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Würzburg
Mainfranken Theater: Wie eine Oper uns mit unserer Sterblichkeit versöhnt
Eine der ungewöhnlicheren Premieren: "Die Sache Makropulos" geht mit Klavierbegleitung über die Bühne. Ein Notbehelf – der Botschaft des Stücks kann er nichts anhaben.
Alle umschwirren die Diva (Ilia Papandreou): Kosma Ranuer, Michael Tews, Mathew Habib, James Kee (von links).
Foto: Nik Schölzel | Alle umschwirren die Diva (Ilia Papandreou): Kosma Ranuer, Michael Tews, Mathew Habib, James Kee (von links).
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:02 Uhr
  • Was ist das für ein Stück? Die Oper "Die Sache Makropulos" von Leoš Janácek (1854-1928), 1926 uraufgeführt, entstand nach einem Libretto des futuristisch sehr interessierten Autors Karel Capek. Capek prägte auch den Begriff "Roboter".
  • Worum geht es? Es reicht, wenn man folgendes weiß: Die berühmte Opernsängerin Emilia Marty hat vor 300 Jahren ein lebensverlängerndes Elixier eingenommen. Nun ist sie verzweifelt auf der Suche nach dem Rezept, weil sonst ihre Unsterblichkeit endet. Als sie es endlich hat, erkennt sie, dass ewiges Leben nur Gleichgültigkeit bedeutet, und wählt den Tod.
  • Wie hört sich das an, wie sieht das aus? Janáceks Musik ist rastlos, vital und sperrig. Es gibt keine Arien, das Stück ist eine einzige fortlaufende Debatte mit schnellen, kurzen Wortmeldungen. Das Regieteam lässt es in zwei verschiebbaren Wellblech-Containern spielen, die Figuren sind grell geschminkt und gekleidet. Nur die Heldin Emilia Marty nicht. 

Das erste, was fehlt, ist das Vorabgefiedle aus dem Graben. In der Blauen Halle herrscht Stille. Die Premiere der Janácek-Oper "Die Sache Makropulos" des Mainfranken Theaters geht ohne Philharmonisches Orchester über die Bühne: Es waren während der Probenphase immer jeweils so viele Musikerinnen und Musiker positiv auf das Coronavirus getestet, dass Generalmusikdirektor Enrico Calesso jedes Mal vor einem anderen Orchester stand.

Deshalb dirigiert Calesso im Graben nur einen Mann: Kapellmeister David Todd, der sich tapfer und souverän durch den enorm schweren Klavierauszug wühlt. Bühnenmenschen kennen die Konstellation aus dem Probenalltag, pandemieerprobte Opernfans von anderen Häusern, Wiesbaden etwa. Immerhin lässt der Notbehelf erahnen, wie bunt die Orchestrierung sein muss. Und: Er ermöglicht überhaupt erst die Premiere und damit dem Ensemble, eine monatelange Arbeitsphase abzuschließen – im Gegensatz zum "Rheingold", das kurz vor der Premiere dem ersten Lockdown zum Opfer fiel.

Ilia Papandreou ist Gravitationspunkt der wuseligen, rastlosen Handlung

Auf der Bühne sind denn auch alle fit, die zehn Rollen optimal vergeben. Ilia Papandreou, in Würzburg als Ariadne in bester Erinnerung, verkörpert die Diva Emilia Marty mit großer Ausstrahlung und Sensibilität. Sie ist der Gravitationspunkt der wuseligen, rastlosen Handlung. Das Unstete schlägt sich in der Gesangspartie nieder, die Papandreou meistert das sprunghafte Parlando ebenso grandios wie die zum Schluss dann doch noch aufscheinenden Kantilenen.

Julia Katharina Berndt (Bühne und Kostüme) lässt das Stück in zwei verschiebbaren Wellblech-Containern spielen.
Foto: Nik Schölzel | Julia Katharina Berndt (Bühne und Kostüme) lässt das Stück in zwei verschiebbaren Wellblech-Containern spielen.

Nina Russi (Regie) und Julia Katharina Berndt (Bühne und Kostüme) haben die Verhältnisse auf den Kopf gestellt: Der Freak ist nicht die 336 Jahre alte Diva, sondern es sind alle, die sie umschwirren. Während Emilia Marty schlicht geschminkt und gewandet ist, geben all die Anwälte, Mandanten, Verehrerinnen und Verehrer denkbar pittoreske Erscheinungen ab: James Kee, Mathew Habib, Akiho Tsujii, Kosma Ranuer, Joshua Whitener, Michael Tews, Yong Bae Shin, Barbara Schöller und Taiyu Uchiyama haben sichtlich Spaß an skurrilen Klamotten und absurden Frisuren.

Unsterblich und doch zerrissen von Verlustangst

Sie bestreiten den Alltag der Sterblichen mit all seinen Eifersüchteleien, Habgierigkeiten, Leidenschaften. Kurz: All dem, was die Ewigkeit gegenstandlos macht. Die unsterbliche Diva hingegen zelebriert nach außen ihre Gleichgültigkeit und ist doch zerfressen von Verlustangst und Einsamkeit: "In mir stockt der ganze Lebensstrom und kann nicht weiter, starrer als der Tod." Das wahre Leben ist also endlich, und das ist gut so. 

Weitere Vorstellungen sind zunächst nicht terminiert - zu schwer sind Zeitfenster für alle Gäste zu finden, so Intendant Markus Trabusch. Möglicherweise gibt  es eine Wiederaufnahme in der kommenden Spielzeit.

 
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