Die Sekretärin Georgie und ihr kleines Kind wurden früh von dessen Erzeuger alleingelassen. Kaum flügge geworden, verließ auch der Sohn die überforderte Alleinerziehende, „die Peinlichkeit in Person“, wie sie ihn zitiert. Die verzweifelte Mutter schmeißt sich an einen alten Mann ran, um ihm 5000 Pfund abzuknöpfen. Damit will sie ihren Sohn in Amerika suchen.
Dem Alten, einem abgeklärten Metzger mit unverhofften Einblicken in die Theoretische Physik – daher der Titel „Heisenberg“ des Stücks von Simon Stephens, das am Freitag in der Kammer des Mainfranken Theaters Premiere hatte –, labert Georgie die Hucke voll. Dafür, dass ihre oben skizzierte Vorgeschichte nicht gelogen ist, gibt es im Stück recht eindeutige Hinweise, auch wenn wahre Aussagen bei Georgie rare Kostbarkeiten sind. Vor allem: Regisseurin Beatrix Schwarzbach hat „Heisenberg“ als die Geschichte dieser Mutterschaft inszeniert. Wir bekommen Einblicke in ein verzweifeltes Schicksal, an dem Georgie irre geworden ist, jedenfalls fast.
Jede kleinste Geste erscheint durchinszeniert
In der Würzburger Fassung steckt Georgie in einer depressiven Phase. Zu vielen Textpassagen passt das leider nicht. Die lassen sich nur mit Manie sprechen. Folge ist, dass die Schauspielerin Christina Theresa Motsch von einer Künstlichkeit umhüllt ist, die man bewundern kann – jede kleinste Geste und jeder Augenblick erscheinen durchinszeniert –, die aber immer das Technisch-Gemachte des Schaugespielten sehen lässt. Man glaubt ihr nicht ganz. Was auf anderer Ebene natürlich nicht verkehrt ist, denn ihre Figur lügt ja, dass die Bühnenbretter krachen. Eberhard Peiker gibt den Fleischhauer Alex mit den seltsamen Freizeitambitionen unter einer etwas anders gearteten Hülle: Was bei Motsch das Artifizielle, ist bei ihm eine innere Weltentrücktheit. Schließlich ist seine Figur doppelt so alt wie seine Partnerin. Aber dann immer wieder überraschend gegenwärtig. Es ist schön, ihm zuzuschauen.
Gibt es eine Wahrheit?
Spannung bekommt „Heisenberg“ durch die lange anhaltende Frage, ob die beiden Charaktere dem Zuschauer je klar und nachvollziehbar werden. Ob am Ende so etwas wie eine Wahrheit herauskommt, falls sie existiert. Und ob, als dann spät das Heiratsschwindlermotiv ausgespielt wird, weitere konventionelle Handlungselemente folgen. Am Ende steht nicht gerade eine Moral, aber eine entsprechende Aussage: Es kommt nicht darauf an, was der Mensch ist, sondern was er tut. Beifall spenden in der voll besetzten Kammer, das ist zur Premiere eh klar.