Es sei eine verrückte, spannende, erhellende Reise gewesen, bis diese Ausstellung eröffnet werden konnte, sagt Luisa Heese. Eine Reise, die noch nicht zu Ende sei. Sie hat die Direktorin des Museums im Kulturspeicher Würzburg und ihre Co-Kuratorin Anke Kempkes um die Welt geführt.
"Der Titel sagt schon alles", so Heese. "Konkret Global!" will mit Werken von Schlüsselfiguren erstmals den Blick erweitern auf ein weltumspannendes Phänomen. Es geht laut Heese um die globale Perspektive auf die Konkrete Kunst, um Zusammenhänge und Parallelitäten, um eigene Fragestellungen und ästhetische Ausprägungen, um gesellschaftspolitische Dimensionen, um Netzwerke. Die Schau ist mehr als eine Ergänzung zur "Sammlung Peter C. Ruppert – Konkrete Kunst in Europa nach 1945". Diese ist seit 20 Jahren im Museum im Kulturspeicher beheimatet.
Die Arbeiten in den Wechselausstellungsräumen haben ihren Ursprung unter anderem in Südamerika, Nordafrika, im Mittleren und Nahen Osten, in Brasilien, Uruguay, Mexiko, Pakistan, Ägypten, Marokko, Palästina, im Libanon. Dort gingen die Künstlerinnen und Künstler oft von ähnlichen Bezugspunkten aus, wie sie bei den Avantgarden vor gut 100 Jahren entstanden waren, so Heese: etwa dem russischen Konstruktivismus, niederländischen De Stijl oder polnischen Unismus.
Den Begriff "Konkrete Kunst", prägte 1930 der Kunsttheoretiker Theo van Doesburg: Nichts sei konkreter, nichts wirklicher als eine Linie, eine Farbe, eine Fläche. Erstmals soll Hans Arp nach dem Ersten Weltkrieg um 1918 von der Konkretion innerer Gedanken gesprochen haben. Nicht die Natur sollte abstrahiert, sondern es sollte mit mathematisch-geometrischen Konstruktionen universelle Kunst geschaffen werden - etwas, das für sich selbst steht. Gefühle, Dramatik, Symbolik, Impressionistisches - all das lehnten die Konkreten ab.
Nicht alle hier Ausgestellten folgen diesem Dogma, entwickeln Spielarten dieser Idee einer ungegenständlichen Bild- und Formensprache. Denn, so Heese, "je nach Kontext, Zeit und Ort entstehen hybride Kunstformen, die lokale, indigene Einflüsse miteinbeziehen".
Deshalb stellen die Kuratorinnen zwei Werke des uruguayisch-spanischen Künstlers und Theoretikers Joaquin Torres-Garcia (1874-1949) an den Anfang. Darunter eine Provokation: seine umgedrehte Landkarte Südamerikas "America Invertida" von 1943. "Entgegen der globalen herrschenden Ordnung deklariert er nun den Norden zum Süden und den Süden zum Norden", heißt es in der Ankündigung.
In Uruguay geborener Künstler fügt in seine konstruktive Komposition Symbole ein
Torres-Garcia lebte in Frankreich, hatte laut Kempkes jedoch nie eine orthodoxe Haltung zur Konkreten Kunst. In Paris entdeckte er in ethnografischen Museen unter anderen die Kunst seiner Heimat, entwickelte später in Uruguay den Universalismo Constructivo und verwendete indigene lateinamerikanische Bildelemente - wie in seiner dunkelfarbigen konstruktiven Komposition aus dem Jahr 1931. In ein Raster stellt er Objekte, eine Vase oder eine Figur: Symbole, die jeder Mensch versteht, sagt Kempkes.
Eigene Ausprägungen sind auch in den "Emblema"-Bildern von Rubem Valentim (1922-1991) erkennbar. In seine geometrischen Abstraktionen baut er afro-brasilianische Formen ein, etwa sakrale Symbole der Gottheiten der afrikanischen Candomblé Religion. Die Nachfahren der verschleppten Sklaven bewahrten ihre Traditionen, vermischten sie mit der katholischen Religion ihrer Kolonialmacht Portugal.
Skulpturale Gedichte aus weißem Holz von Saloua Raouda Choucair
Auffallend ist: Etwa die Hälfte der Werke wurden von Frauen geschaffen, sagt Kuratorin Anke Kempkes, zu deren Spezialgebiet die weibliche Avantgarde gehört. Eine Entdeckung ist zum Beispiel die libanesische Künstlerin Saloua Raouda Choucair, geboren 1916 geboren in Beirut. Sie wurde 100 Jahre alt. Doch erst gegen Ende ihres Lebens wurde ihr Werk auch im Westen bekannt, obwohl sie einige Zeit in Paris gelebt hatte.
In Würzburg sind unter anderem ein Teppich und Choucairs faszinierende "Poems" aus weißem Holz zu sehen. Die Künstlerin hat sie skulpturale Gedichte genannt und ließ sich dabei von arabischer Poesie, etwa dem Sufismus inspirieren. Ihre bildhauerischen Werke, ob groß oder klein, bestehen aus ineinandergreifenden Modulen, abgeleitet vom islamischen geometrischen Design.
"Konkret Global" schlägt ein neues Kapitel auf. Das Projekt, die geografische, formale und inhaltliche Breite Konkreter Kunst aufzuzeigen, werde weiter fortgeschrieben, sagen Luisa Heese und Anke Kempkes.
Öffnungszeiten des Museums im Kulturspeicher Würzburg: Di 13-18, Mi 11-18, Do 11-19, Fr bis So 11-18 Uhr. www.kulturspeicher.de - Am 25. und 26. Oktober findet in Kooperation mit dem Institut für Kunstgeschichte der Uni Würzburg eine Konferenz zu diesem komplexen Thema statt. Sie kann auch im Internet verfolgt werden. Der Eintritt ist frei.