnvoll) wäre. Aber es wird gespielt. Das ist die Hauptsache.

An diesem Abend übrigens ausgezeichnet. Zu Gast war die Camerata Salzburg unter der Leitung von Jörg Widmann. Die Camerata ist schon immer bekannt dafür, dass alle Pulte mit herausragenden Musikerinnen und Musikern besetzt sind. Das zeigt sich wohl bei kaum einem Komponisten so deutlich wie bei Mozart, wo schon der winzigste Wackler den Zauber zerstören kann.

Zeigte sich als Kenner von Mozarts Werk: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.
Foto: Dita Vollmond | Zeigte sich als Kenner von Mozarts Werk: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.

Aber das Orchester verbindet individuelle Klasse mit einem frappierenden Gespür fürs Musizieren aus einem Guss. Und der Fähigkeit, sich im Laufe eines Abends immer besser auf die Akustik des Saals einzustellen. So klang Mozarts Jupiter-Sinfonie, als habe es im Kaisersaal nie diesen lästigen Nachhall gegeben. So knackig, so präzise, so locker muss man die immer neuen Fugato-Anläufe im Schlusssatz erstmal hinkriegen. Dass im Andante nicht die leiseste Schwammigkeit auftauchte, sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt.

Widmann, Klarinettist, Komponist und seit gut zehn Jahren auch Dirigent, dirigiert fast ebenso intensiv mit Mimik wie mit Händen und Armen – die Camerata verstand ihn bestens. Auch und vor allem in dessen hochkomplexer Konzertouvertüre "Con brio", einem wild-gestischen Ausbruch im Geiste beethovenscher Wut. Ein ideales Stück übrigens für ein ansonsten reines Mozartprogramm.

Und schöner Kontrast zur überirdisch schönen, mild versonnenen Sinfonia concertante, musiziert von Renaud Capuçon und Gérard Caussé auf einer Geige beziehungsweise Bratsche aus Mozarts Nachlass – erstere klingt strahlend hell und leicht, zweitere erdig stabil. Während Capuçon auf seinem Instrument vollkommen unbeschwert sang, merkte man Caussé ein wenig an, dass sich seines möglicherweise etwas ungewohnt anfühlte.

Ein Politiker, der den Wert von Kultur nicht nur beschwört, sondern auch belegt

Und noch etwas war ungewohnt in diesem Abend: Dass ein Politiker in seiner Rede den Wert von Kunst und Kultur nicht nur beschwört, sondern auch belegt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeiner jedenfalls berief sich auf das Finale des zweiten Akts "Hochzeit des Figaro": "Wo bis zu sieben menschliche Stimmen sich verwickeln, sich streiten, sich verbinden und lösen – und wo sich musikalisch innerhalb von 20 Minuten ein ganzes Drama menschlichen Zusammenlebens abspielt." Beim Würzburger Mozartfest kann man das schon mal machen. Und wird dabei möglicherweise sogar verstanden.

Alle aktuellen Infos zum Mozartfest 2021 gibt es tagesaktuell auf der Homepage des Festivals: www.mozartfest.de

 
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