Der erste dramatische Moment des Abends passierte, noch bevor der erste Ton erklang: Der Moderator teilte mit, dass bei einem Auto auf dem Parkplatz die Alarmanlage losgegangen sei und dass in diesem Auto ein Hund sitze. Während also jemand aus dem Publikum (vermutlich) hastig zu seinem oder ihrem Wagen eilte, eröffnete das Philharmonische Orchester Würzburg in der Tauberphilharmonie Weikersheim mit einer fulminanten Wilhelm-Tell-Ouvertüre (und einem wunderschönen Cellosolo von Deanna Talens) das Galakonzert und gleichzeitig die Endrunde des Klassik-Gesangswettbewerbs "Debut".
Mit Preisgeldern von 10.000, 7500 und 5000 Euro für die goldene, silberne und bronzene "Viktoria" und etlichen Sonderpreisen zählt der vor 20 Jahren von Unternehmer Manfred Wittenstein initiierte Wettbewerb im internationalen Wettbewerbszirkus inzwischen sicherlich zu den wichtigeren Terminen für junge Solistinnen und Solisten am Beginn ihrer Karriere. Hinzu kommt, dass die mit Profis und Praktikern besetzte Jury unter dem Vorsitz der international renommierten Mezzosopranistin Anna Larrson sehr genau wissen dürfte, wer auf dem erbarmungslosen Opernmarkt eine Chance haben könnte.
Gute drei Stunden, die sich überraschenderweise nicht als zu lang erwiesen
Von 32 Bewerberinnen und Bewerbern hatten sich vier Sängerinnen (drei Soprane, ein Mezzosopran) und zwei Sänger (beides Tenöre) in zwei Runden für das Finale qualifiziert. Zu singen waren je zwei Opernarien, was mit der unterhaltsamen Moderation von TV-Mann Felix Seibert-Daiker ("Fakt", ARD), einem launig-nickeligen Zwischengeplauder mit Schirmherrin und Weltstar Brigitte Fassbaender und der Zeit für die Jury-Beratung gute drei pausenlose Stunden ergab, die sich überraschenderweise nicht als zu lang erwiesen.
Das lag zuallererst am erstaunlich hohen Niveau des Gesangs. Sechs höchst unterschiedliche Charaktere und Temperamente zwischen Jahrgang 1989 und 1999, alle stimmlich sehr weit fortgeschritten. Möglicherweise hatten die Leistungen in den ersten Runden die Reihenfolge der Auftritte bestimmt, jedenfalls fanden sich die Hauptpreisträger schließlich alle in der zweiten Hälfte. Doch der Reihe nach.
Die Sopranistin Sarah Yang aus Wuppertal eröffnete ausgerechnet mit der fragilsten Stelle aus dem ganzen "Rosenkavalier": "Ich bin Euer Liebden sehr verbunden". Da half es wenig, dass auch das Orchester unter der Leitung von Enrico Calesso sich erst in die recht direkte Akustik des Saals einfinden musste (was dann aber sehr gut gelang). Sarah Yang sang sich dennoch schnell frei, in der zweiten Arie (aus "Die lustigen Weiber von Windsor") erfreuten dann warmes Timbre und hervorragende Textverständlichkeit. Zum Schluss gab es dafür den Preis des Richard-Wagner-Verbands Würzburg-Unterfranken.
Auch die Sängerinnen, die später keinen Preis gewannen, überzeugten auf der Bühne
Auch die schwedische Mezzosopranistin Rebecka Wallroth, Jüngste im Feld, wagte sich an Schwerstes: Die Arie des Sesto "Parto, parto" aus Mozarts "La Clemenza di Tito" und Octavians "Wie du warst" aus dem "Rosenkavalier". Sehr sicher, sehr sauber, sehr präsent und sehr durchsetzungsfähig – möglicherweise werden Hosenrollen à la Fassbaender ihr Fach.
Caterina Marchesini aus Vicenza zeigte mit hellem Timbre und Arien von Mozart (aus "Idomeneo") und Tschaikowski (aus "Eugen Onegin") eine Gabe zu langem Atem und schöner Linie, vor allem aber großes Talent für inhaltlich dramatische Partien.
Eine der raren Stimmen, die für Belcanto wie für Schwereres gemacht zu sein scheinen
Schon als Kudaibergen Abildin, Tenor aus Kasachstan, die Bühne betrat, was es zu spüren: dieses gewisse Prickeln, das manchmal einen großen Auftritt ankündigt. Es wurde einer: Abildin, der Tschaikowski und Gounod sang ("Salut, demeure chaste et pure") verfügt über eine der in seinem Fach sehr raren Stimmen, die für Belcanto wie für mittelschwere Romantik gemacht zu sein scheinen. Groß, frei, nuancenreich, authentisch. Sehr, sehr vielversprechend. Dafür gab es nachvollziehbarerweise, ja: zwangsläufig die goldene Viktoria.
Die silberne Viktoria, ebenso wie der Preis für die zeitgenössische Arie und der Preis des Philharmonischen Orchesters Würzburg (verbunden mit einem Konzertengagement) gingen an die ukrainische Sopranistin Inna Husieva, die den Saal als Lucia (aus Donizettis "Lucia di Lammermoor") und Juliette (aus Gounods "Roméo et Juliette") mit traumwandlerischer Sicherheit in allen Registern und einem Feuerwerk makelloser Spitzentönen begeisterte.
Den Publikumspreis und die bronzene Viktoria gewann der südkoreanische Tenor Beomjin Angelo Kim der nach einer etwas festen "Bildnis"-Arie aus der "Zauberflöte" mit "De' Miei Bollenti Spiriti" aus Verdis "Traviata" beste italienische Sangeskunst präsentierte.
Möglicherweise, so konnte man schon vor dieser Finalrunde annehmen, würde hier der ein oder andere Star von morgen zu hören sein. Eine Annahme, aus der im Laufe des Abends tatsächlich fast so etwas wie Gewissheit wurde.