Museum heutzutage ist längst nicht mehr nur ein Gebäude, in dem Ausstellungen stattfinden, sagt Luisa Heese. Heese, Jahrgang 1984, ist seit September Leiterin des Würzburger Museums im Kulturspeicher. Im Interview erklärt sie, was sie sich für die kommenden Jahre vorgenommen hat. So soll sich das Haus nach außen neu präsentieren und sich in die Stadt und in den digitalen Raum hinein öffnen. Heese will außerdem mit anderen Institutionen kooperieren und das Museum zum Ort des Austauschs und der Diskussion machen.
Luisa Heese: Ja, ich wurde freundlichst empfangen. Inzwischen sind es ja ein paar Wochen, ich fühle mich schon sehr wohl in Würzburg. Trotz der widrigen Umstände und trotz der Einschränkungen.
Heese: Das ist auf jeden Fall eine Umstellung, aber eine, auf die ich mich sehr freue. Und die ich in Baden-Baden immer wieder mal vermisst habe. Mit einer Sammlung zu arbeiten, ist etwas ganz besonderes, sie spiegelt sich wider in der Programmgestaltung eines Hauses. Es sind ja zwei sehr unterschiedliche Sammlungen. Die städtische, die das Regionale abbildet, hat ganz wunderbare Werke, aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert und bis in die Gegenwart. Und eben diese besondere Sammlung der Konkreten Kunst in Europa, die ein Alleinstellungsmerkmal in ihrer Zusammenstellung hat.
Heese: Auf jeden Fall! Da gibt es noch viele Potenziale. Bei der Konkreten Kunst denkt das Publikum, es sei eine Hürde, sich mit diesen Werken auseinanderzusetzen. Aber die gibt es ja gar nicht. Weil diese Kunst so gemacht wurde, dass man sich davorstellen kann, das Werk sieht und merkt, was mit einem selbst passiert. Man braucht keine Kontexte und muss keine mathematischen Formeln verstehen. Es geht um die direkte Kommunikation zwischen Werk und Betrachter. Es ist bisher schon einiges unternommen worden, das deutlich zu machen, daran kann und soll man aber noch weiterarbeiten.
Heese: Im Moment setzen wir uns mit dem Team sehr stark damit auseinander, wie wir uns mit dem Haus nach außen präsentieren wollen. Das heißt, es wird in den nächsten Monaten einige Veränderungen in unserem Erscheinungsbild geben. Auch die digitalen Möglichkeiten, mit unserem Publikum in Kontakt zu treten, spielen dabei eine Rolle – gerade in dieser Zeit ist das ja besonders wichtig. Wir leben in einem Zeitalter, in dem das Museum nicht mehr nur im analogen Raum stattfindet, sondern der digitale Raum Teil des Museums ist. Und da gibt es noch einige Dinge, die ich umsetzen möchte.
Heese: Für mich und alle meine Kolleginnen und Kollegen war dieses letzte Wochenende vor dem Lockdown sehr interessant. Ganz viele Menschen haben die Gelegenheit genutzt, nochmal ins Museum zu gehen. Und haben uns damit widergespiegelt, dass Museum ein wichtiger Teil des Lebens, der gesellschaftlichen Aushandlungen ist. Natürlich müssen wir uns überlegen, wie wir in diesen Phasen in Kontakt bleiben. Und wie wir die Projekte, an denen wir arbeiten, sichtbar machen, auch, wenn man uns nicht besuchen kann.
Heese: (lacht) Die Ideen betreffen sowohl die Sammlungen als auch das Herangehen an kunstgeschichtliche und gesellschaftliche Fragen. Was ich in Zukunft stärken möchte, ist die Auseinandersetzung mit Fragen, die nicht nur mit Kunst zu tun haben, sondern die uns als Gesellschaft angehen. Ich will in der Kunst zeigen, wie Themen verhandelt werden und wie sie mit unserer Gegenwart etwas zu tun haben. Was wir daraus lernen können. Ich verstehe das Haus als einen Ort der Auseinandersetzung, der nicht nur dieses Gebäude und klassische Ausstellungen beinhaltet. Wenn man eine breite Schicht von Menschen erreichen möchte, muss man rausgehen. Das heißt auch, Kooperationen eingehen. Es gibt ja ganz viele tolle Institutionen in Würzburg. Ich will schauen, wo es Überschneidungen, gemeinsame Themen gibt. Damit kann man Kräfte bündeln und Sichtbarkeit schaffen.
Heese: Da gibt es einige, ich möchte da aber noch nicht zu sehr vorgreifen. Ein Projekt, das schon vor meiner Zeit geplant wurde und das wir nächstes Jahr umsetzen werden, ist eine Ausstellung mit einem Künstlerpaar aus Amsterdam, das sich fotografisch, filmisch und auch sprachlich dem Ort und dem Phänomen Fukushima genähert hat. Die beiden sind vielfach in die Sperrzone gereist. Die Ausstellung kommt nicht zufällig, nächstes Jahr jährt sich die Katastrophe zum zehnten Mal. Wir wollen die Kunst zum Ausgangspunkt für Gespräche und Diskussionen machen. Das ist ein schönes Beispiel, wie man ein künstlerisches Thema auch gesellschaftlich aufgreifen kann.
Heese: Das kommt ein bisschen darauf an, wie zu der Zeit dann die Regeln sein werden. Wir würden uns wünschen, dass das Museum ein besonderer Ort ist, an dem man zusammenkommt, um über solche Themen zu sprechen. Im Netz schießen die Diskussionen ja oft über das Ziel hinaus, hier könnte man sich austauschen, ohne, dass alles gleich eine ideologische Richtung bekommt. Das ist eine ganz wichtige Funktion der Museen.
Heese: Ich habe viele Lieblingsbilder, muss ich sagen. Es ist immer schwierig, da eins rauszuziehen, es gibt in beiden Sammlungen großartige Werke. Ich bin noch dabei, immer mal wieder durch die Ausstellungen zu gehen und mir die Werke anzuschauen, weil ich jetzt das große Privileg habe, mit diesen Werken zu leben und sie jeden Tag um mich zu haben. Und da entdecke ich immer wieder neue Ebenen und neue Fälle, die interessant sind. Ich bin zum Beispiel sehr froh über den Nachlass Emy Röder, weil das eine wirklich herausragende Künstlerin war – ganz wichtig für die Geschichte der Kunst im frühen 20. Jahrhundert.
Heese: Ich freue mich auf jeden Fall darauf, in den kommenden Jahren die Sammlungspräsentation neu zu ordnen und neue Zusammenhänge zu schaffen. Und gerade die Sachen aus den Depots zu holen, die es wert wären, mal wieder dem Publikum zu zeigen. Da gibt es in beiden Sammlungen noch einige Schätze.