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WÜRZBURG
"Die Jünger Jesu": Weiß Würzburg, was es da liest?
Würzburg liest ein Buch: Nach seiner Rückkehr aus dem Exil war Leonhard Frank ein verehrter Schriftsteller. In seiner Heimatstadt Würzburg galt er aber als „enfant terrible“. Eine Aktionswoche will dieses Bild jetzt zurechtrücken.
Anstoßen mit Leonhard Frank: Zur Lesewoche wurde im Weingut Schmitts Kinder ein trockener Silvaner mit einem Fotoporträt Leonhard Franks abgefüllt.
Foto: Thomas Obermeier | Anstoßen mit Leonhard Frank: Zur Lesewoche wurde im Weingut Schmitts Kinder ein trockener Silvaner mit einem Fotoporträt Leonhard Franks abgefüllt.
Karl-Georg Rötter
Karl-Georg Rötter
 |  aktualisiert: 27.03.2014 13:13 Uhr

Wenn allein die Anzahl der Veranstaltungen ein Gradmesser ist, dann müsste der Würzburger Schriftsteller Leonhard Frank im Bewusstsein seiner Heimatstadt bald eine andere Rolle spielen als bisher. Lesungen, Diskussionsrunden, Filmvorführungen, Ausstellungen, Theateraufführungen – über 100 an der Zahl – werden zwischen 4. und 13. April bei der Aktion „Würzburg liest ein Buch“ den von den Würzburgern lange Zeit ungeliebten Autor in den Mittelpunkt stellen und sein Werk in zahlreichen Facetten präsentieren.

Zugrunde liegt der Aktion Leonhard Franks 1947 im Exil in New York geschriebener und 1949 veröffentlichter Roman „Die Jünger Jesu“. Die Würzburger hätten sich von dem in ihrer Stadt angesiedelten Roman verunglimpft gefühlt und seien entrüstet gewesen, beschreibt Frank selbst die Rezeption seines Buches in seiner Heimatstadt. Warum die Würzburger die „Die Jünger Jesu“ nicht mit Beifall aufnahmen und Frank gegenüber auch später noch distanziert blieben, warum seine Bücher in Riesenauflagen erschienen, aber in Würzburg auf Skepsis stießen, warum Frank mit hohen Auszeichnungen geehrt wurde, seine Heimatstadt aber nach seinem Tod 1961 keine Straße nach ihm benennen mochte – diese und andere Fragen werden während der Aktionswoche sicher eine Rolle spielen.

Man kann sich Leonhard Frank, der einen guten Frankenwein zu schätzen wusste, aber auch von einer ganz anderen Seite nähern. Nämlich mit einem Bocksbeutel, der jetzt in einer Sonderedition mit einem Frank-Porträt erhältlich ist. In den Bocksbeutel vom Randersackerer Weingut Schmitts Kinder wurde ein trockener Silvaner vom Randersackerer Sonnenstuhl „VDP. Erste Lage“ abgefüllt. Erhältlich ist der Bocksbeutel für neun Euro im Antiquariat Osthoff und der Buchhandlung Dreizehneinhalb in Würzburg. 20 Prozent des Verkaufspreises gehen an die Arbeitsgemeinschaft „Würzburg liest ein Buch“.

Eine zentrale Rolle spielen während der Aktionswoche öffentliche Lesungen aus den „Jüngern Jesu“. In der Stadtbücherei, der musik-butik, im Waschsalon in der Frankfurter Straße oder im Literaturexpress, der WVV-Straßenbahn von 1955, und der Buchhandlung Knodt werden „Readers’ Corners“ (Vorleseorte) eingerichtet an denen der Roman am Stück gelesen wird. Wer sich zutraut, eine Viertelstunde vorzulesen, erhält in den Buchhandlungen Knodt, Dreizehneinhalb, Neuer Weg und Schöningh eine Liste mit den Kontakten zu den Vorleseorten. Für diejenigen, die gerne einfach zuhören, gibt es dort auch Freikarten für den Literaturexpress.

Bereits am Sonntag, 30. März, wird der Frank-Spezialist Hans Steidle bei einer Matinee von 11 bi 12.30 Uhr im Jugendkulturhaus Cairo am Fred-Joseph-Platz (ehemals Burkarderstraße) über Leonhard Frank informieren. Sein Thema lautet: „Trümmerliteratur eines rebellischen Gefühlssozialisten. Würzburg liest ein Buch - weiß es auch, was es da liest?“ Der Eintritt ist frei.

In der Vortragsreihe der Volkshochschule „Missachtete Literatur – Was die Deutschen nach 1945 nicht lesen wollten“ spricht am Montag, 31. März, 19 Uhr, in der Schillerschule (Felix-Dahn-Straße) Paul Pagel über Wolfgang Koeppens Roman „Tauben im Gras“. Der Eintritt ist frei.

Ab Freitag, 4. April, zeigt das Cairo eine Streetart-Ausstellung im vorderen Bereich der Leonhard-Frank-Promenade (nahe der Alten Mainbrücke). Bis 20. April werden dort im Rahmen der Aktion zwölf Ölfässer zu sehen sein, die von jungen Streetart-Künstlern bemalt sind. Inspiriert sind die Motive vom Roman „Die Jünger Jesu“ sowie Franks Leben und Werk. Die Ausstellungseröffnung findet am Donnerstag, 3. April, 17.30 Uhr, statt.

Ebenfalls am Donnerstag, 3. April, 17 Uhr, zeigt die Universitätsbibliothek am Hubland Leonhard Franks Werke in Erstausgaben und Übersetzungen. Neben der Präsentation von Übersetzungen des Frank-Werks in 30 Sprachen sowie erst- und bibliophilen Ausgaben gibt es bei der Veranstaltung auch Hörproben aus der Oper „Karl und Anna“. Der Eintritt ist frei. Treffpunkt ist an der Infotheke der Zentralbibliothek.

Eine dokumentarische Lesung mit Musik steuert der DGB Würzburg zum Frank-Marathon bei. Am Montag, 7. April, 19 Uhr, geht es in der Theaterwerkstatt in der Rüdigerstraße um das Verhältnis der Würzburger Gewerkschaften zum Autor Leonhard Frank am Anfang der 1960er-Jahre. Der Eintritt ist frei, eine Anmeldung im DGB-Büro, Tel. (0931) 56 56 5 ist aufgrund der begrenzten Platzkapazität erforderlich.

Die Hauptveranstaltung zu „Würzburg liest ein Buch“ ist ein Festakt am Dienstag, 8. April, 19 Uhr in der Stadtbücherei im Falkenhaus unter Mitwirkung des Schirmherrn MdL Georg Rosenthal. Einige (kostenlose) Karten sind noch in der Stadtbücherei, Tel. (0931) 37 34 25, erhältlich.

Auszubildende im Einzelhandel der Klara-Oppenheimer-Schule haben das Projekt „Würzburg liest ein Buch“ zum Anlass genommen, sich näher mit Leonhard Frank und seinem Roman „Die Jünger Jesu“ zu befassen. Schwerpunktmäßig wird dabei die Situation der Jüdin Ruth Freudenheim beleuchtet, die erst nach Auschwitz verschleppt wird und dann in einem Bordell für deutsche Soldaten arbeiten muss. Nach dem Krieg kehrt sie in ihre zerstörte Heimatstadt zurück und rächt den Mord an ihren Eltern, indem sie den Mörder erschießt.

Als Ergebnis entstand eine Ausstellung mit dem Titel „Fiktion und Wirklichkeit“. Dargestellt wird die fiktive Beschreibung im Roman im Vergleich zur Wirklichkeit in Würzburg während und nach dem 2. Weltkrieg und weshalb der Autor sich damit in Würzburg unbeliebt gemacht hat.

Die Besucher der Ausstellung können an einem Rätsel über Leonhard Frank und „Die Jünger Jesu“ teilnehmen und Buchgutscheine im Gesamtwert von 200 Euro gewinnen. Die Schüler freuen sich über alle Interessenten. Die Ausstellung kann bis 13. April während der Öffnungszeiten der Klara-Oppenheimer-Schule in der Stettiner Straße 1 in Würzburg besucht werden.

Die Aktionswoche

Der Roman: Das Werk „Die Jünger Jesu“ ist zur Aktionswoche „Würzburg liest ein Buch“ in einer neuen erweiterten Auflage (mit Nachworten von Peter Cersowsky und Hans Steidle) im Würzburger Verlag Könighausen & Neumann erschienen. Der Preis für den 266-seitigen Band beträgt acht Euro. Er ist im Würzburger Buchhandel erhältlich.

Die Initiatoren: „Würzburg liest ein Buch“ findet vom 4. bis 13. April statt und wird von den vier unabhängigen inhabergeführten Würzburger Buchhandlungen Knodt, Neuer Weg, Dreizehneinhalb und Schöningh zusammen mit der Leonhard-Frank-Gesellschaft und der Stadtbücherei durchgeführt. Schirmherr der Aktionswoche ist der frühere Würzburger Oberbürgermeister und jetzige SPD-Landtagsabgeordnete Georg Rosenthal.

Mehr über Leonhard Frank: Die städtische Zeitschrift „Kulturgut“ widmet sich in ihrer aktuellen Ausgabe mit mehreren Beiträgen Leben und Werk des Schriftstellers Leonhard Frank und seinem Verhältnis zu seiner Heimatstadt Würzburg. Außerdem wird ein Fotoprojekt von Studierenden der Fachhochschule vorgestellt, das zur Aktionswoche entstanden ist.

 
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