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WÜRZBURG
Abschiedsvorstellung
Eberhard Peiker (rechts) als Brandner Kaspar mit Tjark Bernau als Boandlkramer am Mainfranken Theater in „Der Brandner Kaspar und das ewig' Leben“.
Foto: Thomas Obermeier | Eberhard Peiker (rechts) als Brandner Kaspar mit Tjark Bernau als Boandlkramer am Mainfranken Theater in „Der Brandner Kaspar und das ewig' Leben“.
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:49 Uhr

Eberhard Peiker ist in nur zwei Spielzeiten am Mainfranken Theater zum Publikumsliebling avanciert. Nun hört der Schauspieler, Jahrgang 1943, auf – die Gesundheit spielt nicht mehr so richtig mit. Man sieht ihm das freilich nicht an, auf dem Weg zum Fototermin vor dem Mainfranken Theater steigt er mal eben elegant über die Kordel im Foyer hinweg. Und wenn man ihn fragt, was er denn jetzt so vorhabe, abseits der Bühne, die er derzeit in den Stücken „Terror“, „Heisenberg“und „Der Brandner Kaspar und das ewig Leben“ so mühelos beherrscht, dann klingen seine Antworten nicht wirklich nach Ruhestand: Er will sein Englisch und sein Französisch aufpolieren, wieder mehr Schach-Turniere spielen und reisen.

Frage: Herr Peiker, wann merkt man, dass man ein Publikumsliebling ist?

Eberhard Peiker: Ich muss ganz ehrlich sagen, ich weiß es nicht. Ich bekomme zwar die eine oder andere Reaktion mit, aber ich achte da nicht drauf. Ich brauche das nicht wirklich. Ich bin auch ganz gerne für mich. Ich setze mich im Café möglichst in die Ecke nach hinten. Wichtig ist für mich, dass ich auf der Bühne mein Bestes geben kann, alles andere ist Privatsache.

Sie haben letzten Herbst 50-jähriges Bühnenjubiläum gefeiert. Sie haben unglaublich viel gemacht. Wahrscheinlich habe ich Sie als Kind in der „Rappelkiste“ und im „Feuerroten Spielmobil“ gesehen.

Peiker: Das kann sehr gut sein. „Spielmobil“ habe ich zwölf Folgen gemacht, „Rappelkiste“ 54.

Theater ist immer auch eine Art Zeitkommentar, der mitläuft. Wie hat sich denn die Welt in dieser Zeit verändert?

Peiker: Ich gehöre ja zu den Achtundsechzigern. Das war ein großer Aufbruch, wir haben versucht, das Erstarrte der Adenauer-Zeit zu durchbrechen. Die Befreiung von der rigiden Erziehung der 50er-Jahre, das Aufmachen des Hirns – das war schon sehr erfrischend. Jetzt habe ich ein bisschen die Angst, dass alles rückläufig ist. Das macht mir Sorge, weil sich Antisemitismus breitmacht, weil man Menschen, die anders aussehen, eine andere Religion haben, nicht gerne sieht. Man soll nicht pauschalieren, aber das sind trotzdem Tendenzen, die mir nicht gefallen. Augsburg, wo ich meine Jugend verbrachte, war ja auch zerstört, wie Würzburg. Ich bin durch die Ruinen gelaufen. Da war es wunderbar zu sagen, wir machen ein gemeinsames Europa – das finde ich eine der größten Errungenschaften. Wir sind zwar verschiedene Länder, haben verschiedene Kulturen, verschiedene Sprachen. Aber es ist doch spannend, das ohne Grenzen erleben zu können.

Können Sie sich erklären, warum da plötzlich dieser Rückschritt ist?

Peiker: Ich weiß nicht, wie es mit Menschen ist, die die vorherigen Zeiten nie erlebt haben. Für die Frieden etwas Normales ist. Die nehmen das alles als gegeben. Ich habe noch Hunger erlebt. Das wünsche ich natürlich niemandem. Aber umso mehr waren wir damals drauf aus, offen zu sein für die Welt.

Welchen Platz hat das Theater in dieser Gemengelage?

Peiker: Wir haben hier Vertreter von 22 Nationen, wir gehen alle vollkommen normal miteinander um, für uns ist das selbstverständlich. Das finde ich einen ungeheuren Gewinn. Ich bin halt ständig damit verbunden, andere vielleicht nicht. Wenn es deshalb jetzt in eine andere Richtung geht, dann täte mir das sehr, sehr leid.

Eberhard Peiker vor seiner - vorerst - letzten Wirkungsstätte, dem Mainfranken Theater Würzburg
Foto: Johannes Kiefer | Eberhard Peiker vor seiner - vorerst - letzten Wirkungsstätte, dem Mainfranken Theater Würzburg

Fällt es Ihnen schwer aufzuhören?

Peiker: Sagen wir mal so – der Geist wäre willig, aber ich habe die letzten Jahre doch schon körperliche Defizite gehabt. Ich habe das immer wieder weggesteckt, aber wenn Sie in diesem Beruf drin sind und es tut Ihnen was weh, selbst wenn es was Schwieriges ist – Sie gehen trotzdem auf die Bühne. Weil Sie nicht die Leute heimschicken wollen. Es gibt so einen netten Spruch: „Der Schauspieler geht nicht auf die Bühne, wenn er den Kopf unter dem Arm hat.“ Das ist meine Haltung: So gut und so lange wie es geht das Beste geben. Ich habe letztes Jahr diese schwere Grippe gehabt, diesen B-Virus, der haut dich weg. Meine Frau war sechs Wochen gelegen, und ich habe nach zwei Wochen wieder angefangen zu arbeiten . . . Ich wollte, dass wir mit den Proben für „Heisenberg“ nicht in Verzug kommen. Aber man braucht einfach viel länger, um sich zu erholen. Das hat mich bewogen, jetzt mal eine Pause zu machen. Und dann kommt noch eines hinzu: Meine Frau hat gesagt, „jetzt bin ich dir 40 Jahre hinterhergefahren, wie wär's, wenn du jetzt auch mal des Längeren bei mir bist“. Das muss man dann auch mal respektieren.

„Pause“ klingt nach einen nicht ganz endgültigen Abschied.

Peiker: Ich bin mit Intendant Markus Trabusch so verblieben: Wenn sich irgendwas ergibt, aber erst, wenn ich wieder Kraft habe, wenn es mich wieder unter den Zehennägeln beißt und das frühestens in einem Jahr, dann kann man ja mal über ein Stück nachdenken.

Welche Rolle müsste an Ihnen denn anbieten? Was wäre die Traumrolle?

Peiker: Ich habe nur Traumrollen gehabt in meinem Leben, ob klein oder groß, denn meine Aufgabe ist es, dem Zuschauer, der dafür bezahlt, und der Bevölkerung, die dafür Steuergelder hergibt, das Beste zu geben. Natürlich war ich nicht immer gut, ich war auch mal besch . . . – also nicht so gut. Aber ich habe immer versucht, das, was ich gerade mache, als das Wichtigste zu sehen. Ich habe außerdem ja alles gespielt, von der griechischen Klassik bis zur Moderne. Die Sachen, die fehlen – na ja . . . Aber wenn ich alles aufzählen würde, was ich gespielt habe, müsste nachher die Vorstellung ausfallen.

Sie stehen nachher auf der Bühne – wieviel Vorlauf brauchen Sie?

Peiker: Eine Stunde schon. Andere machen es sicher anders, aber ich gehe in mich, konzentriere mich, laufe auch mal schnell Treppen rauf und runter, um den Kreislauf in Schwung zu bringen. Und dann konzentriere ich mich die allerletzten Minuten ganz intensiv.

Es gibt diesen Spruch, dass es in Hollywood für Frauen über 40 als Rolle nur noch die Staatsanwältin oder Miss Daisy gibt. Am Theater ist es natürlich anders – aber auch da haben es ältere Männer leichter, oder?

Peiker: Ganz sicher – und ich finde das ungerecht. Bisher war es so, dass meistens die Männer die Stücke geschrieben haben – und das eben aus ihrer Perspektive. Dass Frauen weniger vorkommen lag auch daran, dass sie in früheren Zeiten nicht den Stellenwert hatten, die sie haben sollten und heute – zumindest bei uns – hoffentlich auch haben. Es wäre deshalb gut, wenn Frauen den Mut hätten, mehr Frauenstücke zu schreiben.

Wird so ein Haus, selbst, wenn es eher ungemütlich wie dieses hier, auch zu einem Stück Heimat?

Peiker: Ja, auf jeden Fall. Wenn der Zuschauer drin ist, kann das Haus aussehen, wie es will. Dann kriegt es Atmosphäre. Und wenn dann spürt, es funktioniert . . . Aber das kann woanders auch sein, siehe „Terror“ im Rathaus. Aber all das ist nicht zwingend: Man kann ja auch einfach einen schwarzen Fetzen aufhängen und eine Lampe aufstellen und spielen. Aber es ist schön, dass wir gerade im deutschsprachigen Raum diese Möglichkeiten haben, im Gegensatz zu anderen Ländern. Ich habe in Saarbrücken oft französische Schauspieler betreut, die dort zu Gast waren. Dort gibt es ganz wenige feste Häuser. Die Kollegen studieren ein Stück ein und gehen dann damit ein Jahr lang auf Tournee. In dieser Zeit habe ich sieben Rollen gespielt – weil es dank Haus und festem Ensemble möglich war. George Tabori hat nicht zu Unrecht gesagt, dass die deutschen Theaterschauspieler die besten der Welt sind – weil sie eben die Möglichkeit haben, so vielfältig zu arbeiten. Und deshalb kann ich die Menschen nur ermutigen: Es ist ein Geschenk, solche Theater zu haben, und ich finde, sie sollten das möglichst oft nutzen. Eigentlich sollten die Vorstellungen immer voll sein!

Eberhard Peiker, 1943 in Königsbrunn bei Augsburg geboren, absolvierte eine Schauspielausbildung und studierte Theatergeschichte, Neuere Literatur und Philosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Nach Fernsehproduktionen wie der Kinderserie „Das feuerrote Spielmobil“ war er von 1979 bis 1983 am Theater der Jugend in München engagiert. Weitere Stationen waren das Tiroler Landestheater Innsbruck (1983 bis 1991), das Staatstheater Saarbrücken (1991 bis 2001) und ab 2002 das Theater Augsburg. Es spielte König Lear, Shylock, den Kurfürst im „Prinz von Homburg“, König Philipp in Schillers „Don Karlos“ sowie die Titelfigur in Lessings „Nathan“. Peiker wirkte bei zahlreichen Hörspiel- und Fernsehproduktionen mit. Am Mainfranken Theater Würzburg war und ist er in dieser Saison in „Der Brandner Kaspar und das ewig' Leben“, „Draußen vor der Tür“, „Unsere blauen Augen“, „Terror“ und „Heisenberg“ zu sehen, wo er am 21. Juli zum letzten Mal auf der Bühne stehen wird.

 
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