Vor einem Jahr hat die Deutsche Unesco-Kommission die künstlerischen Drucktechniken in die Liste der immateriellen Kulturgüter aufgenommen. Zu den derzeit 97 deutschen immateriellen Kulturgütern zählen Faschingsbräuche, Orgelbau und Orgelmusik, Skatspielen und Osing, das heißt, die Ackerverlosung von Krautostheim und seinen Nachbardörfern. Auf der bayerischen Landesliste stehen außerdem die Kirchweihen in Sennfeld und Gochsheim im Landkreis Schweinfurt. Die Nachfolger von Albrecht Dürer und Johannes Gutenberg befinden sich also in bunter Gesellschaft.
Die Kulturpfleger der Unesco riefen außerdem den 15. März als Tag der Druckkunst aus. Der findet heuer zum ersten Mal statt. Besonders der Berufsverband Bildender Künstler (BBK) griff diese Anregung gern auf. In Unterfranken betreibt der BBK im Würzburger Kulturspeicher eine Werkstatt. Die lädt am Freitag, 15. März, ab 19 Uhr und tags drauf gleich noch einmal ab 11 Uhr ganztags zu Ausstellung, Film und Schaudrucken an einer neuen Presse ein – an einer so genannten Kniehebelpresse. Allein deren wagenheberartiger Mechanismus beeindruckt Auge und Sinn derart, dass auch der Laie mit dem Prädikat „immaterielles Kulturerbe“ freigiebig wird. Noch schöner wirkt neben dem Kniehebel eine Dauerleihgabe von Koenig & Bauer mit ihren tänzerisch eleganten Bewegungsabläufen.
Gerade der Würzburger Kulturspeicher wendet sich der Zukunft zu
Aber technikgeschichtliche Nostalgie ist nicht das einzig Reizvolle am Tag der Druckkunst. Gerade der Würzburger Kulturspeicher wendet sich der Zukunft zu, der BBK Unterfranken ist damit der Unesco einen Schritt voraus. Denn bei ihrem Lob der Druckkunst grenzt sich die Unterorganisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur tendenziell von digitalen Medien ab, wenn sie mitteilt, in den 1990er Jahren hätten sich „manuell-künstlerische und rein industriell gefertigte Drucksachen“ endgültig getrennt.
Haben sie nicht. Sie greifen häufig ineinander. Höchst vorsichtig räumt die in Bonn ansässige Unesco-Kommission allenfalls ein, „durch die Mischung von Digitaldruck und Buchdruck werden neue Ausdrucksmöglichkeiten erzeugt“. Ganz geheuer ist den kulturbürokratisch verzagten Unesco-Mitarbeitern das also nicht.
Schlafwandelnde Krebstiere und ihre Zoogenossen
Die Leiterin der BBK-Druckwerkstatt Kristin Finsterbusch wird zusammen mit dem unterfränkischen Verbandschef Dierk Berthel und der Würzburger Malerin und Grafikerin Ines Schwerdt die beiden Druckkunsttage moderieren. Finsterbuschs eigene aktuelle Printserie zeigt merkwürdige Fabelwesen in einer aquatinta-schönen Anmutung. Die schlafwandelnden Krebstiere und ihre Zoogenossen sind von Hand gebastelt, ausgeleuchtet und abfotografiert, die Bilddateien im Computer bearbeitet, auf eine fotochemische Druckplatte übertragen und dann auf ausgesuchte Papiere gepresst.
Kulturspeicher-Besucher bekommen diese urwüchsige Menagerie erst eine Woche später in ihrer ganzen Breite zu sehen, wenn Kristin Finsterbusch in der BBK-Galerie mit der gleichfalls experimentellen Druckgrafikerin Linda Schwarz ausstellt (dritte im Bunde ist dann die Druck-Novizin Kathrin Feser).
Bei Stürtz arbeitete bis vor einigen Jahren einer der allerletzten Notendrucker der Welt
Schwarz scheut sich nicht, auch das Manipulieren am Fotokopierer als Zwischenschritt in den bildnerischen Prozess einzubauen. Dabei kommt es ihr obendrein auf die Umweltverträglichkeit ihrer Techniken und der verwendeten Substanzen an. Am Tag der Druckkunst selbst ist die umtriebige Linda Schwarz in Homburg und Marktheidenfeld präsent (siehe unten).
Die BBK-Galerie im Hochparterre des rechten Kulturspeicherflügels zeigt am 15. und 16. März einen breiten Querschnitt von Arbeiten, die eine Etage tiefer in der Druckwerkstatt entstanden sind. Kristin Finsterbusch möchte mit ihrer Auswahl demonstrieren, wie viele verschiedene Techniken hier möglich sind. Deshalb setzt die Ausstellung nicht auf regionale große Namen, sondern bringt auch Arbeiten von Schulklassen, die hier an Workshops teilnahmen. Dazu laufen zwei Filme, einer über die Entstehung von Holzschnitten, der andere aus dem Oberstübchen der alten Würzburger Stürtz-Druckerei: Hier arbeitete bis vor einigen Jahren einer der allerletzten Notendrucker der Welt, der die Notenköpfe händisch mit dem Hämmerchen in die Druckplatte schlug. Falls es noch einen Beweis für die Vielfalt der Druckkunst gebraucht hätte.
Die Veranstaltungen in Unterfranken
Druckwerkstatt des BBK im Kulturspeicher Würzburg: 15. März ab 19 Uhr und tags drauf ab 11 Uhr ganztags Ausstellung, Film und Schaudrucken
Balthasar-Neumann-Gymnasium, Marktheidenfeld, Oberländerstr. 29: 15. März, Linda Schwarz, Michael Nembach: "Wir machen Eindruck mit Ausdruck"
Burg Homburg, Atelier Linda Schwarz, rechter Eingang: 17. März, 14-17 Uhr, "Wir machen Druck"
Homburg, Museum Papiermühle, Gartenstraße 11: 17. März, 14-17 Uhr, "Drucken ist ein Abenteuer", Johannes Follmer