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Würzburg
Großes Shakespeare-Solo mit Kai Christian Moritz in Würzburg: Warum das Drama "Richard II." frappierend aktuell ist
"Solo für einen König": Der Würzburger Schauspieler spielt alle Rollen in Shakespeares Königsdrama, das nur auf den ersten Blick von historischen Ereignissen handelt.
Ein Mann, dessen Weltbild soeben zu Scherben gegangen ist: Kai Christian Moritz in der Rolle des Richard II.
Foto: Oliver Mack | Ein Mann, dessen Weltbild soeben zu Scherben gegangen ist: Kai Christian Moritz in der Rolle des Richard II.
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 22.07.2024 02:32 Uhr

Der König ist am Ende. Genauer gesagt: Der König ist nicht mehr König. Richard II., seit seinem zehnten Lebensjahr Herrscher über England, musste abdanken und sitzt nun im Kerker, den er nicht mehr lebend verlassen wird. Er hat alles verloren: Macht, Vermögen, Rechte, Privilegien, Gefolgsleute, Freunde, Familie. Und vor allem: seine Bestimmung. Das Einzige, was ihm bleibt, ist das blanke Ich. 

Das ist die Situation im fünften Akt von William Shakespeares Königsdrama "Richard II.", das nach Intrigen und Schlachtengetümmel offen zu Ende geht: Richard wird sterben, aber zuvor erhält er noch die Gelegenheit, sich seiner selbst als Individuum bewusst zu werden. Als Mensch, der nicht definiert ist durch Status oder Amt. Macht er zuletzt noch seinen Frieden mit sich und der Welt?

Der König macht eine Erfahrung, die viele Menschen heute mit ihm teilen

Der Würzburger Schauspieler Kai Christian Moritz möchte es gerne glauben. Moritz bringt eine Soloversion des Dramas auf die Bühne, zu sehen am  Freitag, 3. Mai, im Matthias-Ehrenfried-Haus in Würzburg. Der Text, 2009 am Hamburger Thalia-Theater für einen Schauspieler eingerichtet, der alle Rollen spielt, beschäftigt Moritz schon seit der Schauspielschule: "Der große Schlussmonolog ist eine faszinierende Innenschau. Dieser Versuch zu verstehen, wie alles so kommen konnte."

Das Drama, das auf den ersten Blick vor allem aus Adelsfehden, Ehrenhändeln, Feldzügen und politischen Morden besteht, und vielleicht deshalb in Deutschland selten gespielt wird, ist auf vielen Ebenen frappierend aktuell. Richard II. macht eine Erfahrung, die viele Menschen heute mit ihm teilen: die Zerstörung aller Gewissheiten. Stichworte wie Pandemie oder Klimawandel drängen sich auf: Beide Phänomene zwangen und zwingen uns in Situationen, für die unsere alten Lebensstrategien nicht mehr taugen. Und die für manche Menschen einer Widerlegung ihres Weltbilds gleichkommen.

'Richard II.' besteht nur auf den ersten Blick aus Adelsfehden, Ehrenhändeln, Feldzügen und politischen Morden.
Foto: Oliver Mack | "Richard II." besteht nur auf den ersten Blick aus Adelsfehden, Ehrenhändeln, Feldzügen und politischen Morden.

Für den gesalbten König ist die gottgegebene Herrscherwürde der Kern seines Wesens. Die Absetzung bedeutet zunächst völlige Vernichtung. "If not king, how can I be Richard?", fragt er - bin ich nicht König, wie kann ich dann Richard sein? Der Mann ist plötzlich mit einer Welt konfrontiert, die unendlich viel komplexer ist, als die, in der er einst gekrönt wurde. Oder anders gesagt: Die Umstände zwingen ihn, zur Kenntnis zu nehmen, dass es diese vermeintlich einfache Welt nie gab.

Plastische Zeichnung der Figuren und intensive Emotionen aller Art in schneller Abfolge

Die Shakespeare-Expertin Maria Eisenmann führt vor der Vorstellung in das Drama ein, das bei aller Schwere des Stoffs vor allem von berauschend schöner Sprache lebt. Jeder Satz ist ein Juwel. Shakespeare setzt das Versmaß hochdifferenziert ein: perfekt, wenn Richard spricht, bewusst fehlerhaft bei den Vertretern der niederen Stände. Ins Deutsche übertragen haben es auf der Basis der Schlegel-Übersetzung Susanne Meister und Cornelia Rainer, Kai Christian Moritz hat Passagen einer Fassung des Lyrikers Erich Fried eingefügt.

"Ich sehe die Texte wie eine Partitur", sagt Moritz. "Mich interessiert deren Musikalität." Das Ergebnis: eine plastische Zeichnung der Figuren, intensive Emotionen aller Art in kurzer Abfolge und die Begegnung mit einer gequälten Seele, die im wahrsten Sinne Mit-Leid auslöst: "Wenn zwei zusammen weinen, werden sie ein Weh."

"Richard II. - Solo eines Königs" von William Shakespeare, gespielt von Kai Christian Moritz. Mit einer Einführung von Maria Eisenmann. 3. Mai um 19.30 Uhr, Matthias-Ehrenfried-Haus, Würzburg. Veranstalter: Domschule Würzburg. Eintritt 15 Euro, Anmeldung unter www.domschule-wuerzburg.de oder per E-Mail an info@domschule-wuerzburg.de

 
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