
- Was ist das für ein Stück? "Der Barbier von Sevilla" ist eine komische Oper in zwei Akten von Gioachino Rossini, uraufgeführt 1816. Das beliebte Stück ist bekannt für spritzige Musik, virtuose Arien und eine rasante Handlung.
- Worum geht es? Der knickrige Alte Bartolo will sein Mündel Rosina heiraten, um an deren Erbe heranzukommen. Doch Rosina liebt den Grafen Almaviva und der sie. Nach etlichen Irrungen und Wirrungen kommen die beiden – natürlich – zusammen.
- Lohnt der Besuch? Unbedingt! Regisseurin Brigitte Fassbaender ist eine leichtfüßige, warmherzige und tiefgründige Inszenierung gelungen, die ganz im Dienste der Musik und der Verständlichkeit steht.
Brigitte Fassbaender, 83, war bis zu ihrem Abschied 1994 eine weltweit gefeierte Mezzosopranistin. Sie hörte auf, solange sie ihren eigenen Ansprüchen "gerade noch" gerecht wurde, erzählt sie. Zwischenzeitlich war sie Hochschulprofessorin, Intendantin, bis heute ist sie gefragte Regisseurin. Über 80 Opern und drei Theaterstücke hat sie bislang inszeniert, ihre jüngste Arbeit hatte jetzt am Staatstheater Meiningen Premiere: Gioachino Rossinis "Der Barbier von Sevilla", eine der ganz wenigen echten Komödien des Genres.
Die Fassbaender ist bekannt für ihre spitze Zunge, ihren trockenen Humor, aber auch für eine künstlerische Demut, die man vielen jüngeren Kolleginnen und Kollegen gelegentlich wünschen würde. "Alles, was ich mache, ist ja immer nur ein Versuch", sagt sie da, wo andere gerne letztgültige Wahrheiten verkünden.

Die ihrer Ansicht nach ungenügende Gesangsausbildung an deutschen Musikhochschulen spricht sie ebenso an wie das Ärgernis, dass viele junge Solistinnen und Solisten heutzutage schlecht vorbereitet in die Proben kommen und sich dann auch noch von ihren Handys ablenken lassen. Im Vorab-Pressegespräch mit Intendant Jens Neundorff von Enzberg möchte sie dennoch nicht in dessen Pessimismus einstimmen: "Theater wird immer existieren. Man muss sich eben sein Publikum immer wieder neu erobern."
Die Koloraturarien sind nie Bravourstücke, sondern immer in szenische Logik eingebettet
Mit ihrem Meininger "Barbier" könnte das ein weiteres Mal klappen. Brigitte Fassbaender vertraut der Kraft des Stücks und setzt ihr Personal mit unfehlbarem Gespür für individuelle Stärken (und vielleicht auch Schwächen) ein. Die Koloraturarien sind nie Bravourstücke, sondern immer in szenische Logik eingebettet. Das kann gelegentlich etwas verhuscht klingen – kein Problem, es kommt auf die Geste an. Und auf das, was der Italiener "Sprezzatura" nennt: Die Kunst, Schweres leicht und beiläufig erscheinen zu lassen.

Brigitte Fassbaender flicht immer wieder skurrile bis surreale Elemente ein – etwa den Kampf mit einem Riesenbleistift – und erzählt doch ganz organisch die Geschichte. So beginnt das Stück mit einem schrägen Briefträger-Ballett. Völlig schlüssig, schließlich geht es dauernd um irgendwelche abgefangenen oder fehlgeleiteten Geheimbotschaften.
Die Fassbaender nimmt den Applaus, wie einst als Sängerin, eher widerwillig entgegen
Bartolos Haus ist ein riesiger Schreibtisch (Bühne und Kostüme Dietrich von Grebmer), dessen Schubladen mal Bett, mal Treppe aber auch mal Kerker sein können. Denn Bartolo hält sein Mündel Rosina in beklemmender Gefangenschaft – übrigens ganz modern mit Zentralverriegelung. Übergriffige Männer gibt es hier einige. Auch das ein Kunststück: Die Regisseurin demaskiert eiskalt die Machos, ohne der Komödie die Leichtigkeit zu nehmen.
Diese Leichtigkeit will sie auch vom Ensemble, das die Hofkapelle unter der Leitung von Jonathan Brandani wunderbar flockig und transparent begleitet: Da wird ganz unbemüht gesungen und gespielt, was etwa Rafael Helbig-Kostkas sehr hellem, leichtem Tenor entgegenkommt. Sein Almaviva ist ein eher unsicherer, schüchterner Galan, dessen Mangel an Kernigkeit Sara-Maria Saalmann als drahtige und gewitzte Rosina locker wettmacht.

Johannes Mooser ist ein stimmlich wie spielerisch sehr präsenter Figaro, Tomasz Wija ein Bartolo mit überraschend sensiblen Seiten. Brigitte Fassbaender gibt ihm gerade im Scheitern seine Würde zurück. Selbst der Hagestolz Basilio (Mikko Järviluoto) bekommt seinen Moment, als er und der Notar (Silvio Wild) einander als Paar finden.
Das Publikum jubelt, die Fassbaender nimmt den Applaus, wie einst als Sängerin ("Das war mir immer peinlich"), eher widerwillig entgegen und verschwindet schnellstmöglich wieder von der Bühne. Ihre Inszenierung jedenfalls wird lange in Erinnerung bleiben.
Weitere Vorstellungen: 23. Oktober, 6., 17. November, 11., 22. Dezember, 8., 12. Februar, 1. Mai. Karten: Tel. (03693) 451 222. www.staatstheater-meiningen.de