Es ist eine uralte Diskussion: Welche Rolle darf oder muss das Leben eines Schriftstellers bei der Beurteilung seines Werkes spielen? Sein Charakter? Bei Leonhard Frank (1882-1961) lassen sich Person und Werk kaum trennen. Umso spannender ist es, in der neu erschienenen Biografie von Katharina Rudolph nachzulesen, wo und wie sich Ansichten und Ereignisse seines Lebens in seinen Erzählungen und Romanen niedergeschlagen haben. Wo er Begebenheiten ausließ, wo er Abläufe veränderte, und wo er Stellung bezog.
Wer wiederum Leonhard Frank, den Schriftsteller kennen lernen oder wiederentdecken möchte, den genauen Menschen-Beobachter und Situationen-Schilderer, für den stellt die Autorin hier fünf wesentliche Titel vor. Sie alle sind als E-Books erhältlich, auf Papier derzeit allerdings nur "Die Räuberbande", "Karl und Anna" und "Die Jünger Jesu". Es lohnt sich aber immer, in Würzburger Buchhandlungen nach antiquarischen Exemplaren zu fragen.
Die Räuberbande (1914)
Der große Debütroman, der sich um eine Schar Jugendlicher – die „Räuberbande“ – aus kleinbürgerlichen Elternhäusern in Würzburg dreht. Es geht um qualvolle Schul- und Lehrjahre, um die kindlichen Traume, aus der gesellschaftlichen Enge der Stadt auszubrechen, sie abzubrennen und im Wilden Westen zu leben. Allmählich verblassen die Träume, aus Kindern werden Erwachsene, die sich mehr und mehr einfügen in die zuvor verhasste spießbürgerliche Welt. Nur einer halt an den Idealen fest und wagt den Ausbruch: Oldshatterhand alias Leonhard Frank. Das Buch machte ihn zur Stimme einer ganzen Generation.
Lieferbar: www.milena-verlag.at
Karl und Anna (1927)
Eine bewegende Liebesnovelle mit außergewöhnlicher Grundkonstellation: Karl und Richard sind in Kriegsgefangenschaft. Karl kommt vor Richard frei und gibt sich bei dessen Ehefrau Anna, in die er sich durch Erzählungen des Kameraden verliebt hat, als ihr Mann aus. Sie akzeptiert den Fremden an ihrer Seite – doch dann ist plötzlich Richard wieder da. Die Liebe zwischen Karl und Anna setzt ihr Verhalten gegen alle gesellschaftlichen Konventionen ins Recht. Franks Kunst gelingt es, im „engen Kreis dreier Menschenschicksale das Schicksal einer Zeit zu spiegeln“, schrieb ein Rezensent.
Lieferbar: www.aufbau-verlag.de
Die Jünger Jesu (1949)
Die Rahmenhandlung erzählt von einer verschworenen Kinder-Clique: den „Jungern Jesu“. Sie sind kleine Robin Hoods, die im Würzburg von 1946/47 die Reichen bestehlen, um ihr Diebesgut an die Armen zu verteilen. Das Buch handelt von den Folgen des Nationalsozialismus und den gesellschaftlichen Konflikten der Nachkriegszeit. Im Zentrum steht das Schicksal der jungen Jüdin Ruth, die den Holocaust uberlebt hat. Der Roman ist anrührend und bedruckend, spannend, poetisch, voller Zartgefühl, aber auch böse, zugleich durchzogen von einem leisen Strom der Hoffnung und Zuversicht auf eine bessere Zeit.
Lieferbar: www.verlag-koenigshausen-neumann.de
Links wo das Herz ist (1952)
Franks Autobiografie, die einen authentischen Einblick in sein turbulentes Leben und seine Haltungen und Werte vermittelt. Sie beginnt mit der prägenden Kindheit und Jugend in Würzburg und endet mit der Rückkehr nach Deutschland aus dem Exil in den USA. Frank schildert, wie er selbst sagt, das Leben „eines kämpfenden deutschen Romanschriftstellers in der geschichtlich stürmischen ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts. […]. Er hat sich von Jugend an um Dinge gekümmert, die ihn nichts angingen, und ist der Meinung, daß Menschen, die das nicht tun, die Achtung vor sich selbst verlieren mussen.“
Das Ochsenfurter Männerquartett (1929)
Eine Art Fortsetzung der „Räuberbande“. Die Handlung spielt in Würzburg im Jahr 1927. Einige Mitglieder der „Räuberbande“ tauchen wieder auf, nicht mehr als abenteuerlustige Lausbuben, sondern als Ehemänner und Familienväter. Fast alle von ihnen haben, in Not geraten durch die Inflation, ihren Beruf verloren und kämpfen um das tägliche Brot. Als Gesangsquartett hoffen sie, sich eine Weile über Wasser halten zu können. Frank entfaltet erneut das Panorama der kleinbürgerlichen Welt seiner Heimat. Im Zentrum des Werks steht – was der Titel nicht vermuten lässt – eine zarte Liebesgeschichte.