Ein Denkmal. Auf dem Marktplatz! Friedrich Rückert (1788–1866) hat von solchen Ehren und Ehrungen wenig gehalten. Und natürlich hat er auch diese Abneigung in Verse gefasst:
Seh' ich solch einen ehrnen Mann
Oder aus Stein gehaunen,
Der draußen sich nicht wehren kann
Vor Wind und Wetterlaunen;
Wie ihm der Bart vom Eise starrt,
Und Schnee ihm krönt die Scheitel,
So denk, ich, solch ein Ruhm ist hart,
Und wer ihn wünscht, ist eitel.
Bewahre Gott vor solchem mich,
Daß ich zu Tode frieren
Mich müss? im Tod und jämmerlich
Ein ödes Plätzchen zieren.
Hat nichts genützt. Obwohl es noch deutlichere Worte von Rückert in seinem Nachlass gibt:
Sie tun ihr bestes, mich zu verletzen
Und werden mir zuletzt ein Denkmal setzen
Seit 18. Oktober 1890 thront Rückert auf seinem Sockel auf dem Marktplatz seiner Geburtsstadt Schweinfurt. Vor 150 Jahren ist er gestorben, 2016 war deshalb wieder einmal sein Jahr: Ausstellungen
Vor allem, wenn einen Rudolf Kreutner begleitet, Kurator der wunderbaren Ausstellung „Der Weltpoet“ und Betreuer des poetischen Nachlasses Rückerts in städtischen Diensten. Oder wie es jemand auf einer Rückert-Veranstaltung formulierte: der Stellvertreter Rückerts auf Erden.Versonnen schaut der Denkmal-Rückert, in sich gekehrt. Eine Hand liegt auf einem Buch. Wahrscheinlich ein orientalisches Werk, dafür spricht das Format, sagt Kreutner. Wer vor ihm steht, sieht links, zu Füßen des Dichters, die vaterländischen Gedichte in einer Frauenfigur symbolisiert. Sie hält eine Leier, ist mit Schwert und Harnisch ausgestattet: Hinweis auf die Geharnischten Sonette , die Rückert im Befreiungskrieg schrieb. Auf der anderen Seite der Gegenpol: der Orient. Ein Assyrerkopf, eine Schriftrolle, wohl mit aramäischer Schrift, so Kreutner, steht für ein anderes großes Werk Rückerts: Die Weisheit des Brahmanen. Ganz so erhaben wie die Symbolik des Denkmals ist seine Geschichte nicht. Schon zu Lebzeiten Rückerts kam die Idee auf, ihm ein Standbild zu errichten. Das war der Stadt aber zu teuer, man entschied sich für eine Bronzetafel am Geburtshaus am Marktplatz. Als aber Preußenkönig Wilhelm I. und Queen Victoria den Bau einer Kolossalbüste Rückerts in Coburg unterstützten, geriet die Stadt in Zugzwang, so Kreutner.
Das Denkmal sollte über eine Lotterie finanziert werden, Schriftsteller warben für das Projekt, Königshäuser zeigten sich spendabel. Das Geld reichte dennoch nicht. Die Spenden aus Schweinfurt flossen nicht so reichlich. „Sparbrenner“, sagt Kreutner. Blieb nur noch der Bittbrief nach München: Die Spendensammlungen hatten 13560 Mark eingebracht, das musste die Stadt auf 20 000 aufstocken. 25 000 Mark kamen aus München.
„Die Einweihung war ein Riesenevent“, sagt Kreutner. Drei Tage wurde 1890 gefeiert. Es war alles da, was Rang und Namen hatte. Auch Familie Rückerts.
Beinahe hätte übrigens Johannes Brahms eine Ouvertüre zum Festakt komponiert. Er war mit Rückert-Tochter Marie befreundet. Der Brief mit dem Komponier-Auftrag kam allerdings nicht rechtzeitig an. Das Stadtarchiv bewahrt einen Brief von Brahms: „Ich wäre hochbeglückt gewesen, auch meinerseits dem großen Sohn Ihrer Stadt ein Zeichen höchster Verehrung geben zu können.“ Vielleicht hätte ja wenigstens das Rückert gefallen.