Die Grafentochter Julie verführt den Diener Jean. Der will mit ihr fliehen und in der Schweiz ein Hotel eröffnen. Die schöne Julie soll die nötigen Investoren anlocken, gerät über Jeans Plan zur Funktionalisierung ihrer Talente allerdings in helle Wut.
Bis hierhin sind in August Strindbergs Stück "Fräulein Julie" schon einige Standesgrenzen gefallen und Geschlechterrollen getauscht. Eben damit kommen Julie und Jean, der Diener mit Sommeliersefahrung, absolut nicht klar. Strindberg treibt das Paar in tragische Dilemmata: "Ich kann nicht fliehen und ich kann nicht bleiben." Nach der klassischen Lehre löst ein solcher Bühnenkonflikt beim Zuschauer Furcht und Mitleid aus.
Darauf zielt Hanna Müllers Regie für die Kammer im Mainfranken Theater jedoch nicht ab. Die Inszenierung ist wohltuend frei davon, uns in die Entstehungszeit (1888) zurück oder allzu tief in die Psyche der Figuren hinein zu führen. Kostüme und Bühne sind schlicht modern, der Bauerntanz wummert als Techno aus dem Off. Die gesellschaftlichen Bindungen von Julie und Jean liegen so weit entfernt von uns, dass sie ausgestorben oder zumindest höchst künstlich erscheinen. Dass die beiden darunter und – durch ihre Reaktionen – unter sich selbst leiden, erscheint interessant, aber, wie das Wort Reaktion schon andeutet, in etwa so berührend wie die Vorgänge in einem Reagenzglas. Das Tragische versiegt. Die Mechanismen funktionieren und sie funktionieren nicht. Sie produzieren eine Groteske.
Wenn der Mann künstlich spielt – ist die Frau dann das natürliche Prinzip?!
Dazu passt Müllers Personenführung: Alexander Darkow spricht wunderbar artifiziell in Melodie, Pausensetzung, Dynamik. Johanna Meinhard spielt bei dieser Künstlichkeit nicht mit, artikuliert alltäglicher, rauer, ebenso wie die Köchin Kristin. Julia Baukus erfüllt diese Nebenrolle einfach, indem sie Frau ist und gemeinsam mit ihrer Kollegin die Frage aufwirft: Wenn der Mann künstlich spielt – ist die Frau dann das natürliche Prinzip?!
An die Annahme einer solchen Natürlichkeit der Geschlechterrollen klammerte sich Strindberg bekanntlich verzweifelt. Die Würzburger Inszenierung seines "Fräulein Julie" führt den Reaktionär Strindberg recht geschickt vor. Sie setzt sogar – immer ein heikles Bühnenmittel – Nacktheit ein, um den Autor ad absurdum zu führen.
Vielleicht kam das Stück aber auch nur deshalb auf den Spielplan, weil sein Titel bekannt ist, so dass man dafür nicht allzu aufwendig um Zuschauer werben muss. Eben die sind dieser Inszenierung und vor allem ihren explosiven historischen Denkanstößen sehr zu wünschen.
Die weiteren Vorstellungen: 22., 28. Februar; 4., 18., 29. März, 12., 22., 27. Mai, immer 20 Uhr. Karten: Karten: Tel. (09 31) 39 08-124 oder karten@mainfrankentheater.de